Die anstehende Wiener Gemeinderatswahl wird spannend. Oder auch nicht. Dem rechten Rand sollte das Antreten des Ex-Vizekanzlers jedenfalls schaden.
Von Nathan Spasić
Es ist wieder einmal so weit, in Wien wird gewählt. Während Bürgermeister Michael Ludwig mit auffallend stoischer Ruhe vor sich hin döst, füllen die Grünen das Sommerloch, indem sie die ganze Stadt mit ihren Pop-up-Radwegen terrorisieren. Die Parvenü-Clique der Volkspartei rund um Gernot Blümel versucht sich währenddessen bürgernah zu geben. Keine leichte Aufgabe im Burberry-Hemd. Dann gibt es noch die Neos, deren Spitzenkandidat Christoph Wiederkehr verkündete, keine Koalition mit der ÖVP eingehen zu wollen. Bei den einstelligen Umfragewerten ist dies ohnehin ausgeschlossen.
Doch für Heinz-Christian Strache scheint das Ibiza-Video einer politischen Neugeburt zu gleichen. Denn viel schlimmer kann es nicht mehr werden, viel tiefer kann man nicht mehr sinken. Wer dachte, dass Strache nun völlig am Boden sei, der irrt. Und zwar gewaltig! Totgesagte leben länger, sagt man. Vorbei sind die Zeiten, in denen man sich für seine Eskapaden und Korruptionsgelüste verantworten müsste. Nach altbewährtem Schema deklarierte sich Strache zum Opfer einer Verschwörung, an dessen Spitze sich unter anderem die IKG und Freimaurer befinden würden. Kurzum: die Juden. Umso verwirrender war Straches Auftritt Ende Juli in einem bucharischen Restaurant in der Wiener Leopoldstadt, welcher innerhalb der jüdischen Gemeinde für lautstarke Reaktionen sorgte.
Geteiltes Leid
Nachdem seine ehemaligen Parteifreunde und Weggefährten – wohl erst, als sie einsahen, dass das Video eindeutig belastend war – ihm im Oktober letzten Jahres endgültig den Rücken zuwandten und seine Ehefrau nicht in den FPÖ-Parlamentsklub aufnahmen, schien alles hoffnungslos verloren für Strache. Doch aus dem finstersten Tal des Wiener Landtages erhoben sich wenig später drei Hinterbänkler („3 Musketiere“, wie Strache sie nennt) und gründeten aus heroischer Solidarität mit ihrem ehemaligen Parteivorsitzenden die Allianz für Österreich (DAÖ), deren Vorsitzender ebenjener werden sollte. Und tatsächlich, beim Aschermittwochstreffen von DAÖ war es soweit: in den historischen Gemäuern der Wiener Prater Alm verkündete HC seine Rückkehr in die Politik und zugleich seine Kandidatur bei der Wiener Landtagswahl. Um es denen da oben, den abgehobenen Eliten, zu zeigen. Nur bräuchte man dazu einen anderen, wohl nicht so peinlichen Namen. Am 15. Mai, dem 65. Jahrestag der Unterzeichnung des Staatsvertrags, fiel der Beschluss: Team HC Strache. Damit möchte man die Wiener von sich überzeugen. „Österreich bleibt frei“, so kommentierte Strache diesen mindestens genauso bedeutenden Tag bei der anschließenden Pressekonferenz.
Seine ehemaligen Parteifreunde sehen den vierten Anlauf zur Wienwahl des in Ungnade gefallenen Volkstribuns eher gelassen. Nachdem publik wurde, dass Strache womöglich die Voraussetzungen für einen Wahlantritt, nämlich den Lebensmittelpunkt in Wien zu haben, nicht erfüllen könne, kündigte FPÖ-Obmann Norbert Hofer prophylaktisch eine Wahlanfechtung an. Alarmierende Nachrichten für jeden Freund der Politunterhaltung, der sich schon auf die Fernsehdebatten zwischen FPÖ-Spitzenkandidat Dominik Nepp und seinem geistigen Ziehvater Heinz-Christian Strache gefreut hat.
Genauso ergriffen sollte sich allerdings auch jeder Demokrat und Antifaschist fühlen und auf die Barrikaden steigen. Wir müssen nämlich begreifen, dass die Freiheitlichen trotz etlicher Skandale und NS-Sager unser ständiger Begleiter sind, es auch bleiben werden und ihnen wie der Hydra immer wieder ein neuer Kopf nachwachsen wird. Das Szenario, in dem sich zwei führende Protagonisten des rechten Rands bekämpfen, gibt uns eine Verschnaufpause von dessen Machtansprüchen und Regierungsbeteiligungen. Denn ein Wahlantritt Straches bedeutet weniger Stimmen für die FPÖ bei gleichbleibendem Prozentsatz an Wählerpotenzial. Geteiltes Leid ist halbes Leid. Mögen sich die Rechtsextremen dieses Landes zerstreiten, spalten und bekämpfen!