Der österreichische Autor und Fotograf David Staretz bereist seit zwanzig Jahren regelmäßig die Schwarzmeerstadt Odessa. Sein Fotoband, vor wenigen Wochen erschienen, ist geprägt von Alltagspoesie und Herzlichkeit. Mittlerweile herrscht Krieg in der Ukraine.
Von Gregor Auenhammer
„Die Waffen nieder!“ lautete programmatisch das Postulat jener Zeitschrift, die von der österreichischen Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner sowie dem ebenfalls mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten Pazifisten und Schriftsteller Alfred Hermann Fried ab 1892 publiziert wurde. Angesichts der Gräuel der damals in Europa wütenden Kriege – der Russisch-Türkische Krieg 1877 war die Initialzündung ihres Engagements – gründeten sie die Internationale Friedensgesellschaft. Nach Alfred Hermann Fried, dessen Familie übrigens wie jene Joseph Roths aus der Gegend von Lemberg stammte, ist heute der Global Peace Photo Award benannt. Mit Schrecken darf man auf die aktuellen Fotos des heuer zum zehnten Mal ausgelobten Preises gespannt sein. Zur Frage, wie Frieden aussehen kann, würde aber dar von David Staretz vröffentlichte Fotoband Odessa hervorragend passen.
Jahrelang besuchte der Wiener Autor und Fotograf regelmäßig die ukrainische Stadt am Schwarzen Meer. Die Begeisterung für den bröckelnden Charme der herben Schönheit weckte seine russische Frau Viktoriya. Schon zu Kaisers Zeiten war die Ukraine das Armenhaus der k. u. k. Monarchie. Man denke an Roths Hiob oder Juden auf Wanderschaft. Fatal die Frage, was von der „Perle am Schwarzen Meer“ in Kürze übrig sein wird.
„Eine Sehnsuchtsstadt, ohne dass mir klargeworden wäre, worin das Faszinosum besteht“, nennt sie David Staretz und verweist auf die Nähe Odessas zu Wien anhand der Verwandtschaft jüdischer Wurzeln während der Hegemonie des Vielvölkerstaates. „Odessa erinnert an ein idealisiertes Wien, das es so nie gab, aber mit Steilküste und Hafen.“ Sein persönliches Reise-Logbuch, entstanden lange vor dem Krieg, strahlt voll Alltagspoesie und Herzlichkeit – anstelle von Hasardeuren und Kriegstreibern.
Die allseits epidemisch grassierende Euphorie, zu den Waffen zu greifen, macht einen rat- und sprachlos. Erschüttert ob der Unfassbarkeit des Geschehenden verstummen aber auch Proponenten der internationalen Friedensbewegung. Pazifisten, nicht Populisten aller Länder, vereinigt euch: die Waffen nieder!
Odessa. Wien, wie es nie war, aber am Meer
Fotohof Edition
Salzburg 2021
288 S., EUR 33,–