Schweizer Käse

Ist das Regierungsprogramm von Türkis-Grün die Fortsetzung von Türkis-Blau? Welche Luftschlösser werden von Donald Trump in Israel errichtet? Und: Sind die Juden auch am Klimawandel schuld? Ein Gespräch zwischen Ronni Sinai und Nathan Spasić.

Ronni: Nathan, ich bin so begeistert von unserer neuen Regierung! Sebastian Kurz begrüßt Donald Trumps Nahost-Plan, so etwas hat es noch nie gegeben in Österreich!

Nathan: Hallo, Ronni! Bei mir hält sich die Begeisterung über die neue Regierung in Grenzen, weil sich die ÖVP beinahe in allen wesentlichen Punkten durchgesetzt hat. Jetzt werden Abschiebungen halt mit gutem Gewissen durchgeführt. Nach wie vor in Krisengebiete, dafür klimagerecht. Wo wir bei Krisengebieten sind: Mahmud Abbas nannte Trumps Nahost-Plan einen „Schweizer Käse“, der für Palästinenser nicht hinnehmbar sei. Ich fürchte, dass Trump nicht nachhaltigen Frieden im Nahen Osten schafft, sondern Luftschlösser.

Ronni: Ich weiß ja nicht, ob Abbas schon jemals Schweizer Käse probiert hat. Dass dieser hier besonders schwer verdaulich für ihn ist und ihm stinkt, liegt auf der Hand. Ich befürchte nur, dass es kaum andere Käsesorten gibt, die ihm schmackhaft gemacht werden können. Der von ihm bevorzugte Speiseplan wäre für Trump und Israel wohl nicht ganz koscher. Klimagerechte Abschiebung? Interessanter Begriff. Hat Potenzial für das Zitat des Jahres 2020, hab aber keine Ahnung, was du damit meinst. Vielleicht Abtransport der Flüchtlinge mit fahrerlosen E-Bussen? Oder Schubhaft in Zellen mit Photovoltaikanlage?

Nathan: Ich kann dir nur zustimmen. Ich denke, dass man es Abbas und seinen Unterstützern im Grunde ohnehin nicht recht machen kann. Mit klimagerechter Abschiebung meine ich, überspitzt formuliert, die fortführende Umsetzung rechter Politik, dafür mit grüner Handschrift – quasi fürs gute Gewissen. Das Regierungsprogramm liest sich wie eine Fortsetzung von Schwarz-Blau. Für mich ist das schwer verdaulich, wie ein Schweizer Käse. Er liegt aber ähnlich schwer im Magen wie die nachhallende Empörung aus der linksliberalen Ecke. Es ist ja nicht so, als ob man sich etwas anderes erwarten hätte können. Aber vielleicht bin ich auch nur ein Schwarzmaler, oder es liegt am Wetter. Du scheinst ja optimistischer zu sein, nicht wahr?

Ronni: Nu was für ein Wetter? Monate mit der Jahreszeit entsprechendem Wetter sind so selten geworden wie absolute Mehrheiten. Und ja, wer anderes erwartet hätte von Türkis-Grün, darf als naiv bezeichnet werden, Türkis hat schließlich nahezu dreimal mehr Mandate als die Grünen. Es lebe die Demokratie – immerhin. Wusstest du, dass es den Begriff Öko-Anarchismus gibt und dass dessen Symbol aus den Farben Schwarz und Grün besteht? Wenn nicht, kannst du ja einmal googeln. Apropos Klima: Erkläre mir bitte, warum die sogenannten Klimawandel-Leugner aus dem rechten Lager kommen oder diesem zugewiesen werden bzw. sich selbst dort verorten? Demnach also die alles entscheidende Frage: Leugnen Antisemiten die Klimakrise? Sag mir jetzt bloß nicht, wir Juden sind sogar schuld daran – wie an allem, was ja wiederum ein Widerspruch wäre. Nu kenn mich nicht mehr aus …

Nathan: Bist du Anarchist? Mir gefällt der Gedanke! Nun, Klimaleugner gibt es wohl leider in allen politischen Lagern. Ich denke aber, dass besonders Rechte ein Faible für Verschwörungstheorien haben. Befeuert durch Fake-News, Filterblasen und ominöse Internet-Foren. Ohne das jetzt, ad hoc, empirisch nachweisen zu können. Und ja, lieber Ronni: Ob es regnet, hagelt oder schneit, an allem sind wir Juden schuld!

Ronni: Vielen Dank, mein Lieber, nun bin ich erleuchtet. Immer wieder unterhalte ich mich gerne mit dir, egal bei welchem besch… eidenen Wetter. Bloß nicht bei Sonnenschein, der ist langweilig, weil wer soll denn daran schuld sein? Als Anarchist und Jude – welch schlimme Kombination! – überlasse ich dir nur das vorletzte Wort, somit ist unsere Unterhaltung beendet. Ich fahr nach Hause und werde noch etwas essen, habe Appetit bekommen auf, nun ja … vielleicht Emmentaler?

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