Was heißt Judentum und Jüdisch-Sein? Und wie hat Bruno Kreisky die Art und Weise, wie in Österreich über Juden gesprochen und gedacht wird, mit beeinflusst? BARBARA TÓTH bat den Politologen ANTON PELINKA und NU-Mitherausgeber MARTIN ENGELBERG zu einem Streitgespräch.
Von Barbara Tóth und Matin Engelberg, Fotos von Peter Rigaud
NU: Herr Pelinka, in einem soeben erschienenen Buchbeitrag beschäftigen Sie sich mit der österreichischen und der jüdischen Identität und stellen dabei die These auf, dass man Österreicher und Jude sein kann – trotz der historischen Belastung. Warum?
Pelinka: Wir leben in einer Gesellschaft, in der Mehrfachidentitäten eine Realität sind. Fundamentalismen jedweder Art versuchen diese Realität zu leugnen. Die österreichische Identität, wie sie sich seit 1945 entwickelt hat, ist im Widerspruch zu einer bestimmten Form des Nationalismus entstanden, nämlich des Deutschnationalismus österreichischer Prägung. Sie hat daher mehr inklusive, einladende, als exklusive, ausschließende Elemente – anders als traditionelle Nationalismen. Das muss nicht immer so bleiben, und wir erleben durch Entwicklung etwa des „Österreich-Patriotismus“ der Freiheitlichen, dass es eine Art „Normalisierung“ der österreichischen Identität in Richtung mehr Exklusivität gibt. Aber prinzipiell, vom Ansatz her, ist die österreichische Identität, vielleicht anders als andere Identitäten, eine, die es selbstverständlich zulässt, dass man daneben auch andere Identitäten lebt: eine jüdische, katholische, feministische – oder die Identität eines Politologen.
Engelberg: Es gibt ja auch die Ansicht, dass Juden immer die besseren Österreicher, Europäer oder Weltbürger waren. Die Frage, die sich für mich stellt, ist, wie umfassend die jüdische Identität ist. Wenn Sie sie mit der Identität eines Politologen oder einer Feministin vergleichen, dann ist für mich die Ebene nicht die gleiche. Die jüdische Identität geht darüber hinaus, sie ist mit Sprache und Bildung verbunden, und das ist auch eine der interessantesten Aspekte an der Persönlichkeit Bruno Kreiskys. Wir stark war seine jüdische Identität – nicht nur in Abgrenzung durch den Antisemitismus und den Versuch, seine Religion abzulegen.
Offenbar verstehen Sie beide etwas anderes unter dem Begriff „jüdische Identität“. Lassen Sie uns doch einmal Ihre Definitionen darlegen.
Pelinka: Jede Identität ist konstruiert, sie ist eine „imagined community“, eine eingebildete Gemeinschaft. Ich gehe nicht davon aus, dass sie etwas Stabiles, etwas Quasi-Natürliches ist, sondern Identität ist das Produkt einer gesellschaftlichen Entwicklung. Zur jüdischen Identität habe ich zwei Anmerkungen: Das eine ist das Religiöse. Die jüdische Identität ist genauso wie die katholische Identität aus einer bestimmten Religion und damit Tradition heraus entstanden. Was sie aber besonders macht, ist die Erfahrung mit einer einmaligen Brutalität der Ausgrenzung in Form des Antisemitismus und des Holocaust. Während es in Europa des 20. Jahrhunderts mehr oder weniger erlaubt war, die katholische Identität zu verlassen, zum Agnostiker, Atheisten, Protestanten oder Buddhisten zu werden, hat der pseudobiologische Antisemitismus die Juden in ihrer Identität eingesperrt und gezwungen, Juden zu bleiben. Antisemitismus und Holocaust sind heute aus dem Verständnis der jüdischen Identität nicht wegzudenken, sie sind zentraler Bestand davon.
Engelberg: Ich gebe Ihnen recht, dass es eine von außen kommende Identitätsbildung gibt. Als Analytiker ist mein Blick aber sehr auf die Entwicklung der individuellen Identität gerichtet. In diesem Zusammenhang ist es interessant, dass Sigmund Freud den Begriff der Identität nur einmal verwendet hat – und zwar im Zusammenhang mit seiner eigenen, jüdischen Identität. Im jüdischen Leben, sofern es ein traditionelles und religiöses ist, gibt und gab es eine ganz starke Identitätsbildung, von klein auf. Ein paar Stichworte dazu: die ganz starke Betonung des Lernens, des Lernen-Wollens, der Freude am Lernen. Die Begeisterung, etwas zu verstehen und besonders kluge Fragen zu stellen. Ich selbst habe das erlebt – in einem jüdischen Milieu, das mittel- und osteuropäisch und aschkenasisch geprägt ist. Über die Jahrhunderte hat sich daraus eine ganz spezifische Denktradition entwickelt, aber auch eine eigene Kultur des Witzemachens, der Selbstironie – und des Umgangs mit Bedrohung. Einer meiner Lieblingswitze dazu ist: Zwei Juden fahren mit einem Pferdekarren, ein gefällter Baumstamm versperrt ihnen den Weg. Lange überlegen sie, wie sie das Hindernis überwinden könnte. Einen anderen Baum als Hebel benutzen? Eine zweite Straße bauen? Nach Stunden kommen zwei ukrainische Kutscher, bleiben stehen, steigen aus, stoßen den Baum zur Seite und fahren weiter. Sagt der eine Jude zum anderen: „Mit Gewalt?“ Diese Selbstironie – wie auch der Versuch, alles intellektuell zu lösen – das ist etwas Charakteristisches, das jüdische Menschen in Europa sehr stark geprägt hat.
Pelinka: Das ist nicht zu bestreiten, nur würde ich das als Kultur bezeichnen. Es gibt ein spezifisch jüdisches Kulturelement in der europäischen Kulturtradition, vor allem im mittel- und osteuropäischen Raum. In Westeuropa war das nicht möglich, weil diese Region schon im späten Mittelalter judenfrei gemacht wurde. Schrift und Lesen haben darin eine sehr große Rolle gespielt, aber auch die Unterdrückungserfahrung – deshalb das problematisierte Verhältnis gegenüber Gewalt. Aber Sie haben selbst gesagt, das ist europäisch-jüdisch, und nicht jüdisch schlechthin. Kultur hat natürlich viel mit Identität zu tun. Gerade die Geschichte des Staates Israel zeigt, dass hier zwei jüdische Subkulturen aufeinandertreffen, mit nicht unerheblichen Konflikten: die orientalisch-sephardisch geprägten und die europäisch-aschkenasisch geprägten Juden. Judentum ist nicht gleich Judentum, es gibt unterschiedliche Formen, die zu unterschiedlichen Identitätsprägungen führen. Für mich als Politologen ist übrigens interessant, dass in Israel die sozial Schwächeren aufgehört haben, links zu wählen und stattdessen rechts votierten, bevor das in Europa unter Le Pen und Jörg Haider geschah. Die sozial Schwächeren waren überproportional orientalische Juden, sie hatten offenbar ein Ausschließungs- und Verlierererlebnis.
Herr Engelberg, sehen Sie sich als österreichischer Jude oder jüdischer Österreicher?
Engelberg: Das ist die Frage danach, wo das größere Gewicht ist. Aber man kann natürlich beides sein. Gerade die Geschichte der Juden in Österreich zeigt, wie wunderbar beide Identitäten vereinbar sind – wenn man es zulässt. Ich kann mir auch vorstellen, dass Juden gegenüber der EU eine überproportional große Zuneigung haben. Es gibt verständlicherweise den Wunsch nach einer möglichst demokratischen und weltoffenen Gesellschaft.
Pelinka: Interessant ist auch, dass beim Slansky-Prozess 1952 in der Schlussphase des Stalinismus mit immer deutlicher werdendem Antisemitismus nicht zufällig die meisten Angeklagten Juden waren. Jüdische Kommunisten. Sie wurden als „Kosmopoliten“ bezeichnet – das war das Codewort für Juden. Natürlich gibt es diese Brechung in der Geschichte der Juden in Europa, in der etwas Transnationales angelegt ist. Juden konnte nie ganz nur Franzose, nie ganz nur Russe sein. Aber es gibt natürlich auch Juden, die fundamentalistischen Vereinfachungen anhängen, die übrigens auch zionistisch- jüdische Vereinfachungen sein können. Juden sind ja auch keine besseren Menschen als alle anderen. Aber für die, die diesen Vereinfachungen nicht anheimfallen, ist die EU, die ich als Antithese zum Nationalismus verstehe, natürlich sehr einladend.
Die EU als zweite Heimat des europäischen Judentums nach Israel – ist das ein Thema, Herr Engelberg?
Engelberg: Mir fällt dazu nur ein Bild ein: Ich war letztes Jahr bei der Makkabiade, den jüdischen Sportspielen, in Rom, wo Sportler aus ganz Europa zusammenkamen. Zur Eröffnung sind wir alle in Nationaldressen einmarschiert, also wir Österreicher in Rot-Weiß-Rot, die Franzosen in Rot-Blau-Weiß. Noch bevor die letzten einmarschiert sind, haben wir schon begonnen, die Leiberln zu tauschen.
Pelinka: Vor dem Spiel ist nach dem Spiel …
Engelberg: Die Eröffnungsrede war noch gar nicht gehalten, stand ich schon dort in einer französischen Trainingsjacke und einer italienischen Hose. Wieso trage ich das als Österreicher? Es sind eben jüdische Spiele, und die Tatsache, dass ich in Rot-Weiß-Rot einmarschierte, ist letztlich ein Zufall. Meine Familie stammt aus Galizien, wir hätten genauso gut in den USA oder in Frankreich landen können. Man entwickelt eine ganz spezifische österreichische und jüdische Identität, aber dennoch ist es nicht so schwer, sich einer anderen nationalen Identität anzunähern. Das ist natürlich etwas, was bodenständige Menschen irritiert.
Pelinka: Auch ich habe dazu eine persönliche Beobachtung. Ich lebe derzeit mehr in Ungarn. Gleich eine Gasse weiter von meiner Wohnung in Buda gibt es eine katholische Schule, die regelmäßig zwei Fahnen gehisst hat: die ungarische und die gelb-weiße Fahne des Vatikans. Diese Demonstration einer Doppelidentität ist offenbar selbstverständlich. So what? Nur grobe Vereinfacher stoßen sich daran. In Budapest würden sich viele wahrscheinlich eher an einer Davidstern-Fahne als an der des Vatikans stoßen. Noch eine zweite Geschichte dazu: In den neunziger Jahren kam ein japanischer Wissenschaftsforscher ans Collegium Budapest und wollte der rätselhaften Frage nachgehen, wieso Ungarn in den ersten Jahrzehnten des Nobelpreises, gemessen an der Bevölkerungszahl, die meisten Nobelpreisträger hervorgebracht hat. Seine Nachforschungen ergaben, dass die meisten Preisträger Juden, getaufte Juden waren. Und zwar solche, die Lutheraner geworden waren und ein bestimmtes, sehr elitäres Gymnasium in Budapest besucht hatten. Offenbar sind hier mehrere Variablen zusammengekommen, die eine blühende jüdische Kulturtradition entstehen ließen – noch dazu in einem antisemitischen Umfeld. Anders als in Österreich waren die Lutheraner in Ungarn Juden gegenüber offener als die Calvinisten.
Der Name Bruno Kreisky ist bereits gefallen, lassen Sie uns zu ihm und damit nach Österreich zurückkehren. Bruno Kreisky hatte ein ambivalentes Verhältnis zu seinem Judentum. Er stand dazu, wollte aber nicht als Jude charakterisiert werden. Herr Pelinka, inwieweit prägt Kreisky heute noch unseren Umgang mit jüdischen Identitäten in Österreich?
Pelinka: Sicherlich in dem Sinn, dass allen bewusst ist, dass Kreisky Jude war. Natürlich hat er es als Intellektueller erfahren, dass er sein Judentum mit dem Austritt aus der Kultusgemeinde nicht los wird. Er sagte immer, er stehe zu seiner jüdischen Herkunft und er stehe zu seiner jüdischen Identität. Aber er hat gleichzeitig eine Abgrenzung vorgenommen, die für ihn als in der Zwischenkriegszeit geprägten Austromarxisten selbstverständlich erschien: eine Abgrenzung gegenüber dem Zionismus. Für ihn war es eine Art Irrlehre. Er glaubte wahrnehmen zu können, dass es von Zionisten eine Rollenzuweisung, einen Anspruch an ihn gibt, den er ablehnen muss: aus seiner kulturell jüdischen Identität politische Schlussfolgerungen zu ziehen. Das führte zu einer emotionalen Überreaktion, die etwa in den bekannten Auseinandersetzungen mit Simon Wiesenthal mündete. Bis heute gibt es im Diaspora-Museum in Tel Aviv kein Bild von Kreisky, obwohl andere jüdische Staatsmänner sehr wohl gezeigt werden. Und: Nach wie vor gibt es in Österreich ein linkes Israel-Bashing von Teilen der Sozialdemokratie, die sich auf Kreisky berufen, Für die Rechte ist Kreisky willkommenes Beispiel, wenn sie Schlussstrich-Argumente brauchen. Nach dem Motto: Ihr werft uns Antisemitismus vor? Wir hatten doch einen jüdischen Bundeskanzler. Insofern wirkt er also nach.
Engelberg: Es ist tatsächlich schwierig zu verstehen und für die weitere politische Entwicklung Österreichs auch problematisch, dass Kreisky vier ehemalige Nationalsozialisten zu Ministern gemacht hat und Friedrich Peter zum Nationalratspräsidenten machen wollte. Dass er letztlich die Koalition mit der FPÖ vorbereitet hat und jemand wie Harald Ofner Justizminister wurde – und damit eigentlich auch den Weg für die ÖVP-FPÖ-Zusammenarbeit des Jahres 2000 bereitet hat. Die Tabuschwelle war weg. Die Frage, die ich mir stelle, ist: Wie sehr ist Kreisky seiner Verantwortung gegenüber seiner jüdischen Identität gerecht geworden?
Gibt es diese Verantwortung überhaupt?
Engelberg: Ich finde, dass es sie gibt. Im Sinne, diese Verantwortung letztlich wahrzunehmen und nicht aufgrund äußerer, politischer Umstände zu agieren. Und nicht den Antisemitismus als etwas darzustellen, das sich letztlich irgendwann einmal von selbst erledigen wird. Kreisky hat den Antisemitismus als den stabilen Faktor in der Gesellschaft nicht wahrnehmen wollen. Das bezeichne ich als Agieren gegen die jüdische Identität. Obwohl diese ein wesentlicher Teil seines politischen Erfolges war.
Pelinka: Ich würde Kreisky die Nationalsozialisten, die er in die Regierung holte, persönlich gar nicht zum Vorwurf machen. Zum Teil wusste er nicht, dass sie diese Vergangenheit hatten. Das brachte erst Simon Wiesenthal auf. Kreisky meinte noch vor 1966, er als Jude könne nicht Parteivorsitzender werden. Ihm war der Antisemitismus auch in seiner eigenen Partei also sehr wohl bewusst. Als er dann doch Vorsitzender wurde, gegen seine eigene Erwartung, hat er begriffen, dass er nicht gegen die politische Kultur der Nachkriegs-SPÖ verstoßen darf, die da lautete: „Über unsere Nazis reden wir nicht.“ Über die der ÖVP übrigens auch nicht. Das war damals einfach so, Kreisky hat sich eingefügt. Als er dann die Zusammenarbeit mit der FPÖ in die Wege leitete, war ihm schon klar: Er konnte das, weil er als Jude eine besondere Position hatte. Ihm würde man nicht vorwerfen, nazifreundlich zu sein. Das war Teil des Spiels. Hätte er sich antinazistischer verhalten als der Rest der SPÖ, hätte man ihm ebenfalls nachgesagt, er tue das als Jude. Diese Punzierung wäre er nie losgeworden.
Engelberg: Das ist gerade mein Vorwurf an Kreisky. Menschen wie er verbrauchen das jüdische Kapital, und letztlich endet das im Aufgehen im westlichen Kulturkreis. Meiner Meinung nach gibt es aber etwas Erhaltenswertes im Jüdisch-Sein. Und eine Verantwortung dafür.
Pelinka: Als Nicht-Jude fällt es mir schwer, von einer spezifischen Verantwortung zu reden. Ich war ein Jahr in Ann Arbor an der University of Michigan. Nicht, dass ich behaupten könnte, in den USA gäbe es keinen Antisemitismus. Aber in einer solchen Universitätsstadt ist das Judentum, das aberproportional präsent ist, auf dem Status der methodistischen oder katholischen Kirche. Es gibt eine Reformsynagoge, eine orthodoxe Synagoge. Es ist so alltäglich und selbstverständlich wie die diversen Kirchen anderer Konfessionen. Eine Art Normalisierung ist eingetreten. Was wäre gewesen, hätten sich die pseudo-naturwissenschaftlichen Antisemiten nicht durchgesetzt? Dann wäre das Judentum eine Religion wie jede andere. Toleriert, ab und zu mit Spannungen und internen Problemen – aber sonst? Eine andere Beobachtung kommt aus dem Persönlichen. Ich bin katholisch sozialisiert. Wenn man mir sagen würde, ich hätte eine besondere Verantwortung, würde ich antworten: Wieso? Ich nicht! Weil ich zufällig getauft bin? Der Unterschied ist natürlich, dass ich nicht in meiner kollektiven Erinnerung so etwas wie den Holocaust erleben musste. Das heißt, wir kommen letztlich doch auf das zentrale Definitionsmerkmal des exterminatorischen Antisemitismus zurück. Ohne den, glaube ich, könnte man nicht ernsthaft über eine besondere Verantwortung nicht religiöser Juden für das Judentum diskutieren. Kein nicht religiöser Katholik würde auf diese Idee kommen.
Engelberg: Ja, aber ich bin der Meinung, dass das eben nicht alles ist. Es gibt eben auch die Verantwortung, dass eine ganz spezifische jüdische Lebensweise und Erziehung an die nächste Generation weitergegeben wird. Das erscheint mir sehr wertvoll.
Pelinka: Ich würde auch sagen, der gregorianische Choral soll erhalten bleiben. Ich bin im Zweifel dafür, aber ich habe keine persönliche Verantwortung dafür.
Engelberg: Es ist mehr als das. Wenn die jüdische Kultur auf eine offene, westliche, demokratische Gesellschaft trifft, gibt es eine unglaublich fruchtbare Vereinigung. Das ist die schönste Bestätigung dafür, dass es diese Verantwortung, das Jüdische zu erhalten, gibt. Auch Sigmund Freud hat geschrieben, wie sehr ihm sein Judentum letztlich dazu befähigt hat, die Psychoanalyse zu entwickeln.
Pelinka: Das ist auch ein Ergebnis der Diasporaund Antisemitismus-Erfahrung. Von den drei monotheistischen Religionen ist nur eine in diesem Ausmaß geprägt von der Erfahrung der Verfolgung. Eben deshalb sehe ich es als das entscheidende Phänomen.
Engelberg: Ja, aber es geht auch um die Talmud-Erfahrung. Die Erziehung, die Hinwendung zur Schrift und zur Sprache, das Hinterfragen und die Freude am Verstehen. Das kann man nur weitergeben, wenn man etwas dafür tut. Ansonsten geht es verloren. Hier hat sich in zwei Jahrtausenden christlicher Verfolgung ein Weg gebildet, um zu überleben.