Vor 15 Jahren im NU

Warum wir wurden und wie wir waren
VON PETER MENASSE

Im November des Jahres 2000 stand die jüdische Gemeinde noch ganz unter dem Eindruck der ersten Regierung von ÖVP und FPÖ, die sich im Februar konstituiert hatte. Die USA und Österreich verhandelten über eine Rahmenvereinbarung zur Restitution, bei der es um nach 1938 geraubte Vermögenswerte ging. NU kritisierte in seiner Ausgabe 3 nicht nur die sich abzeichnende, allzu kleine Lösung, sondern auch die IKG, die sich verpokert und ihre Rolle als Verhandlungspartner verloren hatte.

In einem Kommentar meinte Eric Frey, dass durch Restitutionszahlungen das Unrecht nie aufgewogen werde, jedoch zumindest die große Kluft, die durch die Verbrechen entstanden war, überbrückt werden könne. Opfer erhielten ein Gefühl der Wiedergutmachung, und die Täter hätten mit einer Geste ein Stück der moralischen Last abgebaut. Während das in Deutschland früh erkannt worden sei, hinke Österreich nach. Die sich abzeichnende Lösung in Österreich sei unbefriedigend, meinte Frey, weil sie keine auch nur annähernd ausreichende Summe vorsehe, gleichzeitig der Betrag aber doch so hoch sei, dass die große Mehrheit ihn für ungerechtfertigt hielte.

Im selben Heft findet sich ein wunderbares Interview, das Helene Maimann mit Altpräsident Paul Grosz zu eben diesem Thema geführt hatte. Er zog eine bittere Bilanz über die Bereitschaft der Österreicher sich von ihrer Schuld zu befreien: „Es geht darum, dass die Täter die Schuld einbekennen, nicht weil sie gezwungen sind oder weil sie glauben, gezwungen zu sein, sondern weil sie es wollen. Das ist hier nicht geschehen. Und damit ist für mich die Gewissheit da, dass es wiederkommen kann. Davon bin ich überzeugt.“ Hoffen wir nur, dass sich diese Prophezeiung des imponierenden Paul Grosz nicht bewahrheitet.

Das restliche NU widmete sich mit viel Akribie der schlechten Finanzlage unserer Gemeinde, die Martin Engelberg zur Überschrift „Sanierungsfall IKG“ veranlasste. Es gab auch eine ganze Menge an Leserbriefen, die meinten, NU möge nicht öffentlich Kritik üben, weil das den Feinden nütze. Ja, wir schreiben das Jahr 2000, und die Hysterie ist groß. „Ich empfinde Ihr Blatt als eine einzige Ansammlung von Gehässigkeiten und Anschuldigungen“, schrieb da einer und bewies deutlich, dass auch unter Juden besorgte Kritik von manchen als Nestbeschmutzung empfunden wird.

Die zwanzig Seiten NU 3 werden dereinst ein Stück spannender Zeitgeschichte sein – die Leserbriefe inklusive.

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