Robert Liska hat eine Karriere als Jurist an den Nagel gehängt, um den väterlichen Pelzhandel zu übernehmen. Bei einer Führung durch seine Werkstatt hat er uns in die Grundzüge des Wildwerkens eingeweiht.
Von Peter Menasse und Peter Rigaud (Fotos)
Am gar nicht so großen Hohen Markt zu Wien findet jeder etwas. Touristengruppen stauen rund um die „Ankeruhr“, die sich zu Mittag ein bisschen dreht, unspektakulär, wenig aufregend, aber in allen Reiseführern als Attraktion ausgewiesen. Einheimische lieben den Würstelstand samt beigeschlossenem Taxistandplatz, wenn es denn einmal später wird und die U-Bahn nicht mehr fährt, und sie schätzen den an der Ecke zur Tuchlauben gelegenen Laden mit Hauswirtschaftssachen, der alle Stürme der modernen Zeit überlebt hat und in dem man alles findet, von dem man nie wusste, dass man es unbedingt einmal brauchen wird. In der Mitte aber, gleich bei der Ecke zur Judengasse gibt es ein Geschäft, das den Platz majestätisch dominiert. Der Name „Liska“ steht über dem Portal, die Auslagen sind voll von eleganten Pelzen und wir nähern uns mit Ehrfurcht.
Robert Liska ist ein berühmter Rechtsprofessor in den USA. Er hat sich auf Europarecht spezialisiert, berät den amerikanischen Präsidenten, unterrichtet in Harvard und hat ein Schlüsselwerk zum „European Union Law“ verfasst. So hätte sein Lebenslauf klingen können, wenn nicht dieser mythisch-archaische Beruf des „Wildwerkers“ dazwischen gekommen wäre. Der in Wien geborene, ehemalige Jusstudent und Assistent eines auf das sich entwickelnde Europarecht spezialisierten Professors an einer New Yorker Universität hat Mitte der 1970er Jahre beschlossen, die Jurisprudenz an den Nagel zu hängen und Kürschner zu werden, wie sein Vater ehedem. Der hatte ihn schon als 16-Jährigen zu einer Auktion im damaligen Leningrad mitgenommen und damit seine Liebe zu den Rauwaren geweckt. Wenn Robert Liska diese Geschichte erzählt, klingt sie vollkommen unspektakulär. Zuerst aufstrebender Star im Rechtswesen, dann halt Kürschner, na und. Auch über die Geschichte seines Vaters berichtet er ganz so, als ob es sich um Erlebnisse eines durchschnittlichen Menschen in durchschnittlichen Zeiten gehandelt hätte. „Mein Vater war aus dem östlichen Teil der Tschechoslowakei. Er ist vom Zug nach Auschwitz heruntergesprungen und hat sich in den polnischen Wäldern versteckt. Dann schloss er sich der Roten Armee an und rüstete schließlich in Prag ab, wo er als Selbstständiger mit dem Pelzhandel begann. Als ihm die Kommunisten 1948 anboten, dass er zwar Direktor bleiben dürfe, aber die Schlüssel zu seinem Geschäft abzugeben hätte, weil es verstaatlicht würde, flüchtete er nach Wien“, mutiert Liska einen Stoff, aus dem Steven Spielberg zumindest zwei Blockbuster drehen könnte, zu einer Alltagsgeschichte. Aufregung ist seine Sache definitiv nicht. Robert Liska begann also Seite an Seite mit seinem Vater im Geschäft zu arbeiten. In den 1980er Jahren ging dann ihr alter Kürschnermeister, der für den Gewerbeschein des Betriebs gesorgt hatte, in Pension. Die Innung verweigerte dem Vater Liskas die notwendige Berechtigung, obwohl sie ihm wegen seiner langjährigen Tätigkeit zugestanden wäre. Daraufhin beschloss Robert kurzerhand, die Gesellenprüfung zu machen, um dann ein Jahr später die Meisterwürde zu erringen. Es wäre das gar nicht so einfach gewesen, erzählt er, weil es sich um ein altes Handwerk mit einer großen Vielfalt an Materialien und Verarbeitungsschritten handle.
Heute finden sich Liska-Geschäfte am eleganten Wiener Graben, in der Zelezna in Prag, in den Zentren von Budapest und Bratislava. In seinem Katalog zeigt Robert Liska Models in Zobelmäntel aus eigenem Design und Hosen von Fendi, in Nerzcapes mit Pullovern von Yves Saint Laurent oder in Chinchilla, gepaart mit einem Kleid von Christian Dior. Er wolle aber, wie schon sein Vater vor ihm, nicht nur für einige Reiche Pelze verkaufen, versichert Liska. Seine Kunden würden von Sekretärinnen, die ein halbes Leben auf einen Mantel sparen, bis zu Milliardären reichen. Und so nennt er denn als wenig aussagekräftige Indikation Preise für seine Pelze von 200 bis 50.000 Euro. Frauen kommen keineswegs, wie es das Vorurteil glauben machen will, am Arm des gönnerhaften Mannes in das Pelzgeschäft, sondern sie laden sich heute selbst auf diesen Luxus ein, oder wie Liska es formuliert: „Es ist nicht mehr wie in der Steinzeit, dass der Mann das Mammut erlegt und dann nach Hause bringt.“
Aus einer Broschüre der Wiener Kürschnermeister kann man erfahren, dass es die Germanen waren, die dem Pelz zum historischen Durchbruch verhalfen. In Wien erteilte Kaiser Leopold I. der Kürschnerzunft die Erlaubnis, in der Straße der Wildwerker (heute Wipplingerstraße) Felle zuzurichten und zu färben. Und im 20. Jahrhundert waren es dann hauptsächlich Juden, die in Wien das germanische Gewerbe ausübten, bis die selbst ernannten Nachfolger der Germanen ihnen die Geschäfte wegnahmen.
Heute hat sich das Bild vollkommen gewandelt. Wenn Robert Liskas Sohn nach St. Petersburg reist, um an einer Auktion teilzunehmen, trifft er dort nicht mehr wie noch sein Vater vor vierzig Jahren hauptsächlich Juden, sondern vor allem Chinesen, die den Handel übernommen haben. Nun trägt man in Israel ja tatsächlich weniger Pelz als in China, wenn auch Robert Liska am Beginn seiner Tätigkeit noch dorthin geliefert hat. Auf der Allenby in Tel Aviv, erzählt er, gäbe es ein Restaurant namens „Stephan Brown“, das nach einem Pelzhändler benannt ist, der dort früher sein Geschäft abwickelte. Ein „flamboyanter“ gebürtiger Slowake sei das gewesen, der für die Damen der Gesellschaft nähte. Eines Tages habe „Holiday on Ice“ an einem Sonntag im März eine Vorstellung gegeben und alle Damen hätten ebenso stolz wie heldenmütig bei Temperaturen um die 30 Grad Celsius ihre teuer erstandenen Pelze vorgeführt.
Im weitläufigen Stammgeschäft am Hohen Markt lässt sich das Kürschnergewerbe vom Trocknen der Felle bis zum Annähen des letzten Knopfes in allen Stadien studieren. Robert Liska eilt von Raum zu Raum, öffnet eine Tür nach der anderen, gibt zwischendurch eine knappe Erklärung, ist schon wieder unterwegs zur nächsten Station, deutet dahin und dorthin, eilt in das nächste Zimmer, schnell und ungeduldig, wie der Chef einer hektischen New Yorker Rechtsanwaltskanzlei.
Er zeigt uns, wie die Felle zugeschnitten und dann angefeuchtet auf Bretter genagelt werden, um in Form zu kommen, wie sie zusammengeführt und nach den Schnittmustern vernäht werden. Er führt uns in den Raum eines Fachmanns, dessen Aufgabe es ist, aus der Vielzahl der Felle solche zusammenzustellen, die in Qualität und Farbe einander ähnlich sind. Schon hastet er weiter, uns dabei erläuternd, dass es verschiedene Rezepturen und Geheimnisse gibt, einen Mantel zu gestalten. Da geht es darum, ob die Felle quer oder längs vernäht werden, welche Farbnuancen an welche Stellen kommen und ähnliches mehr. Eine wichtige Rolle spielen auch die Designer, die im Dialog mit Liskas Kunden die Mäntel komponieren. Derzeit, lernen wir, läuft der Trend zu Mänteln im Stil der 1950er und 1960er Jahre. Die Endprodukte der aufwendigen Handarbeit hängen in Reih und Glied an Stangen im Verkaufslokal und harren ihrer Käufer. Österreich wäre immer ein traditionelles Pelzland gewesen und daran habe auch die Krise wenig geändert, erklärt uns Robert Liska. All die Zobel, Kojoten und Karakul werden also ihre Trägerinnen finden und auch noch kommende Generationen der Familie Liska ernähren. Denn für den Generationenwechsel hat der Kürschnermeister schon gesorgt. Einer seiner beiden Söhne wird das Geschäft übernehmen. Und auch die Tradition seines Erstberufs wird fortgesetzt. Liskas Tochter lebt als Juristin in New York, und wer weiß, ob nicht sie dereinst die Beraterin des amerikanischen Präsidenten werden wird.
Pelzhaus Liska
Wien: Hoher Markt 8, 1010 Wien,
Tel.: 01/533 22 11, Fax: 01/533 17 34
Wien: Graben 12, 1010 Wien,
Tel.: 01/512 41 20, Fax: 01/533 17 34
Prag: Zelezna 1, 11000 Praha,
Tel.: +42/02/24 23 94 57
Bratislava: OC Aupark Shopping Center,
Tel.: +42/12/44 25 37 71
Bratislava: Sibirska 15,
Tel.: +42/12/44 25 37 71
Budapest: Semmelweis 9, 1052 Budapest,
Tel.: +36/1/731764 49, Fax: +36/1/317 91 02