Timnas Wiese, Timnas Dorf

NU begleitet die Chansonnière bei ihrem Lieblingsspaziergang auf den Heuberg. Es geht von Dornbach an Gemeindebauten vorbei zur schönsten Wiese weitum.

Timna Brauer

Nennen wir sie Meditationswiese. Timna Brauers Meditationswiese. Einen richtigen Namen hat der kleine, wildromantische Fleck über Dornbach gleich neben den letzten Geländeausläufern des Neuwaldegger Bades am Heuberg gar nicht. Schön einsam ist es hier im tiefen Gras, obwohl man doch eigentlich in der Großstadt sitzt, liegt, geht. Genau deswegen spaziert Timna Brauer auch täglich hierher, um sich kurz zu sammeln und, so altmodisch das klingen mag, um Kraft zu schöpfen. Warum hier so wenige Spaziergänger beziehungsweise Wanderer sind? „Vermutlich weil Grinzing und Sievering so viel bekannter sind, Touristen finden hier nie her.“ So kann es schon vorkommen, dass Timna Brauer gar niemanden trifft auf ihrer täglichen Runde, die an ihrem Haus, genau genommen: ihren Häusern – es sind zwei kleine eines ehemaligen Heurigenbetriebes – in der Dornbacher Hauptstraße vorbeiführt. Das ist auch gut so, es hilft bei der Konzentration, oder besser: bei der Meditation. Denn die besteht, wie Timna Brauer dem für den Anlass völlig falsch gekleideten Begleiter von NU erläutert, darin, an nichts zu denken und völlig loszulassen.

Einmal wurde sie freilich auf der Wiese mit dem Blick auf die Wienerwald- Grenze lautstark gestört und aufgeschreckt: Einer der wenigen Spaziergänger hatte gedacht, ihr sei, weil sie da ausgestreckt in der Wiese lag, etwas passiert und wollte schon Erste Hilfe leisten. Das erzählt Brauer mit diesem Lächeln, mit dem sie über andere – wichtigere – Episoden spricht: leise fröhlich könnte man es nennen. Und fern jeder Selbstdarsteller-Wichtigkeit.

Wer sonst würde eine solche Geschichte fast beiläufig erzählen und sie nicht zur Schönung der eigenen Biographie verwenden: Nachdem Brauer für einige Zeit aus ihrem geliebten Paris nach Wien zurückgekehrt war, wurde sie vom ORF 1986 gefragt, ob sie nicht beim Songcontest für Österreich antreten wolle. Sie wollte und sang ihr Lied „Die Zeit ist einsam“. Erst ein, zwei Jahre später beschlich sie ein Verdacht: Vielleicht hatte man sie – eine jüdische Künstlerin – gefragt, weil Österreich dank der Wahl Kurt Waldheims zum Bundespräsidenten international geächtet war. Um das Bild nach außen ein bisschen zu verbessern? Brauer zuckt die Achseln: „Kann schon sein.“ Aber was ändere das an ihrer künstlerischen Entwicklung.

Das heißt nicht, dass Timna Brauer unpolitisch wäre. Wie jeder, der damals und in den späteren Jahren reiste – und sie reiste viel –, wurde auch sie ständig auf Österreichs Nazivergangenheit angesprochen, auf Kurt Waldheim und Jörg Haider. Für eine Frau, die Tel Aviv, Paris und Wien als ihre Heimat angibt – und (ohne sie festzulegen zu wollen) diese Reihenfolge vermutlich nicht zufällig wählt, war das nervend bis traurig. Haider sollte sie später sogar persönlich erleben: Brauer sang die Evita im gleichnamigen Musical auf der heute Finanzskandalumwobenen Wörtherseebühne – eine schwierige Singrolle, wie fachkundigere Experten wissen. Brauer ließ vor dem Engagement wissen, dass sie nicht auf ein gemeinsames Foto mit dem Kärntner Landeshauptmann wolle. Und so gab es auch kein Foto.

1986 war überhaupt ein wichtiges Datum: Brauer trat beim Jazzfestival Wiesen auf und begann mit einem Pianisten zu arbeiten, den sie in Tel Aviv kennengelernt hatte: Bis heute arbeitet und lebt sie mit Elias Meiri zusammen: „Der Jazz war die Basis, das Bindeglied zwischen uns“, sagte sie 2006 im Standard. Sie kamen aus unterschiedlichen musikalischen Kulturkreisen: Brauer wuchs mit Schubert, Mozart und Wienerlied väterlicherseits, jemenitischen Gesängen mütterlicherseits auf, der Israeli Meiri stammt musikalisch aus einer polnisch-russischen Familie.

Weltmusik nennt sie, nennt man ihre Richtung: Einflüsse der ganzen Welt zusammentragen, hineinhören und das Stimmigste in das eigene Repertoire einbauen. So ist sie selbstredend international vernetzt, auch in Wien, auch privat. Grenzen sind nicht das ihre. Und so lobt sie auch das kleine Völkergemisch, das in einem der vielleicht am schönsten gelegenen Wiener Gemeindebauten, eben an den Hängen des Heubergs, lebt. Brauer kennt jedes der Kinder vom Sehen, die da vor den Bauten im Garten der Häuser spielen und sie winkend begrüßen.

Gemeinsam mit ihrem Mann Elias Meiri, mit dem sie zwei Kinder hat, organisierte sie jahrelang das Projekt „Voices for Peace“: Sänger aus Tel Aviv und Galiläa, ein jüdischer und ein arabischer Chor sangen Lieder und Stücke aus dem Nahen Osten, „ein kleines musikalisches Wunder“ nannte es der sonst nüchterne Presse-Musikkritiker Wilhelm Sinkovicz 2008 mit überraschender Euphorie. Vier Jahre lang war Brauer mit den „Stimmen für den Frieden“ auf großer Europa-Tournee gewesen.

Berührungsängste mit der Populärkultur kennt sie nicht, sie tanzte auch für den ORF in Dancing Stars. Dort stellte sie übrigens fest, dass es fast von Nachteil sei, wenn man wie sie in afrikanischen Tänzen ausgebildet sei und sich dann in das Korsett der europäischen Tanzkonventionen begeben müsse.

Begonnen hat das regelmäßige Spazieren schon in ihrer Kindheit: Vater Arik Brauer bestand auf gemeinsamen Ausflügen der Familie zu Fuß. Timnas Begeisterung hielt sich damals in Grenzen, heute lächelt sie und geht selbst täglich. Ähnlich überraschend mag es für langjährige Freunde gewesen sein, als sie sich – vor der Jahrtausendwende – in Dornbach das alte kleine Biedermeier- Ensemble kaufte. Plötzlich war sie, die überzeugte Städterin, quasi auf dem Land zu Hause. Das kann und will sie nicht mehr missen. Als Nachbarin hat sie nun die Grünen- Vizebürgermeisterin von Wien, Maria Vassilakou, die auch schon einige Jahre Neo-Dornbacherin ist. Direkt neben Brauer hat Erich Lessing sein Büro und sein Archiv untergebracht. Dörflich nennt man das wohl. Wenn die Welt das Dorf ist.

KONZERTTERMINE

21. Juni 2013 – „Songs from Jerusalem“
Timna Brauer & Elias Meiri
Straßenfest Kindergarten Bärli-Brumm-Brumm
Gschwendtergasse, 1170 Wien

24. Juni 2013 – „Der g´schupfte Ferdl geht Tauben vergiften im Park“
Ein Bronner/Kreisler-Liederabend mit Bela Koreny, Timna Brauer und Wolf Bachofner
Wiener Volksliedwerk
Gallitzinstr. 1, 1160 Wien

5. Juli 2013 – „Songs from Jerusalem“
Timna Brauer & Elias Meiri
EVN Kraftwerk Ottenstein
Peygarten-Ottenstein 70, 3532 Rastenfeld

www.brauer-meiri.com

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