Polen brüskiert mit einem neuen Gesetz, das die Rückgabe von beschlagnahmtem Vermögen aus jüdischem Besitz erschwert, die Opfer des Holocaust.
Von Otmar Lahodynsky
Polen ist das einzige EU-Land, das bisher keine Kompensation für vom Staat beschlagnahmtes privates Vermögen angeboten hat. Einzige Ausnahme stellt der Besitz jüdischer Gemeinden – also Synagogen oder Friedhöfe – dar. Doch für das Eigentum, das drei Millionen Juden von den Nazis geraubt und danach vom kommunistischen Regime Polens einbehalten wurde, gibt es bislang keine faire gesetzliche Regelung.
Ganz im Gegenteil: Ende Juni setzte die rechtsautoritäre polnische Regierung einen Schritt gegen die berechtigten Forderungen nach Restitution. Das von ihr mehrheitlich kontrollierte Parlament (polnisch: Sejm) verabschiedete ein Gesetz, das Ansprüche der Erben von Holocaust-Opfern blockieren wird, wenn es – nach Zustimmung des Senats – Rechtskraft erlangt. Denn durch eine Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung werden Anfechtungen von Verwaltungsentscheidungen nach Ablauf von dreißig Jahren nicht mehr möglich sein. Das wird neue und laufende Verfahren über Restitution erschweren.
Ernsthafter Schaden
Damit verletzt Polen nach Ansicht der Regierung Israels und jüdischer Organisationen die Rechte der Opfer der Schoah beziehungsweise von deren Nachkommen. „Die anstehende Gesetzesänderung wird es faktisch unmöglich machen, jüdisches Eigentum zurückzugeben oder eine Entschädigung zu verlangen. Dieses unmoralische Gesetz wird die Beziehungen zwischen unseren Ländern ernsthaft beschädigen“, klagte die Botschaft Israels in Polen in einer Stellungnahme zum Gesetz an.
Das vom polnischen Parlament verabschiedete Gesetz sei eine direkte und schmerzhafte Verletzung der Rechte von Holocaust-Überlebenden und ihrer Nachkommen, so Israels Außenminister Yair Lapid. Das neue Gesetz sei eine schreckliche Ungerechtigkeit und eine Schande und werde die Beziehungen zwischen beiden Staaten ernsthaft beschädigen.
Das umstrittene neue Gesetz geht auf eine Entscheidung des polnischen Verfassungsgerichts aus dem Jahr 2015 zurück. Dieses forderte damals eine Frist für Anfechtungen von administrativen Entscheidungen bezüglich der Rückgabe von konfisziertem Eigentum. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs ging das während der NS-Okkupation Polens beschlagnahmte Eigentum von Juden, von denen die meisten in den NS-Lagern ermordet wurden, in den Besitz des kommunistisch regierten Polen über. Nach der Wende 1989 gab es seitens der danach demokratisch gewählten Regierungen Polens nur wenige, zögerliche Bemühungen, dieses Eigentum an die rechtmäßigen Besitzer oder deren Nachkommen zurückzugeben oder zumindest eine Entschädigung anzubieten.
Rechtsautoritäre Ansichten
Vor allem die rechtsautoritäre Regierung Polens der seit 2015 allein regierenden Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) scherte sich bisher wenig um die Interessen jüdischer Nachkommen von Holocaust-Opfern. So wurde 2018 ein Gesetz verabschiedet, wonach Polen in keiner Weise mit dem Holocaust in Verbindung gebracht werden darf. Damit wurden auch Berichte von polnischen Historikern, die Fälle von Ermordungen von Juden durch Polen – auch nach 1945 – nachwiesen, kriminalisiert. Nach internationalen Protesten wurden in einer Gesetzesnovelle die ursprünglich vorgesehenen Haftstrafen (Strafrahmen bis zu drei Jahre Gefängnis) gestrichen.
Doch das angespannte Verhältnis Polens zu Israel und den USA hat sich in den letzten Jahren weiter verschlechtert. Erst Ende Juli hat das US-Außenministerium den Druck auf Polen erhöht. Das Gesetz werde Forderungen nach Restitution oder Entschädigung des von Nazis oder Kommunisten in Polen beschlagnahmten Eigentums erschweren, hieß es in einer Erklärung des US-Außenministeriums.
Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki wies die Kritik von US-amerikanischen Politikern und jüdischen Verbänden brüsk zurück. „Solange ich Premierminister Polens bin, wird Polen für Verbrechen der Deutschen sicher nicht zahlen. Keinen Zloty, keinen Euro und keinen Dollar!“ Polens Regierung hat hingegen wiederholt über neue Schadenersatzzahlungen von Deutschland aus der NS-Besatzungszeit diskutiert.
Doch sie erschwert nun mit dem neuen geplanten Gesetz die Rückgabe von Eigentum von Millionen ermordeter Juden, das nach dem Zweiten Weltkrieg in den Besitz des polnischen Staates geraten war. Damit perpetuiert sie die Verbrechen des Holocaust, mit denen das offizielle Polen nicht in Verbindung gebracht werden will und setzt sich somit selbst ins Unrecht.
Israels Außenminister Yair Lapid sprach dies klar an: „Das polnische Gesetz, das die Rückgabe von jüdischem Eigentum oder eine Entschädigung dafür verhindert, ist eine schreckliche Ungerechtigkeit und verletzt auf beschämende Weise die Rechte der Überlebenden des Holocaust und ihrer Nachkommen, die aus jüdischen Gemeinden stammen, die seit Jahrhunderten in Polen gelebt haben.“