Dem herausragenden Feuilletonisten und Autor Ludwig Hirschfeld (1882 – 1942) ist (endlich) eine umfassende Biografie gewidmet.
Von Gregor Auenhammer
Er war einer der umtriebigsten Wegbereiter der Wiener Moderne, war als Schriftsteller, Journalist, Librettist und Komponist zeitlebens anerkannt – nein, vielmehr gefeiert – und ist dennoch heute beinahe vollständig in Vergessenheit geraten. Ludwig Hirschfeld wurde 1882 in Wien geboren – als jüngstes von vier Kindern eines jüdischen Ehepaares, das Mitte des 19. Jahrhunderts aus Ungarn eingewandert war. Sein Vater war Kaufmann und als Mitbegründer der „Atzgersdorfer Rollgerste-Fabrik“ höchst erfolgreich. Die in der Leopoldstadt lebende Familie war im prosperierenden Wien des Fin de Siècle ausgesprochen wohlhabend.
Nachdem Peter Payer bereits vor einigen Jahren Hirschfelds gesammelte Feuilletons aus den Jahren 1907 bis 1937 publiziert hat, widmet der Historiker und Stadtforscher nun dem Leben von Ludwig Hirschfeld seine Aufmerksamkeit. Payer zeichnet – eingebettet in die Geschichte Wiens – Hirschfelds Wirken und Werke nach: sein Netzwerk, seine Anerkennung, aber auch seine Widersacher – etwa Karl Kraus, der Hirschfeld wiederholt attackierte und desavouierte. Während viele, mit denen Hirschfeld zusammengearbeitet hat, bis heute als Berühmtheiten gelten, ist er selbst in Vergessenheit geraten. Beispiele: Karl Farkas, Fritz Grünbaum, ein Großteil der Wiener Bohème der Monarchie sowie der Zwischenkriegszeit. In Zitaten kommt Hirschfeld selbst ausführlich zu Wort. Bis heute besticht sein Schreibstil voller Leichtigkeit, Humor und Esprit.
Ludwig Hirschfeld hatte zunächst an der TU Wien Chemie studiert, wandte sich aber bald den „schönen Künsten“ zu. Anno 1902, gerade 20, veröffentlichte er seinen ersten Roman. Es folgten Erzählungen, Novellen und Komödien. Zudem begann er journalistisch zu arbeiten, verfasste Literatur- und Theaterkritiken sowie Miniaturen und Skizzen über das Wiener Alltagsleben. Seine Beiträge wurden in zahlreichen Zeitungen im In- und Ausland veröffentlicht. Ab 1906 bis zu seiner erzwungenen Emigration 1938 arbeitete Ludwig Hirschfeld für die „Neue Freie Presse“. Hirschfeld, dessen Texte vor allem beim weiblichen Publikum großen Anklang fanden, fungierte von 1918 bis 1927 auch als Chefredakteur der Zeitschrift „Die moderne Welt“. 1919 heiratete er Elly Grimm, Tochter von Armin Grimm, seines Zeichens Direktor des Sanatoriums in Bad Sauerbrunn. Der Ehe entstammten zwei Kinder, Eva und Herbert. Neben seiner journalistischen Arbeit wirkte Hirschfeld auch als Übersetzer von Bühnenwerken, Feuilletonist, Operettenlibrettist sowie Schriftsteller und veranstaltete öffentliche Lesungen. Zu den bekanntesten Werken des Wien-Kenners zählt der alternative Stadtführer „Das Buch von Wien. Was nicht im Baedeker steht“. Ludwig Hirschfeld war explizit Wien-Experte und einer der bekanntesten Kulturschaffenden seiner Zeit. Als Komponist schuf er populäre Schlagermelodien, mit Karl Farkas und Fritz Grünbaum arbeitete er in mehreren großen Revuen zusammen. Mit Ferdinand Grünecker leitete er das Theater „Max und Moritz“.
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1938 wurde die Redaktion der „Neuen Freien Presse“ arisiert und Hirschfeld in Dachau interniert. Durch Fürsprache von Freunden kam er wieder frei und flüchtete mit seiner Familie nach Frankreich. 1942 eroberte die deutsche Wehrmacht aber Teile der Grande Nation, Familie Hirschfeld geriet wieder ins Visier des verbrecherischen Nazi-Regimes. Sohn Herbert wurde am 9. September, die restliche Familie am 6. November 1942 via Sammellager Drancy nach Auschwitz deportiert. Keiner von ihnen überlebte das Vernichtungslager. Ludwig Hirschfeld wurde am 4. Mai 1945 für tot erklärt.
Peter Payer:
Ludwig Hirschfeld. Eine Biographie
Loecker-Verlag, Wien 2025
432 S., EUR 39,90