Nach der Wahl ist vor der Wahl

Rainer Nowak und Peter Menasse trafen sich im letzten Jahr zum Dajgezzen beim Fernsehsender OKTO. Wer dieses TV Highlight versäumt hat, kann es in der Oktothek (www.okto.tv) nachsehen und -hören.

 

Nowak: Bist du immer noch so begeistert von Christian Kern?

Menasse: Man hört derzeit wenig von ihm. Aber das passt schon, ich bin ein geduldiger Mensch.

Nowak: Er will nicht kurzatmig sein und nicht bei jedem Sautreiben dabei sein. Beim langsamen Tempo ähnelt er wahrscheinlich dir ein bisschen.

Menasse: Schau, mir genügt es, wenn er im nächsten Jahr wieder einmal etwas Gescheites von sich gibt. Weil besser einmal im Jahr eine kluge Ansage, als das, was viele Politiker sonst produzieren. Aber was sagst du zu ihm?

Nowak: Ich kenne ihn einigermaßen und finde, er hat einen großartigen Job gegen ein wahres Himmelfahrtskommando eingetauscht. Entweder er liebt das Abenteuer oder er ist einfach idealistischer als wir beide.

Menasse: Das ist alles, was du über ihn weißt?

Nowak: Am Anfang seiner Kanzlerschaft hat er sich ja gleich einmal mit den Zahlen bei den Flüchtlingen vertan. Da hat er entweder von seinen Mitarbeitern falsche Zahlen bekommen oder die richtigen falsch gelesen. Jedenfalls tut sich mit ein wenig Zahlenspielerei eine neue Chance auf. Die ÖVP könnte beispielsweise ihre alte Forderung durchsetzen, Frauen zurück an den Herd zu schicken, und schon hätten wir viel bessere Zahlen bei der Arbeitslosenstatistik.

Menasse: Das würde bei der oberösterreichischen Landesregierung nicht funktionieren. Die haben keine Frauen dabei.

Nowak: Es gibt eine sozialdemokratische Landesrätin. Die würde die ÖVP allerdings vermutlich auch gerne hinter den Herd schicken.

Menasse: Eine gute Strategie wäre die neue Zahlenwelt für den Fußball. Stell dir vor, die Schiedsrichter bei der Fußball-WM hätten immer zwei, drei Gegner der Österreicher vom Feld geschickt. Da wären wir gleich viel erfolgreicher gewesen.

Nowak: Zurück zu Kern. Ich habe inzwischen schon Minister aus seiner Riege kennengelernt, wie etwa Sonja Hammerschmid. Sie war bei uns in der Presse und hat Interessantes berichtet. Zum Beispiel, dass heutzutage immer mehr Eltern die Kinder nicht nur in die Schule begleiten, sondern inzwischen auch schon an die Universitäten. Sie wollen bei Uni-Professoren Sprechstunden und begleiten ihre Kinder zu Prüfungen.

Menasse: Na ja, wenn schon die Jugendlichen da nicht sehr selbständig zu sein scheinen, kann man wenigstens den Eltern attestieren, dass sie echte Durchschlagskraft an den Tag legen.

Nowak: Und was erwartest du von der neuen Bildungsministerin?

Menasse: Ich glaube, dass es sich um einen eher verzweifelten Versuch handelt. Es gibt ja seit Jahren eine permanente Schein-Revolution in den Schulen. Es bewegt sich nichts, aber das dafür ständig. Da Frau Schmied nichts gelungen ist, versucht man es jetzt gleich mit Hammerschmid.

Nowak: Das ist jetzt aber ein sehr netter Wortwitz von dir. Da hast du sicher lange gefeilt daran. Du hast dazu vermutlich Liessmann gelesen und Bücher über die Schulreform, bis dir so was Kluges eingefallen ist.

Menasse: Und was sagst du zum neuen Kulturminister?

Nowak: Ich hätte mir nicht gedacht, dass Thomas Drozda seinen einflussreichen Job bei den Wiener Bühnen aufgibt und ein Ministeramt übernimmt. Der frühere Kulturminister Josef Ostermayer hat ja zuletzt gut gearbeitet.

Menasse: Ja, am Schluss haben sich sogar viele namhafte Kulturmanager auf einer Liste für seinen Verbleib ausgesprochen.

Nowak: Da behaupten zynische Menschen, also solche, die noch viel zynischer sind als wir beide, dass er bei den Leuten selber angerufen hätte. Das will ich aber ganz klar zurückweisen. Hier kann es sich nur um eine üble Unterstellung handeln.

Menasse: Ganz richtig. Alle diese Leute, die er seinerzeit bestellt hat, haben klarerweise aus eigener Überzeugung unterschrieben.

Nowak: Und weißt du eigentlich, wer Minister Leichtfried ist?

Menasse: Von dem weiß ich, dass er aus Brüssel kommt. Als guter Österreicher kenne ich die Leute nicht, die aus Brüssel kommen.

Nowak: Ich dachte eher, dass er aus der Steiermark kommt.

Menasse: Na geh. Was hat er denn dann in Brüssel gemacht?

Nowak: Ich habe mir eine Rede von ihm angehört. Da wollte er seine steirischen Genossen davon überzeugen, dass sich die Welt ändert. Er meinte unter anderem, dass das Vierteltelefon nicht mehr zurückkehren wird. Irgendwie habe ich da sofort an dich denken müssen.

Menasse: Danke, dass du mir immer mein Alter unter die Nase reibst. Aber zurück zum Inhalt. Wie soll sich denn ein braver Roter vorstellen können, dass sich alles ändert, wenn doch in der österreichischen Welt immer alles ruht?

Nowak: Aber jetzt gibt es doch ganz neue Minister. Alles wird gut.

 

* Dajgezzen: sich auf hohem Niveau Sorgen machen; chochmezzen: alles so verkomplizieren, dass niemand – einschließlich seiner selbst – sich mehr auskennt.

 

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