VON PETER MENASSE
Ein Leitartikel in einem jüdischen Magazin kann heute nur schwerlich vergnügt und heiter einherkommen. Zu grausam toben die Mörder in Syrien, dem Irak, in anderen arabischen Ländern und in Afrika. Zu nahe sind in Europa die Attacken des Terrors, der sich auf den Islam bezieht und gegen Juden und gegen alle Werte der Demokratie gerichtet ist. Aber andererseits: Sollen wir uns jede Freude vermiesen lassen, sollen wir ihnen ähnlich werden, verbiestert, ohne Lebenssinn und Kultur? Nein, wir bleiben oben und optimistisch. Humor ist der bessere Ratgeber und Begleiter als Angst.
Und es gibt tatsächlich Anlass zur Freude bei NU. Wir feiern heuer den 15. Geburtstag unseres Magazins, das sich von kleinen Anfängen zu einem der wichtigsten jüdischen Medien im deutschsprachigen Raum entwickelt hat. Der Erfolg hat viele Mütter und Väter: Ein Stammteam, das fast unverändert seit der Gründung zusammengeblieben ist, auch wenn der Mitgründer und langjährige Herausgeber Erwin Javor bedauerlicherweise nicht mehr dabei ist. Dann Journalistinnen und Journalisten, die unentgeltlich für das Heft schreiben, darunter viele sogenannte Edelfedern, die aus reiner Sympathie zu unserer Sache mitmachen. Es ist ein gutes Land, in dem „Gojim“ ein jüdisches Magazin mitgestalten und mit ihren journalistischen Fähigkeiten schmücken. Schon zu viel Selbstbespiegelung? Na dann nur noch das eine: Wir leben seit Anbeginn und bis heute ohne jede Finanzierung durch die IKG.
Das Geburtstagsjahr begrüßen wir in einem neuen Magazin-Kleid. Der renommierte Grafiker Stefan Fuhrer hat sich des Layouts von NU angenommen und einen sanften Relaunch konzipiert. Der in Wien lebende Schweizer hat schon viele markante Spuren in die österreichische Medienlandschaft gezeichnet, so etwa mit seinen Konzepten für das Rondo der Tageszeitung Standard, beim Relaunch von Presse und Wirtschaftsblatt oder bei Special-Interest-Heften, wie dem von André Heller herausgegebenen Anstoss oder dem Shotview Magazine.
Die Beurteilung der Schönheit des neuen Kleids überlassen wir gerne unseren Leserinnen und Lesern. Wir schreibende Menschen fühlen uns im frisch genähten Gewand jedenfalls sehr wohl und bemühen uns um entsprechend anmutige Formulierungs-Bewegungen. Dem Relaunch zum Opfer gefallen ist das Element des Editorials. Stattdessen gibt es ein übersichtliches Inhaltsverzeichnis und den Leitartikel, der sich hin und wieder, so wie diesmal, mit Internem befassen wird. So steht hier und heute auch der Hinweis, dass sich Israel nicht an das Erscheinungsdatum von NU gehalten hat, alle Berichte im Heft sind daher schon vor den Wahlen geschrieben worden.
Kommen wir zurück zu den Turbulenzen der Zeit. Immer wieder kann einen erstaunen, wie sehr das Weltbild vieler Muslime jenem der alten und neuen Nazis ähnelt. Ja, auch wenn die offiziellen Vertreter der Muslime es nicht gerne hören, der Antisemitismus unter so vielen ihrer Mitglieder ist stark ausgeprägt und wird zunehmend offen gezeigt. Die 15 Millionen Juden, die es weltweit noch gibt, sind an jedem Unglück und am schlechten Wetter, an Husten und Heiserkeit und den falschen Lottozahlen schuld. Die Juden, das meinen alle diese Verschwörungstheoretiker, beherrschten die Welt.
Mit dem Tod des großen Vulkaniers Mr. Spock, dem Ersten Offizier von Raumschiff Enterprise, dessen Ableben gerade beim Fertigstellen von NU 59 bekannt wurde, enthüllt sich jetzt allerdings eine noch viel größere Dimension der jüdischen Allmacht. Auch der Weltraum wird von Juden kontrolliert. Leonard Nimoy, der die Rolle des Mr. Spock verkörperte, wurde 1931 als Sohn jüdischer Einwanderer in Boston geboren; der Darsteller des Captain Kirk an Bord der Enterprise, William Shatner, kam im selben Jahr in Montréal zur Welt, ebenfalls als Nachkomme jüdischer Immigranten. Wer da noch keinen Zusammenhang wittert, ist für die große Theorie nicht geschaffen.
Es gibt aber einen weiteren klaren Beweis: Der Vulkanier Spock grüßt, wie alle Fans der Serie wissen, indem er die Hand hebt und dabei Ring- und Mittelfinger spreizt, dazu sagt er dann sinngemäß „Lebe lang und in Frieden“. Für die Verschwörungstheoretiker sei hier aufgedeckt, dass es sich bei dieser Geste um einen Gruß handelt, der an den jüdischen Segen „Birkat Kohanim“ angelehnt ist, bei dem die Kohanim (die direkten Nachfahren des Hohepriesters Aaron) dieses Zeichen mit beiden Händen bilden. Ich nehme an, dass wir nach dieser Entdeckung bald schon auf muslimischen Demonstrationszügen auch Tafeln mit der Aufschrift „Juden raus aus dem Weltall“ zu sehen bekommen werden.
Noch ein großer jüdischer Weiser ist gestorben: Carl Djerassi, den wir in unserem Magazin gleich zweimal interviewt haben, das letzte Mal (in NU 53) knapp vor seinem 90. Geburtstag. Es lohnt sich, das Interview in unserem Archiv nachzuschlagen (www.nunu.at).
„Der Weltraum, unendliche Weiten“ – wir schreiben das Jahr 2015. Das sind die Abenteuer des Magazins NU, das mit seiner kleinen Besatzung seit fünfzehn Jahren unterwegs ist, um das Wichtigste aus jüdischer Sicht einzufangen, und von dem Mr. Spock zu sagen pflegte: „Faszinierend.“
Zurück aus dem Weltraum, wünsche ich ein herzliches Chag Pessach Sameach und friedliche Pessachfeiertage.