Das jüdische Museum in Wien gibt sich Mühe, aber vieles könnte besser gestaltet werden. Eine sehr persönliche Bilanz in zwei Versuchen.
Von Katja Sindemann
Meine Meinung über das Jüdische Museum Wien ist, na sagen wir, durchwachsen. Ich kann mich erinnern, dass in dunkler Vorzeit, vor mehr als zehn Jahren, mich die Mitarbeiter des Museums bei Dreharbeiten zum Thema Kabbala äußerst positiv unterstützt hatten. Und wertvolle alte Handschriften mit Darstellungen des Sephiroth-Baumes vor die Kamera gezaubert hatten.
Andererseits war ich tief enttäuscht, als ich das letzte Mal, in der „Langen Nacht“ der Museen, hier war. Ich war mit jemandem unterwegs, der von Judentum recht wenig Ahnung hatte, so konnte ich meine Kenntnisse aus dem Gedächtnis kramen und damit hausieren gehen. Damals lief gerade die Ausstellung „Ordnung muss sein. Das Archiv der Israelitischen Kultusgemeinde Wien“. Ich war begeistert. Nachdem ich viel darüber gehört hatte, war ich begierig, die Dachboden-Funde endlich mit eigenen Augen zu sehen. Der Vortrag war anfangs interessant. Doch dann machte sich Unbehagen breit. Die Museumspädagogen wollten mit ihrer Aufbereitung die Besucher dazu anregen, Ordnungsprinzipien und Lagerungssysteme von Archiven und Ausstellungen zu hinterfragen. Und natürlich auf den Zynismus hinweisen, dass die Ermordung, Vertreibung und Enteignung von tausenden von Menschen mit deutscher Gründlichkeit, Ordnungsliebe und Effizienz durchgeführt wurden. Deshalb seien die Objekte, hauptsächlich Aktenvermerke und Briefe, nicht nach einer, wie auch immer gearteten Logik geordnet, sondern wild durcheinander. Deshalb der Titel „Ordnung muss sein“. Geschenkt! Die haben sich sicher in langen Sitzungen den Kopf zerbrochen, wie man die Ausstellung museologisch wertvoll und zeitgemäß gestalten kann.
Ich habe keine Lust, auf diese Art von Museumspädagogen auf irgendwas draufgestoßen zu werden. Ich will schlicht und ergreifend Neues erfahren und lernen, auf einfache, nachvollziehbare direkte Art und Weise. Nachdem ich meinen Ärger niedergekämpft und mich ohne Führung über die Ausstellung hergemacht hatte, war ich zwar beeindruckt und berührt, trotzdem fehlten mir der Kontext und die Hintergrundinfo.
Und dann die Hologrammbilder. Eigentlich unheimlich schön. Sehr interessant. Sehr nette Idee. Eigentlich! Wenn man davor steht, sieht man erst mal ein buntes schimmerndes Etwas. Also einen Schritt nach links. Besser. Jetzt sieht man irgendwas. Ein Schritt nach hinten. Hm. Jetzt sieht man einen anderen Teil vom Irgendwas. Beim nächsten Bild: davor gestanden. Schritt nach links. Schritt nach rechts. Ein Teil scharf, ein Teil unscharf. Hm. Irgendwann wird’s mühsam. Trotz der netten Idee.
Endlich hinauf in den 3. Stock. Hier ist das Schaudepot. Auch hier war ich vor Jahren schon einmal gewesen. Meine Erinnerung hatte mich wohl im Stich gelassen. Ich war entsetzt, wie lieblos und uninformativ die religiösen Gegenstände in den Vitrinen aneinander gehäuft waren. Zum Beispiel Thorakronen, eine neben der anderen. Wie soll denn jemand, der noch nie in seinem Leben eine Thorakrone gesehen hat, geschweige denn weiß, wozu diese verwendet wird, aus diesem unkommentierten Haufen klug werden? Das gleiche gilt für Thorazeiger, Sederteller oder Menorah. Ok, in der „Langen Nacht der Museen“ bot ein freundlicher junger Herr sich an, die Objekte zu erklären. Gut, man kann auch einen Audioguide benutzen. Aber wenn man den vergessen hat und der freundliche junge Herr nicht da ist? Mit Wehmut dachte ich an das Jüdische Museum Berlin. Wie gut waren dort die einzelnen Objekte erklärt. Wie klar und übersichtlich war die Ausstellung angeordnet (pfui deutsch). Mit wie viel Begeisterung war ich da durch gelaufen.
Einzig in der letzten hinteren Ecke des Schaudepots – da, wo keiner hinkommt – fand ich etwas Interessantes. Eine Sammlung antisemitischer Fundstücke, gespendet von Martin Schlaff. Ein Wurzelholz- Kerzenhalter mit „jüdischer“ Fratze. Streichholzschachteln mit antisemitischen Sprüchen. Hier wird ohne Infotafel klar, wie sehr der Antisemitismus in den Alltag, in Alltägliches eingedrungen war. Völlig selbstverständlich! Zeitgeschichte- Unterricht ohne Worte.
Lange Rede, kurzer Sinn: das Jüdische Museum Wien war mir etwas unvorteilhaft in Erinnerung. Das musste noch einmal kritisch überprüft werden. Also erneut auf in die Dorotheergasse. Zuerst im Café Teitelbaum gestärkt. Die Kundschaft spricht wahlweise schwäbisch, französisch oder englisch, der Ober hebräisch oder deutsch. Diesmal gab‘s zuerst die Ausstellung „Leben! Juden in Wien nach 1945“. 3.500 Bilder der leidenschaftlichen Hobby-Fotografin Margit Dobronyi, auf lange biegsame Metallstecken aufgespießt. Wieder ohne jegliche Erklärung – das kennen wir ja schon. Ich hatte Glück. Ich war mit einem Kenner der jüdischen Gemeinschaft dort. Von Zeit zu Zeit rief er mich zu sich: Schau, der Eisenberg. Was, so jung! Na und hier: der Erwin Javor. Da war er aber sehr viel jünger. Jö schau: die Danielle. Diese Ausstellung macht nur Spaß, wenn man irgendwelche Bekannte auf den Fotos erkennt. Ansonsten wird‘s rasch langweilig. Eine Show für Insider eben.
Als ich mich zur Fact-Finding- Mission aufmache, bleibe ich zufällig in der Kinderabteilung hängen. Der österreichisch-israelische Künstler Oz Almog hat mit Kollegen eine Ausstellung über das hebräische Alphabet erstellt: „ALEPH BETH. Judaica Kid’s Box“. Ich bin begeistert: zum ersten Mal in diesem Museum lerne ich etwas über jüdische Religion und Kultur. Man muss nur in den Kinderraum gehen!
Einen Stock höher überkommt mich Ernüchterung. Ich hatte mich beim letzten Mal nicht getäuscht. Das Schaudepot ist trüb, ungastlich, grindig, er schreit geradezu nach Umgestaltung und Erneuerung. Bitte, bitte, liebe Museumspädagogen, habt Erbarmen mit euren Gästen. Auch wenn dieses Aufeinanderhäufen den Charakter des „Eingesammelten“ – was 1938 gerettet und versteckt werden konnte – symbolisieren soll, auch wenn der Raum „voller Erinnerungen kollektiver wie individueller Natur ist“, es wäre schöner, die Judaica würden liebevoll präsentiert und informativ erklärt werden.
Die Ausstellung „Die Korngolds. Klischee, Kritik und Komposition“ habe ich nur mehr im Sauseschritt durcheilt. Sie ist gut aufbereitet, mit erklärenden Texten, schönen Bildern, interessanten Film- und Musikbeispielen. Eine Ausstellung, so wie sie sein sollte.
Jüdisches Museum
Wien
Palais Eskeles
1010 Wien, Dorotheerg.11
Tel. +43 (1) 535 04 31
www.jmw.at
Öffnungszeiten: 10-18 Uhr
Samstags geschlossen