Die rot-grüne Stadtregierung debattiert über zwei neue Denkmäler: Für Deserteure und für homosexuelle Opfer des Nationalsozialismus.
Von Nina Horaczek
Richard Wadani weiß genau, wo er hin will. Der 88-jährige Wehrmachtsdeserteur und Ehrenobmann des Personenkomitees „Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz“ posiert für ein Foto auf der Homepage www.deserteursdenkmal. at mitten auf dem Heldenplatz. Genau dort wünscht sich Wadani nämlich ein Denkmal für Soldaten, die aus der NS-Wehrmacht desertierten.
Seit sich die rot-grüne Wiener Stadtregierung auf Seite 52 ihres Regierungspaktes zur „Errichtung eines Mahnmals für Deserteure sowie eines Mahnmals für homosexuelle und transgender Opfer des Nationalsozialismus“ verpflichtete, gibt es eine heftige Debatte über die Umsetzung. Vor allem beim Deserteursdenkmal lautete die Frage: Welcher Ort ist ein würdiger Platz dafür?
Deserteur Wadani hat prominente Fürsprecher für den Standort Heldenplatz. „Am Heldenplatz wird an Dollfuß erinnert, an ermordete Polizisten, an Prinz Eugen“, sagt der Politikwissenschafter und Nationalsozialismus- Experte Walter Manoschek, „wenn man bedenkt, welchen Helden dort gedacht wird, da müsste auch für die Deserteure ein würdiger Platz zu finden sein“.
Ähnlich sieht das der grüne Wiener Klubchef David Ellensohn: „Das Personenkomitee wünscht sich den Heldenplatz, Richard Wadani wünscht sich den Heldenplatz, das ist eine gute Wahl. Aber es ist nicht die einzige Möglichkeit in der Stadt.“
Seine Parteikollegin, die grüne Volksanwältin Terezija Stoisits, die sich in ihrer Zeit als Nationalratsabgeordnete ebenfalls für ein Deserteursdenkmal engagierte, betrachtet den Standort Heldenplatz hingegen kritisch: „In einem Eckerl am Heldenplatz neben der Hundezone wird das Denkmal kaum Aufmerksamkeit erregen“, meint Stoisits und warnt davor, die Heldenplatz-Symbolik zu überhöhen. Statt über den Standort wünscht sich die Politikerin eine Debatte über die Form eines Denkmales und welche Inhalte damit transportiert werden sollen. „Denn dass die Stadt Wien einen Stein hinsetzt, auf dem steht, dass Soldaten, die im NS-Regime desertiert sind, gute Menschen sind, reicht nicht“, meint Stoisits – auch wenn sie zugebe, dass sie sich nach vielen Jahren des Kampagnisierens „auch über so einen Stein freut“.
Der grüne Klubchef hofft, dass die Standortdebatte noch dieses Jahr abgeschlossen sein wird, damit 2012 ein künstlerischer Wettbewerb durchgeführt werden kann. Für den für das Denkmal zuständigen Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ) gibt es hingegen noch zahlreiche Punkte zu klären. „Jetzt wird erst einmal eine Arbeitsgruppe eingesetzt, dann muss der Themenkomplex noch historisch erforscht werden und wir wollen auch einen Vergleich mit ähnlichen Denkmälern in anderen europäischen Städten“, sagt die Sprecherin des Kulturstadtrates. Die Standortfrage möchte Mailath-Pokorny erst im Zuge einer Ausschreibung klären. „Aber auch für uns ist der Zeitplan, dass Wien bis zum Jahr 2015 ein Denkmal für Deserteure erhält, realistisch“, sagt seine Sprecherin.
Als möglicher Alternativstandort wird der Platz vor dem Juridikum gehandelt, denn in der Hohenstaufengasse urteilte ab 1944 ein NS-Militärgericht. Für Ellensohn gibt es auch ein Argument gegen den Standort Heldenplatz: Dort entscheidet die Stadt Wien nicht alleine, die Burghaupthauptmannschaft hat ein Mitspracherecht. Ein weiterer Akteur würde eine Entscheidungsfindung im Konsens nicht vereinfachen.
Aber auch das im Regierungsübereinkommen paktierte Mahnmal für die von den Nazis verfolgten Schwulen und Lesben löst Diskussionen aus. Hier ist zwar die Standortfrage geklärt. Dafür herrscht beim Tempo Unstimmigkeit.
Bereits vor sechs Jahren präsentierte die Stadtregierung einen Entwurf des Künstlers Hans Kupelwieser. „Der rosa Platz“ lautet der Titel des geplanten Denkmals am Morzinplatz, wo eine 400 Quadratmeter große Wasserfläche mit rosa gefärbtem Wasser gefüllt werden sollte – als Erinnerung an den „rosa Winkel“, den Homosexuelle in Konzentrationslagern tragen mussten.
2009 erklärte die Stadt das Projekt „Rosa Platz“ als gescheitert. „Es konnte keine alltagstaugliche Farbe gefunden werden“, sagte der Kulturstadtrat.
„Das Denkmal kommt noch in dieser Legislaturperiode“, kündigt nun der grüne Wiener Klubschef David Ellensohn im Gespräch mit NU an. „Am rosaroten Wasser kann es wohl nicht scheitern. Dann wird man sich etwas anderes überlegen müssen“.
Anders sieht man das im Büro des Kulturstadtrates. „Es wird an diesem Ort temporäre Ausstellungen geben, aber sicher kein Denkmal“, sagt Mailath- Pokornys Sprecherin. Das werde es erst geben, wenn die grüne Vizebürgermeistern und Planungsstadträtin Maria Vassilakou ihre Ankündigung, einen Plan für die Umgestaltung von Schweden- und Morzinplatz vorzulegen, umgesetzt habe. „Wie schnell ein Denkmal für die homosexuellen NS-Opfer errichtet werden kann, hängt also davon ab, wie rasch Vassilakou mit der Umgestaltung des Platzes fertig wird“, heißt es aus dem Büro des roten Kulturstadtrates.
Spätestens im nächsten Wahljahr 2015 wird man also sehen, ob sich Grüne oder SPÖ am Morzinplatz durchgesetzt haben und das Denkmal doch noch in dieser Legislaturperiode kommt. Bis dahin hat vielleicht auch das Deserteursdenkmal seinen Platz gefunden.