„Das Problem in der Küche ist der Koch“, rief Avraham Magits s.A., berühmt berüchtigter Kultusvorsteher früherer Zeiten, einmal in einer jener Reden aus, die den Anspruch hatten, historische Tragweite zu besitzen. Denn die Probleme in unserer Gemeinde entstehen tatsächlich durch die handelnden Personen und nicht durch den politischen Inhalt. Nicht grundlos finden die Auseinandersetzungen oft auf der persönlichen Ebene statt, in der Sache selbst gibt es keine großen Meinungsverschiedenheiten. Wer ist schon für Haider, wer ist schon dafür, dass die FPÖ in der Regierung ist? Und wer ist schon dagegen, dass geraubtes jüdisches Vermögen zurückgegeben wird?
Das Problem resultiert aus der mangelnden Integrität der handelnden Personen. Es wird zu viel geschummelt, geblufft, sich wichtig gemacht, für den Augenblickseffekt getan. Ein Wort ist kein Wort. Der eigenen Aussage wird am nächsten Tag widersprochen. Hauptsache: Zwei Mal zu Wort gemeldet. Zu Haider und der Regierungsbeteiligung der FP. ist alles gesagt worden, und das mehrfach. Jetzt gilt es, sich für die politische Auseinandersetzung mit der neuen Regierung vorzubereiten, also sie einerseits im Hinblick auf deren Politik und Verhalten sehr genau zu beobachten, andererseits aber die Zeit zur moralischen Aufrüstung oder besser: Nachrüstung zu nutzen. D i es erstens deshalb, weil in unserer Gemeinde vieles im Argen liegt – siehe auch die Berichte in dieser Zeitung. Dies zweitens, weil die Bereitschaft unserer Gegner, die IKG wie einen „normalen“ politischen Gegner zu attackieren, zusehends wächst. Wir müssen davon ausgehen, dass Fehler und Missstände in Zukunft öffentlich gemacht werden, um unsere Position zu schwächen. Daher ist unsere bisherige Haltung obsolet, nicht offen über die Probleme in unserer Gemeinde zu sprechen. Diskutieren und beseitigen wir die Missstände nicht, werden wir bald sehr viel Erklärungsbedarf und jede Bedeutung einer moralischen Instanz verloren haben. Um sie hingegen ganz offen zu diskutieren, ist d i ese Zeitung gegründet worden und aus diesem Grund habe ich mich zur Mitarbeit entschlossen. In diesem Sinne: Es ist von Präsident Muzicant nicht integer, die Restitutionsdebatte in .sterreich mit der Behauptung einzuleiten, es ginge dabei nicht um Geld (Frühjahr 1998), um 2 Jahre später (Jänner 2000), frei von der Leber weg zu bekennen, dass man sehr wohl, sehr viel und dringend Geld vom Staat benötige, weil man andernfalls zahlungsunfähig sei. Es geht nicht an im Wahlkampf des Jahres 1998 ein ausgeglichenes Budget anzukündigen, es sodann zu Rekorddefiziten bisher nicht dagewesenen Ausmaßes explodieren zu lassen und sich sodann als Retter aus der Not zu gerieren, indem man – unter Hinweis auf die Verbrechen der Nazizeit – die österreichische Bundesregierung, bzw. die Öffentlichkeit in die Pflicht nehmen will. Ein weiteres Beispiel: Es verursacht politischen Schaden und gefährdet unsere Glaubwürdigkeit, in dieser politisch heiklen Zeit (Oktober 1999) eine dramatische Zunahme an übergriffen auf Juden zu behaupten, ja sie sogar zu beziffern (80), ohne dass auch nur ein einziger dieser Übergriffe bei der Polizei angezeigt oder wenigstens nachvollziehbar dokumentiert worden wäre. Weiters: Es schadet politisch und gefährdet unsere Glaubwürdigkeit, den Bericht der IKG-Kontrollkommission über das Maimonides-Zentrum, der Missstände beschreibt und Verantwortlichkeiten klärt, der Öffentlichkeit so lange vorzuenthalten, bis österreichische Medien das Thema aufgreifen und uns die Arbeit abnehmen.
Es wäre hoch an der Zeit, sich diesem unrühmlichen Kapitel der IKG zu stellen und zuzugeben, dass manch verteufelte, und vor Gericht bekämpfte Kritik am Maimonides-Zentrum jetzt wohl in einem anderen Licht zu sehen ist. Die Politik der IKG war überwiegend falsch, undurchsichtig und unveränderbar gewesen, hatte ich anlässlich der IKG Wahlen 1998 geschrieben. Daran hat sich bisher leider nichts geändert.