Schickse mit Chuzpe

Juden bevorzugt, lautet das Motto von Kristina Grish. Die 30-jährige New Yorker Journalistin aus katholischer Familie ist auf den Geschmack gekommen. Nach zwölf jüdischen Liebhabern hat sie sich berufen gefühlt, einen Ratgeber für nichtjüdische Mädchen zu schreiben, die sich in einen Juden verliebt haben (oder verlieben wollen). Ein Buch, das in den USA sofort zum Bestseller wurde, und viel Staub aufgewirbelt hat.
Von Danielle Spera

Ein Buch, wie man es noch nie gelesen hat: „Boy Vey! The Shiksa‘s Guide to Dating Jewish Men“ von Kristina Grish ist ein unterhaltsamer und außergewöhnlicher Ratgeber für Nichtjüdinnen, die sich Verabredungen mit jüdischen Männern in den Kopf gesetzt haben – mit Aussicht auf mehr. Angesiedelt zwischen Woody Allen und „Sex and the City“ ist „Boy Vey“ ein unorthodoxes Handbuch für abenteuerlustige junge Frauen, die wissen wollen, wo finde ich ihn und wie kann ich ihn halten? Kristina Grish hat reiche Erfahrungen gesammelt, mit mehr als einem Dutzend verschiedener jüdischer Männer innerhalb von sechs Jahren. Ihre Liebe zu Juden erwachte mit dem ersten „jüdischen date“, ihrer ersten Verabredung mit einem Juden. Seine Wärme, Intelligenz, Leidenschaft, sein Humor hätten sie so überwältigt, dass es von diesem Zeitpunkt an nur noch jüdische Burschen sein durften. „Das Kennenlernen war kein Problem“, so Grish zu NU, „ich arbeite im Medienbereich in New York, da gibt es jüdische Männer wie Sand am Meer, und meine beste Freundin ist Jüdin. Sie, aber auch meine Arbeitskollegen, waren geradezu versessen, mich mit Juden zu verkuppeln. Aus diesem Grund wäre ich gar nicht auf die Idee gekommen, mich im Internet umzuschauen“. Es ist cool, ein jüdischer Mann zu sein! Jüdischen Burschen mit even-tuellen Minderwertigkeitskomplexen sei dringend zur Lektüre von „Boy Vey“ geraten. Grish räumt damit endgültig auf. Was haben alle jüdischen Männer gemeinsam? Sie sind intellektuell anregend wie kaum jemand, sie sind großzügig, aufmerksam, humorvoll, sind fantastische, einfühlsame Liebhaber, und haben keinen Funken von Macho-Gehabe. Auf einen Punkt gebracht: Der jüdische Mann ist der perfekte Mann! Genau deshalb würden nichtjüdische Frauen nach jüdischen Männern Ausschau halten, und nicht etwa wegen ihrer Religion. Jüdische Männer amüsieren sich gern, lieben gutes Essen, sie haben enge Familienbindungen, kümmern sich um die Gesellschaft, meistens sind sie auch noch attraktiv und erfolgreich! Und was ist der Grund dafür: Juden kommen aus einer matriarchalischen Kultur, daher würdigen sie die Frauen und geben ihnen jede Art von Wertschätzung. Weil jüdische Männer ihre Mütter über alles liebten, würden sie auch alles tun, um ihre Frauen glücklich zu machen. Mit einem Wort, Grish ist voller Komplimente für den jüdischen Mann, sie spricht von der „heißesten Erfahrung“ ihres Lebens. Nur einmal habe es ein traumatisches Erlebnis gegeben, ein gut aussehender jüdischer Arzt ließ sich zu Yom Kippur zu einem feinen Abendessen mit leidenschaftlichem Ausklang in seinem Schlafzimmer überreden. Danach sei er in Tränen ausgebrochen. Grish nahm an, er wäre so gerührt gewesen, tatsächlich war es das schlechte Gewissen. Ein Fehltritt, der so schnell nicht mehr passieren sollte. Auch ein Grund, „Boy Vey“ zu schreiben! Auf der Jagd ohne Schadchen Kontroversielle Fragen schneidet Grish ganz bewusst nicht an, inter-religiöse Partnerschaften, Mischehen und ihre Problematiken sind nicht ihr Thema. Sie wollte eine aufrichtige, respektvolle Anleitung liefern, für nichtjüdische Mädchen, die mit einem Juden ausgehen – Grundkenntnisse vorausgesetzt. Jetzt geht es nur noch darum, wo ist er, der extrem kluge, überwältigend leidenschaftliche, gut aussehende, erfolgreiche Traummann? Nichts leichter als das. Grish liefert amüsante Tipps, wo denn der passende jüdische Mann abgefangen werden kann, bis hin zu den kleinsten Details, wo und wann die wichtigen Kongresse der Rechtsanwälte, Ärzte, Psychologen, usw. stattfinden, und wie sich unter den Anwesenden die jüdischen Männer entdecken lassen … Als Expertin rät Grish den heiratswilligen New Yorker Mädchen am besten einen jüdischen Mann aus einer Reformgemeinde (jews on paper) zu suchen, bei Orthodoxen wäre alles zu kompliziert. Ist ER erst einmal gefunden, muss noch die mischpoche überzeugt werden, keine Kleinigkeit also. In diesem Sinn ist auch der jiddischen Mamme ein eigenes Kapitel gewidmet, enthaltend fünf Gebote, wie man auch die Mutter des Angebeteten für sich gewinnt, mit den dazugehörenden Tipps und Tricks. Schwestern, Vater, Großeltern, alle müssen um den Finger gewickelt werden, und für jede Art von Verwandtschaft hat Grish gute Ratschläge auf Lager. Talk, talk, talk, lautet jedenfalls die Devise. Je schweigsamer man beim ersten Treffen mit der Familie sei, umso verdächtiger werde man beäugt. Das Einmaleins der Jüdischkeit Jüdischkeit muss gelernt werden, um in der Familie des Angepeilten zu reüssieren. Wichtig ist dabei das Essen als Zentrum aller jüdischen sozialen Interaktion. „Liebe geht durch den Magen“, ist das Motto. Rezepte für Hühnersuppe, Latkes oder Strudel dürfen daher nicht fehlen, mit Tipps der besten Kosher Delis. Schon allein wegen dieses Kapitels zahlt es sich aus, das Buch zu lesen. Auch dass der Geliebte eine Art Geheim-Sprache hat, deren wichtigste Ausdrücke man sich sofort zu eigen machen muss, ist ein nicht zu vernachlässigender Aspekt. Von „alter khaker“ bis „yenta“ reichen die mehrere Seiten umfassenden Erklärungen. Ein Vorschlag für einen Liebesbrief, gespickt mit jiddischen Ausdrücken, ist da der Höhepunkt. Die Feiertage! Wann und warum, was ziehe ich an, was bringe ich mit, wie begrüße ich. Dos and Don‘ts, und wichtige No-nos: wie z. B. sich nie seinen Talles im Tempel ausborgen, weil es aus der Klimaanlage so zieht, oder niemals eine Zigarette an einer Menora anzünden und sich beim Seder die Frage „Dauert’s noch lange?“ doch besser zu verkneifen. Gut oder schlecht für die Juden? Als sich Kristina Grish entschloss, ihr Wissen mit anderen zu teilen, machte sie sich auf die Suche nach einem Verleger. Ein unerwartet schwieriges Unterfangen. Die meisten fürchteten sich davor, ein so heißes Eisen anzugreifen. Doch das heikle Thema wurde sofort ein Bestseller und die Reaktionen waren dementsprechend bewegt. Von amüsiert bis aufgebracht reicht das Spektrum der Rezensionen, der Postings im Internet, der Diskussions-veranstaltungen über „Boy Vey“. Der harmloseste aller Kritikpunkte lautet, Grish verwende viele Stereo-type und Verallgemeinerungen: Es sei widerwärtig zu schreiben, dass jüdische Männer Haare auf dem Rücken hätten, oder dass ihre Mütter ihnen den Ödipus-Komplex mit der Muttermilch einflößen würden. Das Buch sei respektlos und voller Klischees. Außerdem wurde der Vorwurf erhoben, dass das Buch den Trend zu Mischehen nur noch verstärken würde. Für jüdische Mädchen würde es durch ihr Buch noch schwerer, einen jüdischen Mann zu bekommen. Bei einer Lesung wurde sie als Nazi beschimpft, weil sie zum Aussterben des jüdischen Volkes beitrage. Dabei meinen heute bereits 74 Prozent aller jüdischen Eltern in den USA, es sei besser, ihre Kinder würden einen nichtjüdischen Partner heiraten als gar nicht. Laut jüngster Statistik heiraten 40 Prozent aller jungen amerikanischen Juden nicht-jüdische Frauen. Schiddach mit der Schickse? Was sollen Juden an shikses attraktiv finden: Nach Meinung von Grish sind die jüdischen Frauen zu fordernd, sie seien zu starke Persönlichkeiten und setzten die jüdischen Männer zu sehr unter Druck. Ein Anwalt allein tue es nicht, es müsse schon ein Spezialist auf einem speziellen Gebiet sein, ein praktischer Arzt, nein, mindestens ein Gefäßchirurg, meint Grish im Gespräch mit NU. Ob sie nie daran gedacht hätte zu konvertieren, fragen wir die Autorin. Zu konvertieren war für sie kein Thema, sagt Grish. Doch seit das Buch auf dem Markt ist, sei sie tatsächlich tief in die jüdische Gesellschaft eingetaucht: „Reformrabbiner, jüdische Gemeinden, Zeitungen und Zeitschriften laden mich jetzt sehr häufig zu Diskussionen ein. Ich habe dadurch einen noch vielintensiveren Einblick in die Religion bekommen, der mir vielleicht vorher gefehlt hat. Dadurch respektiere ich das Judentum heute noch viel mehr als vorher. Wenn ich jetzt einen jüdischen Freund hätte, der mir einen Heiratsantrag machte und dem es wichtig wäre, würde ich auf der Stelle konvertieren.“ Doch im Moment sieht es nicht danach aus. Aktueller Stand: Nichtjude, von dem sie aber beim Kennlernen angenommen hatte, er sei Jude. Was sie vor allem vermisst: eine jüdische Familie, Wärme, Schmusen. Gibt es überhaupt einen Wermutstropfen? Nein, sagt Grish, eigentlich nicht: „Das einzig Schlechte ist, dass jüdische Männer sehr neurotisch sind, so wie ich selbst – zwei Neurotiker auf einmal, das ist einfach zu viel.“ WEB-TIPPS: www.kristinagrish.com Kristina Grish, Journalistin und Schriftstellerin, schreibt u.a. für Marie Claire, Cosmopolitan und Teen Vogue. Ihr erstes Buch „We need to talk. But first: do you like my shoes?” ist ein Dresscode für Verabredungen. Ihr nächstes Buch erscheint im September: “Addickted” ist neuerlich ein Ratgeber zum Thema Nummer eins. „Boy Vey“ hat Grish ihrer Mutter gewidmet, mit dem Text: „Für meine Mutter, die immer sagt, dass wenn sie noch einmal heiratete, dann nur einen Juden (Sorry, Dad!).“

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