Was übrig blieb

Systematischer Raub war ein Kennzeichen des NS-Systems – auch Kunstwerke blieben davon nicht verschont. Während Millionen von Menschen ermordet wurden, haben viele Kunstgegenstände allerdings die Zeit überdauert. Eine Datenbank gibt nun Einblick in die große Palette entzogener Kunst, die bisher nicht restituiert wurde und für die es keine Anspruchsberechtigten mehr zu geben scheint.
Von Alexia Weiss (Text) und Jacqueline Godany (Fotos)

Der Nationalfonds ermöglicht ab sofort mit seiner Online-Datenbank www.kunstrestitution.at einen spanenden kunst-, kultur- und zeitgeschichtlichen Ausflug in das Leben österreichischer Juden vor 1938. Dokumentiert werden hier die vielfältigen kulturellen und intellektuellen Interessen einer Bevölkerungsgruppe, die hinter den entzogenen Objekten sichtbar werden: Neben wertvollen Gemälden oder Skulpturen waren es vor allem Bücher, Fotografien, Briefe, Möbel, Porzellan, die von den Nazis geraubt – und danach penibel katalogisiert wurden.

Weniger penibel ging man im Österreich der Nachkriegszeit mit der Rückgabe der entzogenen Ver­mögen um, sodass die Bestände heimischer Museen bis heute Objekte zweifelhafter Provenienz beherbergen. Mit dem 1998 verabschiedeten Kunstrückgabegesetz setzte hektische Provenienzforschung in den Museen ein. Wo Erben ausfindig gemacht werden konnten oder können, wurde und wird das Geraubte rückerstattet. In vielen Fällen gibt es allerdings keine Überlebenden mehr. Für solche Objekte sieht das Kunstrückgabegesetz eine Verwertung“ durch den National­fonds vor – sprich eine Versteiger­ung, deren Erlös dann NS-Opfern zugute kommen soll.

Möglichkeit zur Wiedererkennung

Mit der Veröffentlichung dieser so genannten herrenlosen Kunst will der Nationalfonds nun „Ange­hörigen noch eine Möglichkeit geben, etwas wieder zu erkennen“, sagt die Generalsekretärin des Fonds, Hannah Lessing, im Gespräch mit NU. Tritt dieser Fall ein, werden die Betroffenen auf der Home­­­page gebeten, sich mit jener In­­­stitution in Verbindung zu setzen, in dem sich das Objekt heute be­findet. Bis dato wurden vom Nationalfonds die Bestände des Bundes und der Stadt Wien erfasst. In einer nächsten Phase ist geplant, auch die anderen Bundesländer einzubinden. So sollen etwa die Daten des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum in Kürze in die Kunstdatenbank aufgenommen werden.

Aufgelistet werden auf www.kunstrestitution.at derzeit an die 8.000 Objekte. Da es sich um ein „Work- in-Progress-Projekt“ handelt, rechnet Projektleiter Michael Seidinger mit der Erfassung von rund 10.000 Objekten bis Jahresende. Bei den gezeigten (Kunst-)Gegenständen handelt es sich überwiegend um Druckwerke, Handschriften, Foto­grafien und Druckgrafiken (insgesamt etwa 7.000 Objekte). „In den Kategorien Malerei, Zeichnungen und Kunsthandwerk sind in Summe Daten zu weiteren 500 Objekten enthalten“, so Seidinger. So finden sich an Werken namhafter Künstler in der Datenbank etwa die Farblithographie „Helden 1915“ von Albin Egger-Lienz, das Ölgemälde „Anna Bahr-Mildenburg am Lido“
von Koloman Moser, ein Porträt Melanie Schieles von Egon Schiele oder das Aquarell „Weintrauben“ von Georg Ferdinand Waldmüller. Alle angeführten Werke befinden sich
derzeit im Wien Museum.

Auktion nicht in Sicht.

Wann diese tausenden Objekte nun unter den sprichwörtlichen Hammer kommen, steht allerdings noch in den Sternen. Der Fonds kann nämlich erst dann eine Auktion vorbereiten, wenn vom Kunstrückgabe-Beirat beschlossen wurde, welche Gegenstände nach dem Kunstrückgabegesetz schlussendlich als „herrenlos“ klassifiziert worden sind – „aber eigentlich sollte man hier eher von ‚erblosen‘ Objekten sprechen“, erklärt dazu die Juristin des Projektteams, Claire Fritsch. Die Juristin betont zudem: „Die Objekte der Kunst-Datenbank stellen nur vorläufige Ergebnisse der Provenienzforschung dar.“ Gegenstände, denen aufgrund der Veröffentlichung in der Kunstdatenbank Unbedenklichkeit bezüglich ihrer Herkunft beschieden werden könnte, würden natürlich in den Museen verbleiben.

Derzeit würden vom Beirat vorrangig jene Objekte behandelt, zu denen es Hinweise auf Erben gebe. Die Datenbank beinhalte jedoch vor allem Angaben zu Objekten, deren Vor­­­eigentümer unbekannt seien. Kurz: So schnell werden die tausenden Fälle nicht „abgearbeitet“ sein. Zur Versteigerung werden, wenn es dann einmal so weit ist, jedenfalls nur jene Objekte kommen, die gesichert als „erblos“ eingestuft werden können. Aus den Fehlern der Mauerbach-Auktion wollen alle mit dem Thema Restitution befassten Experten und Institutionen gelernt haben. Der „Mauerbach-Schatz“ wurde der Israelitischen Kultusgemeinde in den neunziger Jahren von der Republik zur Auktion überlassen, ohne allerdings Unterlagen zur Provenienz „mitzuliefern“, sodass schlussendlich auch Objekte versteigert wurden, bei denen sich danach herausstellte, dass es durchaus Erben gegeben hätte.

Mögliche Erben ausfindig zu
machen ist für Provenienzforscher jedes Mal ein besonderes Ver­gnügen. Auch dem Nationalfonds ist es bereits mehrfach gelungen, Rechtsnachfolger zu eruieren. Als Beispiele nennt Lessing hier An­­spruchsberechtigte auf das Porträt des Schauspielers Max Pallenberg von Malva Schalek bzw. die Erben nach der Sammlung Weinstein. „Weiters konnten wir in Zusammenarbeit mit der Kom­mission für Pro­venienzforschung die Erbin zu Egger-Lienz’ ‚Totentanz III‘ in Kalifornien ausfindig machen“, so Lessing. Aufgrund von Hinweisen habe man auch eine US-amerikanische Erbengruppe zur Sammlung der Schwestern Elise und Helene Richter ausfindig machen können –
noch sei allerdings nicht geklärt, ob diese die einzigen Erben seien.
Ob der Nationalfonds hier im Erfolgs­fall so etwas wie eine Be­­arbeitungsgebühr einfordere, wollte NU von Hannah Lessing wissen.
„Wir arbeiten selbstverständlich unentgeltlich“, so die klare Antwort.

Für den Fonds sei jeder durch die nun eingerichtete Datenbank ermöglichte Informationsfluss, „mit dem ein Stück Provenienzgeschichte erhellt werden kann, ein Erfolg“, betont Lessing. Gearbeitet wird an der elektronischen Erfassung der Objekte seit etwa eineinhalb Jahren, „ab Sommer 2005 wurde dann in Gesprächen mit den Museen, Prove-nienzforschungseinrichtungen und der IKG klar, dass die Datenbank nicht nur Objekte enthalten soll, bei denen Erben gesucht werden, sondern auch solche, bei denen weitere Hinweise zur Be­­denklichkeit bzw. Unbedenklich­keit für die betreffenden Museen hilfreich wären“.

WEB-TIPPS:
www.kunstrestitution.at
www.nationalfonds.org

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