Die Ankündigung des US-Präsidenten Donald Trump, er sei entschlossen Gaza zu kaufen und dort eine Riviera des Nahen Ostens zu schaffen, berührt eine sehr spannende Frage, nämlich: Wem gehört eigentlich Gaza, also von wem könnte Trump dieses umstrittene Gebiet erwerben?
Von Martin Engelberg
Für den Gaza-Streifen gilt der gleiche Status wie für das Westjordanland (bzw. Judäa und Samaria, wie es heute in Israel weitgehend genannt wird). Beide Gebiete waren Teil des Osmanischen Reiches bis zu dessen Zerfall am Ende des 1. Weltkriegs. Vom Völkerbund, der Vorgängerorganisation der UNO, wurde Großbritannien danach die Hoheitsgewalt über das Mandatsgebiet Palästina übertragen. Dieses umfasste die Gebiete des heutigen Israels, Jordaniens, des Westjordanlandes und des Gazastreifens.
Im Gebiet östlich des Jordans hatten die Briten bereits in den 1920er Jahren das halbautonome Emirat Transjordanien geschaffen, welches sich im Jahr 1946 als Königreich Jordanien für unabhängig erklärte. Mit dem Teilungsbeschluss der Vereinten Nationen im November 1947 sollte im Mandatsgebiet westlich des Jordans ein jüdischer und arabischer Staat geschaffen werden. Dieser Plan wurde jedoch von den Arabern im Mandatsgebiet und den umliegenden arabischen Staaten vehement abgelehnt.
Staatsgründung Israels
Der Staat Israel wurde daher nicht aufgrund des genannten UN-Teilungsplans zu einem souveränen Staat, sondern vielmehr durch seine Unabhängigkeitserklärung vom 14. Mai 1948. Doch in welchen Grenzen? Dafür gilt im Völkerrecht der Grundsatz Uti possidetis juris. Demnach gilt als Stichtag für die Festlegung der Grenze der unmittelbare territoriale Status am Tag der Unabhängigkeitserklärung. (Nach genau demselben Prinzip wurden auch die Grenzen der Nachfolgestaaten der Sowjetunion, Jugoslawiens und der Tschechoslowakei festgelegt). Hätte die arabische Seite den Teilungsbeschluss von 1947 ebenso akzeptiert wie die jüdische, dann wären zwei souveräne Staaten auf dem Mandatsgebiet westlich des Jordans entstanden.
Nachdem dies nicht geschah – die umliegenden arabischen Staaten begannen vielmehr unmittelbar nach der Staatsgründung einen Krieg gegen Israel – blieben die Grenzen des britischen Mandatsgebietes unverändert. Somit trat Israel mit seiner Gründung die Nachfolge des Mandats an und blieben die Grenzen Israels – gemäß des Prinzips Uti possidetis juris – diejenigen des Mandatsgebietes Palästina.
Völkerrechtswidrige Besetzung durch Jordanien bzw. Ägypten (1948-1967)
Im Zuge des genannten völkerrechtswidrigen arabischen Angriffskrieges auf den soeben gegründeten Staat Israel, eroberte Jordanien das Westjordanland und Ägypten den Gaza-Streifen. Weder Jordanien noch Ägypten hatten irgendeinen legitimen Anspruch auf diese Gebiete, die Besetzung wurde nicht einmal von der Arabischen Liga akzeptiert. Darüber hinaus schufen Jordanien und Ägypten in der Zeit ihrer Okkupation (1948-1967) in der Westbank und dem Gaza-Streifen keinen wie auch immer gearteten arabischen oder palästinensischen Staat, ja nicht einmal irgendeine Form der Autonomie.
Der Sechs-Tage Krieg 1967 und seine Folgen
Im Zuge des Sechs-Tage Kriegs eroberte Israel das Westjordanland und den Gaza-Streifen. Israel war unmittelbar danach bereit, diese Gebiete – im Abtausch mit einem Friedensabkommen – wieder zurückzugeben. Die Antwort der Arabischen Liga ging als die drei Neins von Khartum in die Geschichte ein: Kein Frieden mit Israel, keine Anerkennung Israels, keine Verhandlungen mit Israel.
Einige Monate später verabschiedete der UNO-Sicherheitsrat die historisch wichtige Resolution 242. In diesem wird erstens die Notwendigkeit betont, auf einen gerechten und dauerhaften Frieden hinzuarbeiten, in dem jeder Staat der Region in Sicherheit leben kann. Zweitens wurde Israel zum Rückzug von im Sechs-Tage Krieg besetzten Gebieten aufgefordert. In der beschlossenen englischen Originalversion der Resolution hatte der Autor der Resolution, der britische Botschafter Lord Caradon, ganz bewusst nicht den bestimmten Artikel eingefügt (also: Rückzug von den im Sechs-Tage Krieg besetzten Gebieten) sondern durch Verwendung des unbestimmten Artikels offengelassen, von welchen der besetzten Gebiete sich Israel, im Falle eines Friedensschlusses, zurückziehen solle. Jedenfalls war damit das Prinzip Land für Frieden formal eingeführt.
Oslo-Abkommen und israelischer Abzug
Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) erlangte 1994 im Rahmen des Oslo-Abkommens die Verwaltungshoheit über Teile des Gaza-Streifens. Zunehmend entwickelte sich das Gebiet zu einer Hochburg der fundamental-islamistischen Hamas, welche – bis heute – die Zerstörung des Staates Israel zum Ziel hat. Gegen großen Widerstand im eigenen Land setzte der damalige israelische Premierminister Ariel Scharon im Jahr 2005 den Abzug Israels aus dem Gaza-Streifen durch. Ab diesem Zeitpunkt gab es im Gaza-Streifen keine israelischen Soldaten und Siedler mehr. Zunächst übernahm die PA die Kontrolle über den gesamten Gaza-Streifen. Nur wenig später, im Jahr 2007, vertrieb die Hamas in einem blutigen Putsch mit Hunderten Toten, die Vertreter der PA aus dem Gaza-Streifen. Von westlichen und arabischen Staaten bereitgestellte, beträchtliche Geldmittel wurden aber nicht zum Aufbau des Gaza-Streifens, sondern vielmehr zu einer Bewaffnung und Errichtung einer Terrorinfrastruktur verwendet. Die Hamas schuf darüber hinaus ein Terrorregime gegen die eigene Bevölkerung mit willkürlichen Verhaftungen, Folter und Erschießungen.
Der Begriff Palästinensische Gebiete
Von UNO-Organisationen, Politikern und Journalisten werden das Westjordanland und der Gaza-Streifen zumeist als besetzte palästinensische Gebiete bezeichnet. Woher stammt der Begriff? Die gängige Sichtweise ist tatsächlich, dass Israel das Westjordanland und den Gaza-Streifen im Zuge des Sechs-Tage Kriegs erobert hat und dort seither eine kriegerische Besatzung gemäß der Genfer Konvention ausübt. Israel und einige Völkerrechtsexperten halten dem jedoch entgegen, dass der Gaza-Streifen zwar von Ägypten erobert wurde, aber dieser ja nicht ägyptisches Territorium war. Daher war Ägypten jedenfalls nicht rechtmäßiger Souverän des Gaza-Streifens.
Wieso spricht man dann im Falle des Westjordanlandes und des Gaza-Streifens von palästinensischen Gebieten? Historisch gesehen gab es zu keinem Zeitpunkt der Geschichte irgendeine Art von palästinensischer Souveränität über irgendein Territorium. Die Mindestvoraussetzungen für Staatlichkeit nach dem Völkerrecht, Montevideo-Kriterien genannt (dauerhaftes Staatsvolk, definiertes Staatsgebiet und Ausübung von Staatsgewalt), haben die Palästinenser nie erfüllt. Ja, der Begriff Palästinenser wurde überhaupt erst in den 1960er Jahren eingeführt.
Weiters wird oft mit dem Selbstbestimmungsrecht der Völker argumentiert, welches den Palästinensern das Recht auf einen Staat gibt. Dem ist jedoch nicht so, weil sich aus dem Selbstbestimmungsrecht gemäß der UNO-Charta und den danach beschlossenen Menschenrechtspakten nicht automatisch das Recht auf einen eigenen Staat durch Sezession von einem anderen Staat ableiten lässt. Die Souveränität über das Westjordanland und den Gaza-Streifen hätten die Araber, bzw. später dann die Palästinenser, durch die Annahme des UNO-Teilungsplans von 1947 oder nach dem Sechs-Tage Krieg 1967, durch eine Annahme des Angebots Israels – Land für Frieden – erlangen können. Beide Male habe sie dies abgelehnt. Heute – und noch bestärkt durch das vom Gaza-Streifen ausgegangene Massaker in Israel vom 7. Oktober – kommt dem Sicherheitsbedürfnis und dem Recht auf territoriale Unversehrtheit des Staates Israel große Bedeutung zu. Schließlich lässt die im Gaza-Streifen regierende Hamas in ihrer Charta und mit diesem Angriff keinen Zweifel an ihrem Ziel der Zerstörung des Staates Israel, in welchen Grenzen auch immer.
Bleiben also zur Beantwortung dieser Frage lediglich die unzähligen Resolutionen der UNO und Erklärungen vieler Staaten, die von palästinensischen Gebieten sprechen, die zwar den Wünschen der Palästinenser bzw. arabischen Staaten, aber nicht der rechtlichen Realität entsprechen. Es ist ja nicht die UNO, die kraft des Völkerrecht Staatlichkeit verleihen kann, und auch Anerkennungserklärungen dritter Staaten haben keine rechtliche Wirkung; sie sind rein politischer Natur.
Fazit
Der Gaza-Streifen ist völkerrechtlich gesehen also weder ägyptisches noch palästinensisches Territorium. Israel andererseits hätte, wenn schon, einen viel solideren Rechtsanspruch auf das Gebiet des Gaza-Streifens, wobei dieser aber von der Staatsführung Israels derzeit gar nicht in Anspruch genommen wird. Der Gaza-Streifen hat also völkerrechtlich als umstrittenes Gebiet zu gelten. Ob also Donald Trump bzw. die USA den Gaza-Streifen kaufen oder zumindest in Besitz nehmen können, kann letztlich nur in Verhandlungen mit allen beteiligten Staaten und Parteien geklärt werden.