Die Repräsentation von Palästinensern im Film schwankt zwischen Propaganda und Realität: Mittels des Mediums Film wird immer wieder versucht, die Konfliktparteien und deren Geschichten für ein internationales Publikum zu interpretieren. Doch wie werden Palästinenser in diesen Erzählungen dargestellt?
Oft oszillieren diese Darstellungen zwischen Mythisierung und Marginalisierung und veranschaulichen, wie tief die filmische Darstellung das Verständnis für die palästinensische Perspektive beeinflusst.
Hollywood hat sich seit den 1960er Jahren stark auf die israelische Perspektive fokussiert und die Geschichte Israels häufig als heroische Erzählung inszeniert, manchmal auf Kosten einer differenzierten Darstellung der Palästinenser. Ein markantes Beispiel stellt Exodus von Otto Preminger dar, der 1960 das gleichnamige Buch von Leon Uris filmisch umgesetzt hat. Der aus Österreich vertriebene Regisseur Preminger inszenierte die israelische Staatsgründung episch und stellte die Komplexität des Konflikts stark vereinfacht dar.
Ein etwas anderes Bild bietet wiederum die Darstellung des israelischen Antiterror-Kampfes in der Serie Fauda aus den 2010er Jahren, die das Leben einer israelischen Spezialeinheit zeigt, die in palästinensischen Gebieten operiert. Die Serie schildert die psychologische Belastung und moralischen Konflikte der israelischen Soldaten, die palästinensische Perspektive bleibt meist auf die Rolle des Gegners reduziert. Kritiker werfen Fauda daher vor, dass die Serie die Handlungen der israelischen Sicherheitskräfte heroisiert, was eine einseitige Sichtweise auf den Konflikt festigen würde. Jedenfalls bietet die Serie internationalen Zuschauern tiefe Einblicke in die innere Zerrissenheit Israels. Im Dezember 2017 nannte die New York Times daher Fauda die beste ausländische Serie des Jahres.
Im Gegensatz dazu versuchen palästinensisch- israelische Regisseure wie Elia Suleiman etwa Satire zu nützen, wie in The Time That Remains, um das Leben unter israelischer Herrschaft darzustellen und die Absurditäten des Alltags einer palästinensischen Familie aufzuzeigen. Filme wie dieser versuchen Empathie für die palästinensische Perspektive zu erzeugen, da sie die individuelle Erfahrung einer palästinensischen Familie in Israel thematisieren. So zeigen sie, dass der Nahostkonflikt nicht nur ein geopolitischer Konfliktherd ist, sondern auch ein Trauma und Identitätskonflikt für viele Betroffene.
Manche palästinensischen Filmemacher versuchen den Nahostkonflikt oft durch Geschichten des Verlusts und dessen, was sie als Widerstand bezeichnen, zu vermitteln. Palästinenser, die in Israel Anschläge gegen Zivilisten verüben wollen, werden dabei zur Demarkationslinie psychologisierender Dramen und sind ein beliebtes Sujet. Hany Abu-Assads Paradise Now folgt zwei palästinensischen Männern, die als Selbstmordattentäter rekrutiert werden, und beleuchtet die moralischen Konflikte und das Gefühl der Verzweiflung, das hinter solchen Entscheidungen steht. Dafür wurde der Film auch vehement kritisiert, da ihm vorgeworfen wird, Gewalt zu verharmlosen und daher eine Täter-Opfer Umkehr zu erwirken. Ein ähnliches Drama thematisiert aber auch der israelische Film Alles für meinen Vater von Dror Zahavi, in dem der junge Palästinenser Tarek als Selbstmordattentäter nach Tel Aviv geschickt wird. Durch eine technische Störung an seinem Sprengsatz bleibt ihm ein weiteres Wochenende in der Stadt – Zeit genug, um sich mit Israelis anzufreunden und mit seinen moralischen Zweifeln zu ringen. Die Begegnung mit der israelischen Bevölkerung und die aufkeimende Freundschaft öffnen ihm eine neue Perspektive, die seine gewalttätige Mission zunehmend in Frage stellt. Der Film zeigt also nicht nur das Ringen um Identität, sondern auch die Ambivalenz menschlicher Begegnungen im Schatten von Feindbildern.
In Filmen wie Das Salz dieses Meeres von Annemarie Jacir steht wiederum die Rückkehr als Motiv im Zentrum der Handlung. Soraya, eine palästinensische Frau aus Brooklyn, kehrt nach Israel zurück, um ihre Wurzeln zu finden und das Erbe ihrer Familie zu beanspruchen. Der Film reflektiert das tiefe Bedürfnis vieler Palästinenser, ihre verlorene Heimat zurückzugewinnen, und betont den existenziellen Kampf um Identität und Zugehörigkeit. Diese unterschiedlichen Darstellungen zeigen, wie sehr politische und emotionale Narrative im Film miteinander verwoben sind. Jede filmische Darstellung ist nicht nur eine künstlerische Interpretation, sondern auch eine ideologische Positionierung. Filme wie Fauda oder
Paradise Now eröffnen psychologische Einblicke in die Realität der Konfliktparteien und betonen, dass die Betroffenen des Konflikts nicht einfach Figuren politischer Interessen sind, sondern Individuen mit komplexen inneren Konflikten. Durch die filmische Darstellung des Nahostkonflikts kann daher das menschliche Leid auf beiden Seiten beleuchtet werden, wobei die Perspektiven aber leider häufig nur zwischen Klischees und Stereotypen oder verkürzten Darstellungen changieren.
Ein zentrales Spannungsfeld der Darstellung von Palästinensern im Film und in der Popkultur liegt also in der konflikthaften Auseinandersetzung um Deutungshoheit und Selbstrepräsentation. Palästinensische Regisseure und Künstler versuchen, durch vermeintlich authentische Erzählungen, ihre eigene Geschichte zu vermitteln. Westliche und israelische Produktionen stellen die Palästinenser häufig als eindimensionale Gegenspieler dar. Dies führt dazu, dass palästinensische Künstler ihre eigenen Werke oft als Gegenerzählungen verstehen – nicht nur zur Darstellung des Konflikts und seiner Folgen, sondern auch als Widerstand gegen eine Marginalisierung ihrer Perspektive in der internationalen Popkultur. Diese Selbstrepräsentation von politischen Akteuren stößt aber auch auf heftige Kritik, da sie oft die Rollenbilder von Täter und Opfer umkehrt, um eine antiisraelische und dadurch oft antisemitische Aktion zu befördern und eine kritische Auseinandersetzung mit dem innerpalästinensischen Konflikt ausspart.
Film und Popkultur besitzen aber ganz grundsätzlich die Kraft, Stereotype herauszufordern und Empathie zu schaffen. Indem Filmemacher versuchen, die Komplexität des Lebens in einer konfliktbeladenen Region zu zeigen, eröffnen sie dem oft unbeteiligten Publikum auch neue Perspektiven auf die alltäglichen Realitäten der Menschen, die hinter politischen Schlagworten verschwinden. Durch die Schaffung von Erzählungen, in denen Gut und Böse verschwimmen, bietet sie also die Möglichkeit, Empathie für die menschliche Existenz beider Seiten zu entwickeln – zumindest für die Dauer eines Films.