Eine Geschichte über Hunde, Bullen, Schlangen und einen feschen Neogastronomen
Von Theodor Stanzel
Den passionierten Grätzlbummlern im zweiten Wiener Bezirk wird es schon aufgefallen sein, dem einen oder anderen Hundebesitzer beim täglichen Gassiausflug ebenfalls: auf der Praterstraße, Ecke Zirkusgasse tut sich was. Seit geraumer Zeit wurde (um-) gebaut, hinter verschlossenen Türen und blickdicht abgeklebten Fenstern wurde gebastelt, geschürft, gespachtelt, eingerichtet, angemalt. Nun, nach gut zwei Jahren, erstrahlt der „Goldene Papagei“ phönixgleich in gleißendem Gelb.
Goldener Papagei ist freilich kein (Fabel-)Tier, sondern der Name eines Kaffeehauses, das seit Mitte Oktober die Pforten für Tee-Aficionados und Kaffeekenner (sowie jene, die es wer- den wollen) geöffnet hat. Dass das Lokalküken nicht nur ideal an der Schnittstelle zwischen erstem und zweitem Bezirk und in einträchtiger Nachbarschaft zu Mochi nistet, sondern von der optischen Anmutung her sicherlich eines der innovativeren Lokale der Stadt ist, sollte nicht unerwähnt bleiben. Das Architekturbüro KLK hat den „Goldenen Papagei“ so gar nicht, wie der Lokalname vermuten lassen könnte, goldplüschig gestaltet, sondern mit warmen Farben, einem coolen Materialmix und vielen Pflanzen.
Da ich jedoch weder Architekturkritiker noch Gourmet oder bewanderter Kaffeetrinker bin, werde ich mich auch nicht den verzehrbaren Konsumgütern oder dem Service widmen, obwohl mir zu Ohren gekommen ist, das einer der bestaussehenden NU-Autoren (die Rede ist nicht von meiner Wenigkeit, sondern von Mark Napadenski) seine gastronomische Karriere im „Goldenen Papagei“ gestartet hat.
Aber eine Frage kann ich den neugierigen Grätzlbummlern und Hundebegleitern beantworten, nämlich, wer die Fäden (nicht Federn) hinter dem Papageien-Projekt zieht. Wobei „Fäden ziehen“ wörtlich gemeint ist. Denn der Chef des Hauses, Nathan Spasić (so, jetzt ist’s raus!), ist für seine unnachahmlichen Vernetzungsfähigkeiten bekannt. Mein lieber Freund ist dem Bezirk kein fremdes Gesicht, sondern trotz seines transdanubischen Migrationshintergrundes längst ein fest verankerter 1020er.
Bekannt ist der fesche Neogastronom übrigens nicht nur auf der Mazzesinsel, sondern überall, wo er sich herumtreibt: an der Universität für Angewandte Kunst, wo er „ortsbezogene Kunst“ studiert; im NU, wo er sich regelmäßig als Fotograf mit dem besonderen Blick und wortgewandter Autor einbringt sowie mit Ronni Sinai das „vorletzte Wort“ teilt (das letzte hat er übrigens in seiner Freizeit auch ganz gerne). Und nun als Cafétier. Schon sind wir wieder beim Fädenziehen, einer Tätigkeit, die an Spinnen und ihre Netze erinnert. Und da hätten wir auch Nathans größtes Talent am Schirm. Es ist das kunstvolle Vernetzen – der Millennial würde vermutlich „connecten“ sagen –, das Nathan beherrscht wie kaum ein anderer.
Egal durch welchen Distrikt man „die Spinne“ begleitet (ja, diesen Spitznamen trägt der Papageiendompteur, wobei die Gendersensibleren unter unseren Freunden auch zu „der Spinner“ oder „der Spinnerich“ tendieren): Sein Netz hat er schon gewoben, alle fünf Meter wird er begrüßt, lässt sich in ein Gespräch verwickeln, ob Alt oder Jung, Manderl, Weiberl, Hund oder Mensch ist dabei unwichtig.
Zugegebenermaßen habe ich das zwar immer bewundert, es aber auch als eine äußerst anstrengende Eigenschaft wahrgenommen, vor allem, wenn ich in Eile und das Netz des Spinnenmannes so dicht war, das ein zügiges Vorankommen unmöglich wurde. Nathans Bekanntheitsgrad wurde freilich nicht weniger, als er sich erdreistete, in Anwesenheit eines Bullen, pardon: Polizisten, das Wort „Oida“ in den Mund zu nehmen. Schwupps, Anzeige raus! Aber die Spinnennetze reichten bis zu den Gipfeln der österreichischen Boulevardelite, die gerichtliche Schlacht wurde nicht nur in den ehrwürdigen Sälen der Justiz ausgefochten, sondern auch in nationalen U-Bahn-Zeitschriften.
Nathan Spasić, damals geschmückt mit 80er-Jahre-Disco-Schnauzer, zu Gast bei Fellner, ist und bleibt einer der legendärsten Fernsehmomente der Zweiten Republik. An dieser Stelle: Danke, lieber Nathan, dafür. Die Tatsache, dass er sich auch vor Gericht aus der Sache rausschlängeln konnte, sowie ein geniales Musikvideo, das wir in seinem kuscheligen Renault Clio gesehen haben, machte ihn zum Äskulap-Nathan. Ja, mein Freund hat viele Facetten und Talente, der genialste Schachzug (hier wird mir die Zukunft recht geben) wird wohl gewesen sein, nach jahrelanger Vernetzungsarbeit und nach Boulevardberühmtheit ein Café zu eröffnen.
Für soziale Interaktion muss Nathan nun nicht mehr den Bezirk verlassen, zum Reden nur noch hinter der Theke hervortreten. Das Publikum liebt ihn und weiß, wo er zu finden ist: im „Goldenen Papagei“.
Der Goldene Papagei
von Andrea Schurian
Beginnen wir mit dem Namen. Goldener Papagei? Klingt nach Chinarestaurant, ist aber eine Hommage an „Zlatni papagaj“ (Goldener Papagei), das legendäre Kultcafé von Nathans Vater in Belgrad, ein Künstler- und Studententreffpunkt und so divers, wie eine Kafana in der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien nur sein konnte. Außerdem gab es im „Zlatni papagaj“ zum ersten Mal in Belgrad echten Espresso. Das Wiener Architekturbüro KLK, das bereits nebenan das „Mochi“ redesignt hat und für die optische Neugestaltung des „Café Bellaria“ verantwortlich zeichnet, schuf mit einem ausgeklügeltem Material- und Farbenmix – Terrazzo, Beton, warme Gelb- und Rottöne – ein ganz besonderes, ja, einzigartiges Raumgefühl, große Glastüren öffnen sich zum Gastgarten.
Der grüne Dschungel für den Papagei ist das Ergebnis einer im wahrsten Sinn des Wortes blühenden Zusammenarbeit mit dem Floristen Thomas Tergowitsch, alles Grünzeug ist käuflich erwerblich. Noch ist das Pflanzensortiment deutlich üppiger als das Speisenangebot.
Work in progress
Das mit der Küche ist noch ein Work in Progress, „gerade in der Anfangszeit scheint alles noch ein wenig unklar zu sein – wir haben allerdings viel vor“, sagt Nathan Spasić, der junge Chef des Hauses, der hoffentlich weiterhin Zeit finden wird, mit Ronni Sinai um das vorletzte Wort zu rangeln. Geplant sind einfache Gerichte wie frisch im Lokal gebackenes Sauerteigbrot von Öfferl, Cuvée-Butter, pochiertes Ei zum Frühstück.
Was es jetzt schon gibt, ist ein extrem motiviertes, erfrischend junges Team sowie feine Sandwiches, handmade by NU-Autor Mark Napadenski, Törtchen, Croissants, ungewaschene Speciality-Kaffees, erlesene Teesorten, naturtrübe Säfte und ebensolche Weine wie z.B. Koreaa, Judith Becks Bio-Weißwein aus Österreich. „Die Produkte unbehandelt zu belassen, das ist unser Credo. In naher Zukunft wird daher das Naturwein-Angebot erweitert. Auch werden wir einen zunehmend größeren Fokus auf Speisen legen – kein à la carte, nur kleine Sachen, dafür hochwertig und möglichst regional. Somit werden wir zwischen einem Speciality Café mit Brunch in der Früh und abends und einem Mix aus Aperitivo/Naturweinbar alternieren.“
Auch den Kochlöffel werden junge, ambitonierte Köchinnen und Jöche schwingen. Geplant ist, das Lokal als Bühne für verschiedene Gastkonzepte zu nutzen, ab und zu Freundinnen und Freunde kochen zu lassen oder es abends als Kunstlocation zu vermieten: „Was tatsächlich dabei herauskommt, steht natürlich noch in den Sternen. Es erfüllt uns jedenfalls mit Freude, ein solcher neuer Stern am gastronomischen Himmel zu sein.“
Ach ja, NU liegt natürlich auch auf.
Goldener Papagei, Praterstraße 17, 1020 Wien
Mo–Fr 9–21 Uhr, Sa 9–19 Uhr, So Ruhetag,
Gastgarten
www.goldenerpapagei.at