Nur aus Überzeugung

Lernen, lernen, lernen: wer zum Judentum übertreten will, braucht einen starken Willen und einen langen Atem. Denn Jude oder Jüdin wird man nicht einfach über Nacht. NU sprach dazu mit Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg.
Von Alexia Weiss

Vorausgeschickt sei: das Judentum kennt keine Missionierung. Wem also eines Tages einfällt, beim Tempel anzuklopfen und anzufragen, wie er/sie denn Mitglied werden könne in dieser Religionsgemeinschaft, der kann nicht damit rechnen, ein paar Tage später mit einem entsprechenden Zertifikat wieder aus der Tür hinaus zu spazieren. Wem es aber wirklich ernst ist, der wird nach entsprechender Lernzeit mit offenen Armen empfangen – unter der Bedingung, dass er/sie das Erlernte auch in die Praxis umsetzen will.

Wer den Übertritt schafft, gilt als volles Mitglied der Gemeinde – und wird die Regeln und Gebote oft wesentlicher strikter einhalten als so manches alteingesessene Gemeindemitglied. „Man darf ihm nicht sein Leben lang vorhalten, dass er nicht als Jude geboren wurde“, hält Eisenberg dazu fest. Und: „Wir sind keine Rasse. Wenn jemand die Tora auf sich genommen hat, ist er ein Jude mit allen Rechten und sollte dafür Anerkennung und nicht Spott ernten.“

In der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Wien wurden in den vergangenen Jahren etwa fünf bis sechs Übertritte pro Jahr registriert. Entscheidet sich eine ganze Familie, das Judentum als neuen Glauben anzunehmen, gilt das als nur ein Übertritt. „Kandidaten“ gibt es freilich mehr – in Wien sind es weit mehr als doppelt so viele, als dann wirklich übertreten. Manche scheitern bereits an der ersten Hürde: der abschlägigen Empfehlung des Oberrabbiners nach dem Erstgespräch, übrigens eine Tradition, die seit vielen Jahrhunderten gepflegt wird. „Beim ersten Treffen wird gefragt, ob er/sie sich das antun will und es wird ihm/ihr abgeraten“, erklärt Eisenberg. Je strenger der Geistliche, desto öfter wird ein solches Nein wiederholt. Eines Tages aber wird der Rabbiner seine Zustimmung geben, und zwar dann, wenn ihm der Kandidat/die Kandidatin wirklich von der Sache überzeugt zu sein scheint. Eine Garantie hat der angehende Konvertit damit aber noch längst nicht in der Tasche.

Nun heißt es lernen und das Leben umstellen auf die jüdischen Riten und Gebote. Denn wenn der Rabbiner das Gefühl hat, die Überzeugung sei doch nicht groß genug, kann er die Sache auch wieder abbrechen. Dasselbe gilt für den Kandidaten. Mindestens ein Jahr muss er nun lernen und unter Beweis stellen, dass er das jüdische Leben zu seinem eigenen macht. Jüdische Gebote und Gebete müssen verinnerlicht, jüdische Geschichte muss durchgeackert werden. Außerdem gilt es, sich genügend Hebräisch anzueignen, dass man sich in Originaltexten zurechtfinden kann. „Hebräische Umgangssprache zu beherrschen ist nicht notwendig“, beruhigt Eisenberg. Damit der Kandidat nicht nur in seinem Stübchen hockt und Theorie paukt, sollte er/sie quasi von einer orthodoxen Familie adoptiert

werden. Schabbat wird nun Woche für Woche gemeinsam begangen und der Neuling behutsam durch den jüdischen Kalender mit all den dazugehörigen Bräuchen geführt. Vor allem Frauen werden in die Kunst, einen koscheren Haushalt zu führen, eingeweiht. Von den angehenden Konvertiten erwartet Eisenberg übrigens nicht, dass sie das koschere Schlachten in allen Einzelheiten beschreiben können. „Wer wird denn schon einmal in die Situation kommen, ein Tier schlachten zu müssen?“ – Das wichtigste sei vielmehr, „ob sie wissen, wo die koscheren Geschäfte sind und dort auch einkaufen“.

Grundsätzlich muss der Kandidat alle Gebote annehmen. Als „Prüfsteine“ gelten die Bereitschaft, die Küche auf koscher umzustellen (und dabei etwa wertvolles Geschirr zu ersetzen) und – wenn nötig – den Arbeitsplatz zu wechseln, falls die Arbeitszeiten mit dem einzuhaltenden Schabbat kollidieren, so Eisenberg. Er stellt klar: „Wenn jemand am Schabbes arbeitet, erwarte ich von ihm, dass er sich einen anderen Posten sucht oder mit seinem Arbeitgeber andere Arbeitszeiten ausmacht.“

Neben der ausgewählten jüdischen Familie begleitet auch der Oberrabbiner den Kandidaten durch seine Lernzeit. Stellt der Geistliche fest, dass dem eigentlichen Übertritt nun nichts mehr im Wege steht, gilt es eine Prüfung zu absolvieren. Fragen aus der Theorie, aber auch Praxis sind dabei zu beantworten. Frauen müssen zudem in die Mikwe, also das rituelle Tauchbad gehen. Männern steht noch vor der Mikwe die Beschneidung bevor.

Nicht alle Konvertiten haben allerdings diesen langen Weg eingeschlagen. Im Reformjudentum, das vor allem in den USA weit verbreitet ist, wird dieser Prozess stark abgekürzt – denn von diesen Gemeinden werden viele Gebote insgesamt außer Kraft gesetzt (jedenfalls aus Sicht der Orthodoxie). Hier fängt auch das Problem an: die Orthodoxie erkennt solche Übertritte nicht an. Da in Israel, aber auch in Europa die Orthodoxie das Sagen hat, könnte es dann Probleme beim Heiraten geben – aber auch bei der Anerkennung von Kindern von Übergetretenen als Juden. „Wenn orthodoxe Rabbiner Reformübertritte nicht anerkennen, kann das zu persönlichen Problemen führen. Noch schlimmer ist es allerdings, wenn ein orthodoxes Rabbinat den Übertritt eines anderen orthodoxen Rabbinats nicht anerkennt – dort beginnt das Problem auszuufern“, sagt Eisenberg. Es müsse daher alles so korrekt abgewickelt werden, dass, wenn jemand in Israel heiraten möchte, er/sie ein Zeugnis hat, das dort auch anerkannt wird.

In Wien halte man sich daher an die korrekten Vorschriften – „möglicherweise könnte man aber noch strenger sein“, meint der Oberrabbiner. Ultra-orthodoxe Rabbiner würden es darauf anlegen, dass nur ein geringer Bruchteil jener Menschen, die zum Judentum konvertieren wollen, dies auch tatsächlich tun werden.

In Wien seien es etwa ein Drittel. „Ich bin bei den Orthodoxen auf der liberaleren Seite“, sagt Eisenberg, befragt nach seiner Position. Schließlich bestehe die Wiener Gemeinde vielfach aus „nicht observanten Juden“. E i s e n b e rg hat sich übrigens mit einem Rabbiner aus Israel und Rabbinaten in Europa zusammen getan, um die Übertritte über die Bühne zu bringen. Denn der Kandidat muss seine Prüfung vor einem dreiköpfigen Rabbinatsgericht ablegen. Früher konnten diesem Gericht aus Mangel an Rabbinern auch religiöse und gelehrte Laien, wie etwa der Tempeldiener oder Kantor, angehören. Heute bemüht man sich, die drei nötigen Rabbiner aufzubringen. Eisenberg kooperiert daher u.a. mit Rabbinaten in Frankfurt, Brüssel, Marseille und Kroatien. „Jeder hilft dem anderen bei seinen Fällen.“

In den vergangenen Jahren seien die Übertritte vorwiegend in Europa abgewickelt worden. Immer seltener werde – jedenfalls von den Kandidaten, über die Eisenberg wacht – Israel zum Übertreten aufgesucht. Denn: „Israel möchte nicht das Land der Produktion von Konvertiten sein.“

Nach Einschätzung Eisenbergs nimmt der großer Teil der Konvertiten diesen steinigen Weg übrigens einem Partner zu Liebe auf sich. Grundsätzlich unterscheidet der Oberrabbiner zwischen drei Gruppen: erstens jenen, die einen jüdischen Vater, aber keine jüdische Mutter haben und daher vor dem jüdischen Gesetz nicht als Juden gelten, sich aber auf Grund ihrer Herkunft als solche fühlen. Zweitens jenen, die einen jüdischen Partner haben. Und drittens jenen, die aus Überzeugung übertreten wollen. Letztere bringen übrigens die besten Voraussetzungen mit. Denn Menschen, die von ihrer Abstammung und Partnerschaft nichts mit dem Judentum zu tun haben, „sind die Menschen, die meist auch wirklich bereit sind, die Gebote des Judentums auf sich zu nehmen.“ Diese Gruppe macht rund ein Viertel der Kandidaten aus. Ein weiteres Viertel entscheidet sich auf Grund der Herkunft für die Konversion. Für diesen Personenkreis spreche, dass er bereits viel über das Judentum wisse. Andererseits würden diese Menschen nur ein Judentum kennen, „das viel weniger religiös ist, als man es vom Konvertiten erwartet, da ja zum Beispiel der Vater eine nichtjüdische Frau geheiratet hat“. Sie müssen im Lauf der Lern- und Probezeit zu der Auffassung gelangen, dass sie die Gebote einzuhalten haben, so der Oberrabbiner. Rund die Hälfte der Konvertiten hat einen jüdischen Partner gewählt, meist handelt es sich dabei um Frauen. Hier wird übrigens auch vom jüdischen Teil des Paares einiges abverlangt: er muss mit dem angehenden Juden mitlernen und beide müssen versprechen, ein religiöses jüdisches Haus zu führen. Das zu erreichen ist gar nicht leicht, wie folgende von Eisenberg erzählte Anekdote illustriert: „Ein jüdischer Vater rät seinem Sohn, unbedingt eine jüdische Frau zu heiraten. Dieses Projekt läuft aber schief und der junge Man verliebt sich in eine Nichtjüdin. Nachdem diese den steinigen Weg einer Konvertitin hinter sich gebracht hat und selbst überzeugte Jüdin geworden ist, heiraten die beiden. Am ersten Schabbat schlägt ihr der junge Mann vor, gemeinsam ins Kino zu gehen. Sie lehnt dies mit dem Argument, dass Schabbes sei, entrüstet ab, verbietet ihm auch zu rauchen und zündet die Schabbatkerzen an, um den Tag traditionell zu begehen. Als sich der junge Mann bei seinem Vater über die Probleme beklagt, antwortet dieser: ‚Ich habe dich ja gewarnt. Bei einem jüdischen Mädchen hättest du diese Probleme nicht gehabt.“

 

P.S.

Nicht leicht war es, Gesprächspartner zu finden, die über ihren Übertritt oder gar ihre nicht ganz so positive Erfahrungen in den Jahren des Lernens reden wollten. Umso größer der Dank daher an Frau T. und Frau S., die ihren Namen zwar nicht abgedruckt sehen wollten, aber doch gerne über ihren Weg ins Judentum Auskunft gaben.

 

Buchtipp:

Walter Homolka, Esther Seidel (Hg.): „Nicht durch Geburt allein. Übertritt zum Judentum“,

Knesebeck Verlag, München 1995, ISBN 3-926901-80-2

 

 

Ein Übertritt im Familienpack

| Beispiel 1: |

„Das Judentum bedeutet mir sehr viel“, beginnt Frau S. (Name der Redaktion bekannt) ihr Gespräch mit NU. Warum das so sei? Es fördere das selbstständige Denken, erläutert Frau S. Frau S. heute über Dreißig, begann sich im Alter von 14, 15 Jahren erstmals mit dem Judentum zu beschäftigen. Sie fühlte sich vom jüdischen Glauben zunehmend angezogen, hatte jüdische Freunde, begann nach der Matura Judaistik zu studieren. Es war „eine Annäherung von außen“, wie sie es heute nennt.

Eine Annäherung, die allerdings auch ihr Leben zu bestimmen begann. Denn Frau S. stellte auf koschere Küche um, ging in den Tempel, hielt Schabbat ein. Mit 21 heiratete Frau S. – einen Mann, der katholische Theologie studierte, sich aber – wie sie – ebenfalls intensiv mit dem Judentum auseinandersetzte und sich vor allem auf das Alte Testament konzentrierte – und gemeinsam mit ihr ein jüdisches Leben führte. Auch die beiden inzwischen auf die Welt gekommenen Kinder erzog die Familie nach den jüdischen Regeln und Geboten. Das sei aber immer schwieriger geworden – ein jüdisches Leben zu führen, ohne jüdisch zu sein. Das Ehepaar beschloss daher, überzutreten.

Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg habe ihnen ein religiöses Ehepaar vermittelt, bei dem sie beide gelernt hätten. Etwas mehr als ein Jahr später – also nach relativ kurzer Zeit – sei dann in Israel der Übertritt erfolgt. „Aber wir haben uns ja davor schon rund 15 Jahre mit dem Judentum beschäftigt, wir hatten ja schon sehr viel gelernt“, so Frau S. Der Giur als solcher sei ihr insgesamt „relativ einfach“ erschienen. Auch wenn am Beginn des Weges zum Übertritt die dreimalige Ablehnung ihres Ansinnens durch einen Rabbiner in Israel stand. Festzuhalten sei: „Es war eine sehr wichtige Entscheidung.“ Inzwischen kam vor rund einem Jahr das dritte Baby auf die Welt – das erste der Kinder der Familie S, das von Geburt an jüdisch ist. Trotz religiösem Leben und drei Kindern arbeitet Frau S. übrigens halbtags – in einer Bibliothek. Wichtig ist es ihr auch festzuhalten, „dass keine Rede davon sein kann, dass Frauen nicht gebildet sein, nicht eigenständig denken können“.

Ob ihre Familie sich mit ihrer Entscheidung schwer getan habe? Bedenken habe es schon gegeben, räumt Frau S. ein. Etwa, dass wenn man ein wirklich religiöses Leben führe, man drei Mal im Jahr nach Israel fahren sollte. Oder dass die Kinder in ihrer Partnerwahl eingeschränkt seien. Grundsätzlich hätten ihre Eltern die Entscheidung aber akzeptiert.

Und heute seien ihr Mann und sie akzeptierte Mitglieder der Gemeinde, erzählt Frau S. stolz. Und dass ihr Mann im Tempel auch immer wieder zur Tora aufgerufen werde.

 

Der jahrelange Hürdenlauf der Frau T.

| Beispiel 2: |

Ende Mai dieses Jahres hat sich der Wunsch von Frau T. (Name der Redaktion bekannt) erfüllt: sie trat vor dem Rabbinatsgericht zur Prüfung an, ging in die Mikwe und gilt nun als zum Judentum übergetreten.

Dem voraus gingen Jahre des Lernens und der Enttäuschungen. Vor allem während der vergangenen zwölf Monate wähnte sie sich zwei Mal fast am Ziel und dann kam alles doch ganz anders, erzählt Frau T. im Gespräch mit NU.

Die heute fast 27-Jährige ist auf der Suche „nach dem richtigen Glauben“, seitdem sie 14, 15 Jahre alt war. Die Religion, die ihre Eltern für sie gewählt hatten – der Katholizismus – war aus ihrer Sicht nicht das Wahre. Im Alter von 19 machte sie auf einer Reise die Bekanntschaft von zwei Chassidim und begann sich intensiv mit dem Judentum auseinander zu setzen. Mit 21 zog Frau T. nach Amsterdam, um dort „kulturelle Anthropologie“ zu studieren. Zu dieser Zeit nahm sie auch Kontakt mit dem Rabbinat der Kultusgemeinde in Wien auf. Oberrabbiner Eisenberg empfahl ihr einen holländischen Kollegen. In diesem Gespräch im Herbst 1996 nahm der Rabbiner – aus Sicht von Frau T. – seine Aufgabe, sie abzuweisen, besonders genau. Frau T. wurde nicht nur davon informiert, „wie schrecklich es ist, Jude zu sein“. „Er war auch irrsinnig aggressiv zu mir, sagte, alle Österreicher sind Antisemiten.“ Und dass sie irgendwann auch einmal Mutter und Großmutter sein würde und dann daran schuld sei, „wenn meine Kinder und Enkel direkt nach Auschwitz deportiert werden.“ Diesem Gespräch folgte kein weiteres.

Im Frühjahr 1997 traf Frau T. erstmals persönlich auf Oberrabbiner Eisenberg. Ihm erzählte sie, dass sie nun nach Heidelberg gehen werde, um dort an der „Hochschule für jüdische Studien“ zu studieren. Eisenberg sei „sehr nett“ gewesen, das Gespräch positiv verlaufen. Sie müsse nun „lernen und sich einen Lehrer suchen“, meinte er. In Heidelberg – inzwischen war Frau T. 22 – suchte sie den dort ansässigen Rabbiner auf. Dieser nahm aber nur angehende Konvertiten an, die bereits ein Jahr bei jemand anders gelernt hatten. Nach Wien zurückgekehrt, lernte sie zunächst einige Monate bei einem Kantor, später bei einem „sehr netten, älteren Lehrer“, wo sie aber das Gefühl hatte, „es geht nichts weiter“. Mit 23 Jahren machte Frau T. Bekanntschaft mit dem israelischen Rabbiner Yosef Avior, neben Eisenberg einer jener Geistlichen, die in Österreich das Rabbinatsgericht abhalten. Mit 24 ging Frau T. im Sommer nach Jerusalem, um dort einen Sprachkurs zu absolvieren. Nach Wien zurückgekehrt, fand sie erst nach einer Weile eine geeignete Pädagogin. Diese unterrichtete bereits zwei andere junge Frauen und so konnten sich die Studentinnen die Kosten teilen.

Nach einem Jahr befand diese Lehrerin, dass Frau T. aus ihrer Sicht alles Nötige gelernt habe. Inzwischen hatte es jedoch begonnen, „extrem unangenehm“ zu werden, erzählt Frau T. Sie sei etwa von der IKG nicht davon informiert worden, dass sich Rabbiner Avior erneut in Wien befunden habe. Durch Zufall habe sie davon erfahren und sich mit dem Rabbiner doch noch kurz vor dessen Abreise einen Termin ausmachen können. „Man hat mich offenbar einfach nicht auf die Liste geschrieben.“

Im Mai des Vorjahres dann einmal zunächst die große Erleichterung: Oberrabbiner Eisenberg habe ihr zugesagt, dass sie Ende Juni den Übertritt machen könne. Dieser Termin platzte. Im Juli flog Frau T. nach New York, teilte Eisenberg

vor ihrem Abflug aber mit, dass sie ihren USA-Trip abbrechen würde, wenn es zu einem Termin käme. Und wirklich

– es kam zu einem Juli-Termin, von dem Frau T. nur durch Zufall erfuhr. „Ich bin tatsächlich extra früher zurückgekommen und habe dann nicht einmal einen Gesprächstermin bekommen“, so Frau T. Und das, „obwohl mir im Mai schon der Giur zugesagt wurde“. Man habe sie einfach am Telefon „abgewimmelt“. Zudem erfuhr sie, dass inzwischen bereits Leute übergetreten seien, die weit später zu lernen begonnen hätten.

Darauf hin sandte sie Rabbiner Avior nach Israel Faxe und telefonierte auch ab und zu mit ihm. Außerdem bemühte sie sich im Rabbinat in Wien um einen Empfehlungsbrief, um den Übertritt eventuell doch in Israel zu machen. Den Brief hatte sie nach Urgieren nach rund sieben Wochen in der Tasche. Unterdessen informierte Avior sie, dass es nach Chanukkah einen Übertrittstermin in Frankfurt gebe, bei dem sie zur Prüfung antreten könne. Als sie jedoch eine Woche vor dem Termin mit dem Rabbiner telefonierte, um die genaue Uhrzeit zu erfahren, sagte ihr dieser, sie sei leider nicht auf der Liste, weil Oberrabbiner Eisenberg kein entsprechendes Fax gesandt habe. Avior habe dann zunächst noch zugesagt, sie einzuschieben. Doch dann habe es plötzlich geheißen, das wäre nur ein Termin für Deutsche und Belgier. „Da war ich dann mit den Nerven wirklich am Ende“, sagt Frau T.

Sie beschloss, sich nicht mehr auf Zusagen aus Wien zu verlassen und ihr Glück in Israel zu versuchen. Sie ließ dort einen entsprechenden Akt eröffnen und brachte die Sache ins Laufen. Überraschenderweise wurde ihr von Seiten Eisenbergs nun auch ein Termin in Wien Ende Mai in Aussicht gestellt – „ich beschloß, ich mache es jetzt dort, wo es sich zuerst ergibt.“

Dass der Übertritt nun geschafft ist, ist für Frau T. eine Riesenerleichterung. Doch Hürden gab es bis zum Schluss. Am anvisierten Prüfungstermin fand nicht der Giur, sondern ein Vorgespräch statt – der eigentliche Übertritt erfolgte erst am darauffolgenden Tag in Wien. Und zur Mikwe mussten die Konvertiten nach Budapest reisen, denn in Wien geben die zuständigen Rabbiner ihr Bad nicht für Übertritte her.

Zum Schluss seien aber alle „total lieb“ gewesen. Der Giur habe zehn Minuten gedauert und sei mehr eine nette Plauderei gewesen. Und die Frau des israelischen Rabbiners sei mit ihr in die Mikwe gegangen und habe ihr zuvor auch noch einmal alles ganz genau erklärt. Danach hätten alle in einem koscheren Restaurant gegessen und gefeiert. „Sie waren heute wirklich alle sehr nett – der Schweizer Rabbi, Avior und seine Frau und Eisenberg“, so Frau T. kurz nach dem Giur zu NU.

Enttäuscht ist Frau T. dennoch. Sie wünscht sich, dass es für Übertritte künftig klare Richtlinien gäbe, am besten eine eigene Kommission. Derzeit sieht sie in Wien vor allem „Freunderlwirtschaft“ am Werk. Das sei im Fall von Konvertiten, die keine Lobby hätten und auch nicht wüssten, an wen sie sich wenden könnten, wenn etwas schief laufe, „untragbar“. Ihr neues Leben lässt sich Frau T. dadurch allerdings nicht vermiesen. Sie wird es nach den Regeln und Geboten des Judentums leben.

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