Der neue israelische Botschafter Zvi Heifetz freut sich über die gute Aufnahme in Österreich, das er schon als Jugendlicher bei seiner Emigration aus Lettland kurz kennengelernt hat. Dass er jetzt besser als im seinerzeitigen Durchgangslager Schönau wohnt, sich auf den Apfelstrudel freut und warum er den Frieden im Nahen Osten so sehr herbeisehnt, hat er NU erzählt.
Von Danielle Spera und Peter Menasse (Interview) und Hans Hochstöger (Fotos)
NU: Sie haben gestern Ihre Beglaubigung an den österreichischen Bundespräsidenten überreicht. Wie war das Klima bei diesem Antrittsbesuch?
Zvi Heifetz: Das Klima war außerordentlich gut. Es hätte wirklich nicht freundlicher zugehen können. Ich hatte den besonderen Vorzug, Präsident Heinz Fischer schon vor der offiziellen Vorstellung kennenzulernen. Das ist ganz unüblich, aber wir haben beide an der Gedenkveranstaltung zum Novemberpogrom teilgenommen. So kannte er mich schon, als ich gestern bei ihm offiziell vorstellig wurde und er hat sich viel mehr Zeit genommen als protokollarisch üblich. Ich lernte einen Mann kennen, der außerordentlich gut informiert ist, der viel von der Region versteht und der Israel wirklich liebt. Natürlich gibt es Differenzen. Aber der Empfang war so zuvorkommend. Er kennt Shimon Peres, er war im Kibbuz und ich wiederum erzählte ihm meine Geschichte. Ich startete hier in Schönau. Das war meine erste Begegnung mit dem Westen.
Das war die Emigration aus Riga?
Ja, dank Kanzler Kreisky. Ich war vierzehn Jahre alt und kann mich noch wirklich gut erinnern. Ich kann Ihnen sagen, dass das Quartier, das man mir jetzt in Wien zugeteilt hat, viel angenehmer ist, als jenes von damals. Ich habe es mir echt verbessert.
Die Übergabe des Akkreditierungsschreibens an den Präsidenten fand zwei Tage nach dem Gedenken zum Novemberpogrom statt. Als dann die israelische Hymne von der österreichischen Militärmusik gespielt wurde, das hat mir schon ein wenig den Atem genommen. Wow. Es war eine wirklich bewegende Zeremonie.
Können Sie sich unseren Lesern vorstellen?
In aller Bescheidenheit, meinen Sie? OK, zuerst einmal bin ich ein Familienmensch, ein Vater, ein Ehepartner. Darüber hinaus habe ich mehrere Berufe ausgeübt. Ich war im Militär, dann Rechtsanwalt, ein wenig im Business, darunter auch im Mediengeschäft, und schließlich Botschafter in London.
Welcher war Ihr Lieblingsberuf?
Ganz sicher Botschafter in Wien. Aber ich habe mein Karrierehoch noch nicht erreicht.
Sie sind auch im Musikgeschäft, wie wir recherchiert haben.
Ja, ich bin Vorstandsvorsitzender einer Musik-Produktionsfirma innerhalb eines Medienunternehmens. Meine Frau und ich lieben Kunst und Musik. Und der Name meines verstorbenen Vaters war Jascha Heifetz.
Der berühmte Violinist?
(lacht) Nein, das ist nur eine Namensgleichheit. Wir kommen allerdings aus der gleichen Weltecke, vielleicht waren wir ja doch verwandt. Aber leider spiele ich kein Instrument.
Wie waren Ihre Gefühle, als Sie erfuhren, dass Sie Botschafter in Österreich werden?
Zuerst einmal komme ich mit einer professionellen Einstellung hierher. Aus meinen bisherigen Erfahrungen als Diplomat weiß ich, dass hier in Wien eine der wichtigsten diplomatischen Stellen für Israel in der Welt ist. Ich bin nicht nur Botschafter für Österreich, sondern auch bei der UNO und bei der OSZE. Die meisten anderen Länder haben hier in Wien drei Botschafter. Für mich ist das also eine große Aufgabe. In der OSZE sitzen rund 60 Nationen. Ich kann auf diese Weise viele Repräsentanten erreichen. In der UNO habe ich mit nahezu allen Nationen der Welt zu tun. Das ergibt eine wunderbare Chance der Anbindung an hunderte Diplomaten hier in diesem Land.
Also ist Wien wichtiger, als es der Größe des Landes entspricht?
Ja, durch diese vielen Möglichkeiten. Wobei unsere bilateralen Beziehungen ebenso wichtig sind.
Wir als Juden sind oft über die Darstellung Israels in unseren Medien besorgt. Israel wird als Gefahr gesehen. Haben Sie die österreichischen Medien schon kennengelernt?
Ich war Botschafter in England, dort gibt es viele große Medien und nicht alle sind Freunde Israels. Ich denke, die österreichischen Medien sind Israel gegenüber nicht feindlich eingestellt. Sie behandeln das Land ganz normal. Wir haben objektive Probleme und es fällt uns oft schwer, unsere Position zu erklären.
Aber wir kommen da in ein weites Feld. Der sogenannte Arabische Frühling hat den Leuten in einer etwas absurden Weise vor Augen geführt, dass Israel der stabilste Faktor im Nahen Osten ist. Natürlich haben wir unsere Probleme mit den Palästinensern, von denen ich aufrichtig hoffe, dass wir sie lösen können. Aber jedenfalls ist Israel deutlich zum stabilen Faktor in einem unsicheren Umfeld geworden. Denken Sie nur: Libyen, Iran, Irak, Marokko, Tunesien, Ägypten, Syrien. Und wir sitzen hier in Österreich, umgeben von acht friedlichen Nationen.
Das sehen aber nicht alle Österreicher so.
Das geht nicht so schnell. Aber wenn die Leute Tag für Tag realisieren, was sich im Nahen Osten, in all diesen Ländern tut, werden sie langsam verstehen, dass es zwar Konflikte zwischen Palästinensern und Israel gibt, die aber in keinem Verhältnis zu den Ereignissen rundherum stehen.
Es gibt immer noch so viele Menschen, die wirklich meinen, Israel sei die größte Gefahr in der Region.
Das ist eine Frage der Wahrnehmung, aber wir müssen diese Vorurteile durchbrechen. Die Ereignisse im Nahen Osten geben uns mehr Argumente an die Hand als früher. Heute können wir sagen, es geht nicht um Storys, es gibt doch Fakten und diese Fakten liegen jetzt offen vor uns.
Als die Palästinenser als nicht stimmberechtigte Mitglieder in die Unesco aufgenommen wurden, hat Österreich dafür gestimmt, Deutschland sich jedoch der Stimme enthalten. Wie beurteilen Sie die Positionen des offiziellen Österreichs?
Es tut mir leid. Ich werde sicherlich nicht sofort mein neues Gastland oder andere Länder anklagen. Es gibt etwa 22 arabische Länder, das bedeutet auch 22 andere Botschafter, die das Stimmungsbild in ihre Richtung beeinflussen. Sie alle müssen ihre Berichte nach Hause schicken, was sie alles erreicht haben. Es gibt mehr als eine Milliarde Muslime in der Welt mit sehr viel Geld, so dass wir ein potentes Gegenüber haben, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen. Da ist es nicht leicht, mit der Wahrheit durchzukommen.
Die oft falsche Sicht über Israel muss auch unter diesem Gesichtspunkt des ungeheuren Einflusses der arabischen Welt gesehen werden. Aber wir tun unser Bestes, die Fakten aufzuzeigen, unterstützt auch von den jüdischen Gemeinden, wie etwa jener hier in Wien.
Wenn wir junge Israelis heute befragen würden, welches Bild von Österreich würden Sie uns spiegeln? Ist es immer noch eines der beiden Länder, in denen die Schoah ihren Anfang nahm, oder würden sie über ein modernes Österreich reden?
Österreich wird von vielen als so etwas wie die kleine Schwester Deutschlands gesehen. Da die Wahrnehmung von Deutschland sich mit den Jahren positiv verändert hat, gilt das auch für Ihr Land. Österreich war ja nie so stark als das führende Land für den Holocaust angesehen. Natürlich kann niemand die Vergangenheit vergessen. Aber die Haltung hat sich völlig geändert. Wenn Sie heute Österreich sagen, hören Sie vom schönen Schifahren, von Tirol, Mozartkugeln, Schnitzel und Apfelstrudel. Es gibt heute ganz normale, sehr freundliche Blicke auf Ihr Land.
Also ist es nicht Kreisky, nicht Waldheim?
Nein, nein. Ein Freund sagte mir, als er von meiner Bestellung nach Wien hörte: „Du fährst in eine wunderbare Stadt mit gutem Essen und Musik. Also arbeite ja nicht zu viel.“
Es gibt jetzt die Behauptungen, dass Jassir Arafat vergiftet wurde. Und gleich kamen die Verdächtigungen, Israel wäre schuld. Was sagen Sie dazu?
Israel zu verdächtigen ist eine übliche Vorgangsweise. Da gibt es ja Vorbilder, wie James-Bond-Filme, allerlei Verschwörungstheorien und Ähnliches. Das mit Arafat gibt jetzt auch wieder Stoff für eine Reihe von spannenden Filmen. Aber dabei sollten wir es auch belassen.
Aber fürchten Sie nicht, dass die Palästinenser das als Signal für einen neuerlichen Angriff auf Israel nehmen?
Ich sehe eine solche Reaktion nicht. Die Palästinenser brauchen einen solchen Anlass nicht. Sie finden ihre eigenen Gründe, um den Konflikt mehr zu schüren oder weniger zu schüren. Wenn man miteinander verhandelt, kann man nicht seinen Partner bedrohen.
Der US-Außenminister John Kerry sagte in einem Interview, dass Israel besser mit den Palästinensern verhandeln sollte, weil anderenfalls eine „dritte Intifada“ drohe. Was meinen Sie zu dieser Art von Aufforderung?
Ich will den US-Außenminister nicht kommentieren. Ich bin Botschafter hier in Österreich. Ich sage nur, die Palästinenser brauchen keine Aufforderungen, sie machen ohnehin ihre eigene Politik. Wenn Sie auf die erste und zweite Intifada und auf den ganzen jahrzehntelangen Konflikt schauen, werden Sie sehen, dass die Palästinenser nie eine Gelegenheit verpasst haben, eine Gelegenheit zum Frieden zu verpassen. Sie brauchen keine Einladung zum Tango. Auf der anderen Seite, denke oder hoffe ich, dass sie jetzt reifer sind. Und es gibt nur eine sinnvolle Richtung. Wir müssen die Mitte finden, eine Friedenslösung, einen Weg zum Kompromiss. Wir Israelis haben schon viele Zugeständnisse gemacht und erwarten das auch von der anderen Seite.
Was wünschen Sie sich für die unmittelbare Zukunft?
Meine Frau und ich haben insgesamt sieben Kinder. Glauben Sie mir, dass ist der stärkste Grund, Frieden zu wollen. In dieser Situation ist man bereit, Konzessionen zu machen, Kompromisse einzugehen, alles zu versuchen. Wir wollen unbesorgt in Wien sein und nicht jeden Tag lesen, dass in Israel etwas passiert ist. Dieses Gefühl kennen die Menschen in Österreich überhaupt nicht.
Während der zweiten Intifada konnte man Kinder nicht in ein Kino gehen lassen, nicht in ein Einkaufszentrum, nirgends hin, wo viele Menschen zusammentrafen.
Und was Österreich betrifft?
Mir ist es wichtig, viele Menschen von hier dazu zu bewegen, in unser Land zu reisen. Tel Aviv ist heute eine lebendige Stadt, das Land ist wunderschön. Es würden dann die Vorstellungen der Menschen fallen, dass es dort nur Wüste und Kamele gibt.
Zvi Heifetz wurde 1956 in Sibirien geboren, wohin seine Eltern ab 1940 verbannt waren. Nach Stalins Tod kehrte die Familie nach Riga zurück. Mit vierzehn Jahren wanderte Heifetz nach Israel aus. Er absolvierte den Militärdienst und trug den Rang eines Majors der israelischen Streitkräfte (IDF). 1985 schloss er sein Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Tel Aviv ab und ist Mitglied der Anwaltskammer. Er war auch in der Privatwirtschaft tätig. Im Verteidigungsministerium war er als Sprecher und Berater für russischsprachige Medien tätig, im Büro des Premierministers fungierte er von 1990 bis 1997 als externer Rechtsberater. Von 2004 bis 2007 war Heifetz israelischer Botschafter in London. Er ist mit Sigalia Heifetz verheiratet. Die beiden sind Eltern von sieben Kindern.