Kommentar von Martin Engelberg
Im Programm der neuen Regierung sind beim Thema Außenpolitik – etwas unscheinbar zwar, aber deshalb nicht minder wichtige – Schwerpunkte gesetzt worden. Erstens steht hinsichtlich der Fortsetzung der außenpolitischen Strategie Österreichs folgender Punkt sehr deutlich an erster Stelle: „Ausbau der strategischen Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika“. Zweitens heißt es bezüglich Israel, dass Österreich nicht nur eine besondere historische Verantwortung, sondern auch eine „aktuelle Verbindung zum Staat Israel“ hat. Welche Bedeutung haben diese beiden Punkte im Kontext miteinander?
Mit Bundeskanzler Sebastian Kurz hat Österreich – zum ersten Mal seit Jahrzehnten – wieder die Chance, auch außenpolitisch eine bedeutendere Rolle zu spielen. Befreit vom Ballast der Koalition mit der FPÖ, wird Kurz noch viel mehr als einer der wichtigsten Player in Europa wahrgenommen – obwohl Österreich zu den kleineren Staaten der EU zählt. Sowohl die USA als auch Israel hoffen darauf, dass der Bundeskanzler der Captain einer Gruppe von europäischen Mitgliedsländern werden könnte, die den Anliegen und Positionen der USA und Israels gegenüber aufgeschlossener sind – bestehend nicht nur aus den Visegrád-Staaten, sondern auch aus „westlichen“ europäischen Ländern.
Schon gab es die ersten Abstimmungen in internationalen Organisationen, in denen Österreich und einige andere EU-Staaten die einseitigen Verurteilungen Israels nicht mehr mitgetragen haben. Weit davon entfernt, die anti-amerikanischen, anti-israelischen, ja anti-westlichen Mehrheiten in internationalen Organisationen „drehen“ zu können, bildet sich zunehmend zumindest eine – wie sie sich nennt – „Moral Minority“: eine Gruppe von Ländern, die – wenn auch (vorerst) in der Minderheit bleibend – so doch eine moralische Haltung einnimmt.
Enormes Potenzial
Österreich könnte aber noch viel mehr Bedeutung erlangen: Eine großartige Idee wäre es, wenn Österreich zu einem Angelpunkt der Beziehungen und transatlantischem „Hub“, also zu einer Begegnungsstätte von Amerikanern, Israelis und Europäern, würde. Und zwar der unterschiedlichsten Provenienzen: Jugendliche, Diplomaten, Wissenschaftler, Kulturschaffende, Politiker und dergleichen mehr. Österreich wäre der ideale Veranstaltungsort für Begegnungen, Workshops, Seminare und Kongresse, wo der so wichtige Austausch über die teils so unterschiedlichen Lebenswelten und Realitäten stattfinden könnte.
Ein solcher persönlicher Austausch ist wünschenswerter denn je, zumal die USA und Europa auseinanderzudriften drohen. Umso wichtiger ist diese Begegnung, um sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiedlichkeiten besser kennen- und verstehen lernen zu können. Ebenso wichtig wäre es für Europäer und Amerikaner, die Lebensrealität der Israelis besser kennenzulernen und darüber hinaus auch das enorme Potenzial, das dieses kleine Land der Menschheit zu bieten hat. Außerdem entwickelt sich auch zunehmend eine Allianz der USA und Israel mit den arabischen Staaten, mit einer immer intensiveren politischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Auch in diesem Fall fehlen bisher die europäischen Partner weitgehend.
Österreich steht nicht in der Mitte zwischen den USA und Russland oder China, wie es oft das gängige Narrativ ist. Natürlich soll es geordnete Beziehungen zu Russland und China geben, aber es darf keinen Zweifel darüber geben, dass sich Österreich inmitten der westlichen Wertegemeinschaft befindet, die es leider wieder verstärkt zu verteidigen gilt: gemeinsam mit den europäischen und auch außereuropäischen Partnern, vor allem den USA, Kanada, Israel und Australien. Österreich als Sitz zahlreicher internationaler Organisationen könnte durch einen solchen transatlantischen Hub eine zusätzliche große internationale Bedeutung erhalten.