Ein romantischer Ort in New York verschwindet und auf Roosevelt Island entsteht der „Cornell NYC Technion Campus“.
Von Peter Weinberger
Roosevelt Island ist eine schmale Insel zwischen Manhattan und Queens, ein Ort, den selbst viele New Yorker nicht kennen. Es gibt eine U-Bahn- Station auf der Insel (Linie F), die einzige Straßenverbindung führt über die Roosevelt Island Bridge nach Queens. Die Seilbahn, die die Insel mit Manhattan verbindet, scheint die sonntagnachmittägliche Attraktion für viele orthodoxe jüdische Familien zu sein, um gefolgt von einer umfangreichen Kinderschar einen kurzen Spaziergang zu unternehmen. Das war’s auch schon bisher, denn weder die etwas antik anmutende Roosevelt Island Bridge noch der Ausblick auf die Industrieanlagen in Queens sind besonders sehenswert. Das alles wird sich allerdings in Zukunft drastisch ändern, denn demnächst entsteht auf Roosevelt Island der Cornell NYC Technion Campus, ein Campus mit völlig neuartiger Architektur.
Ende Dezember 2013 wurde nämlich ein Pachtvertrag mit einer Laufzeit von 99 Jahren bezüglich eines fast einen halben Quadratkilometer großen Teils der Insel zwischen der Stadt New York, der Cornell University (Ithaca, New York) sowie dem Technion (Haifa) zwecks Gründung eines Zentrums für Angewandte Technische Wissenschaften unterzeichnet. Das „Joan and Irwin Jacobs Technion-Cornell Innovation Institute“, wie dieser neue Campus heißen wird, soll neben Hörsälen, Seminarräumen, Laboratorien für den akademischen Gebrauch und Studentenheimen auch über ein Areal für Spin-off-Firmen umfassen. Die Cornell University ist übrigens eine Privatuniversität und zählt zu den „Ivy League“-Institutionen in den USA. Ausschlaggebend für die Wahl des Technions als Vertragspartner war dessen langjährige Erfahrung mit Spin-off-Neugründungen. Bereits ab 2017 soll sich die Zahl von Absolventen technischer Wissenschaften in New York in Folge des neuen Campus nahezu verdoppeln. Dieser Campus ist als eines von vier neuen Zentren in New York geplant, als eine Investition von insgesamt an die 33 Mrd. Dollar, um zehntausende neue, hochqualifizierte Arbeitsplätze zu schaffen und die Stadt bis 2046 „wissenschaftlich-technologisch“ zu erneuern.
China, die aufstrebende Wissensgroßmacht
Globalisierung lautet das neue Schlüsselwort im Bereich der technologischen bzw. naturwissenschaftlichen Forschung. Im Gegensatz zu einer Internationalisierung, die den Wissensaustausch zwischen einzelnen Instituten einer Universität, deren Teilnahme an internationalen Projekten oder einen Studentenaustausch umfasst, erfordert Globalisierung strategische Entscheidungen zwischen Universitäten zur Teilnahme an Großprojekten, wie etwa die Neugründung ganzer Universitäten oder Großforschungsinstitutionen außerhalb der eigenen nationalen Grenzen. Der Cornell NYC Technion Campus ist ein hervorragendes Beispiel einer erfolgreichen Globalisierung. Es ist allerdings nicht das einzige, mit dem das Technion zur Zeit Furore macht.
Vielleicht noch eindrucksvoller ist die Gründung des „Technion Guangdong Institute of Technology“, weil sie der Tatsache von China als aufstrebende Wissensgroßmacht Rechnung trägt. Dieses Institut ist eine gemeinsame Einrichtung zwischen dem Technion und der Shantou University (STU), mit dem Ziel, einen gemeinsam zu betreibenden Campus in der chinesischen Provinz Guangdong zu errichten. Das Vorhaben wird unter anderem mit 130 Mio. Dollar aus der „Li Ka Shing Foundation“ gesponsert und soll auf einem in der Nachbarschaft der STU liegenden, knapp einem halben Quadratkilometer großen Grundstück verwirklicht werden. Mitbeteiligt sind die Guandong Provinzregierung und die Shantou Stadtverwaltung. Bereits ab 2014 wird mit Studentenkursen („undergraduate studies“) in Bauingenieurund Umweltwissenschaften sowie mit Computerwissenschaften begonnen. Unterrichtssprache ist Englisch, das akademische Personal wird international sein. In der Aufbauphase werden die Studenten dieser neuen Universität zunächst zwei Jahre lang am Technion in Haifa verbringen. Ähnlich wie in New York ist ein Innovationszentrum geplant, das in diesem Fall Industrien in der Guang Dong Provinz mit israelischer Hochtechnologie in Verbindung bringen und durch Spin-off-Effekte zu Neuerungen verhelfen soll.
Globalisierung und Reputation
Versucht man, den Erfolg des Technions bezüglich Globalisierungen zu analysieren, dann stößt man sofort auf mehrere, in vielen Ländern unterbewertete Fakten, nämlich die langjährige Erfahrung mit der Vernetzung von Absolventen (Alumni-Organisation), die eine unmittelbare und sofortige Wechselwirkung zwischen den Absolventen untereinander und dem Technion selbst garantiert und letztlich das „Silicon Wadi“ entstehen ließ. Weiters eine hervorragende Public- Relations-Abteilung, strategische Planung über einen langen Zeitraum hinweg und eine ausgeprägte Corporate Identity aller Technion-Angehöriger, die ganz besonders gepflegt wird.
Letztendlich schlägt sich das Bemühen um Globalisierung und Internationalisierung auch in der Reputation nieder: In den 2014 Times Higher Education World University Rankings (soeben veröffentlicht) ist das Technion die einzige israelische Universität unter den hundert Besten.