Besteht die Chance auf einen österreichischen Chassidenkanzler? Aber wo tritt dann der Messias in Erscheinung? Nathan Spasić und Ronni Sinai haben Fragen über Fragen.
Nathan: Ronni, wenn ich dich sehe, denke ich nicht unbedingt daran, aber findest du nicht, dass Chassidismus in den letzten Jahren an Popularität gewonnen hat? Etliche Netflix-Produktionen widmen sich dem Thema.
Ronni: Nu, mein Lieber, ich stelle mir – naja, eigentlich dir – die Frage: Bei wem oder wo hat er an Popularität gewonnen? Ich gebe durchaus zu, dass ich wohl nicht zu dieser Zielgruppe zähle.
Nathan: Popularität ist vielleicht das falsche Wort, jedenfalls ist es aber Thema – positiv und negativ. Produktionen wie Shtisel oder Unorthodox haben eine enorme Reichweite erzielt. Letztere Serie bedient sich dabei gerne auch zumindest eigenartiger Klischees. So wohnt die Hauptprotagonistin Etsy beispielsweise bei ihrem Onkel in Berlin, der natürlich Miethai ist und eine arme Klavierlehrerin drangsaliert. Vielleicht ist das aber auch nur mein Eindruck.
Ronni: Da bin ich bei dir. Die Darstellung der Frommen in Shtisel scheint mir hingegen etwas romantisch verklärt daherzukommen. Sicher publikumswirksam, aber vermutlich realitätsfremd. Generell dürfte der ursprünglich spirituelle Aspekt des Chassidismus mit der Zeit abhandengekommen sein, oder er wurde nie wirklich gelebt. Etwa die Verbindung mit dem Göttlichen oder das Wohltätigkeitsprinzip. Gut möglich, dass es sich hier mangels Erfahrungswerten um ein Vorurteil meinerseits handelt, mir hat aber schließlich noch kein Orthodoxer was geschenkt, umgekehrt verhält es sich allerdings genauso. Wie siehst du denn den heutigen Einfluss dieser Leute auf Politik und Gesellschaft in Israel?
Nathan: Wie einflussreich Chassiden in Israel sind, wage ich nicht zu beurteilen. Es ist auf jeden Fall ein spannungsgeladener Konflikt. Die demografische Entwicklung ist aber eindeutig: Das israelische Zentralamt für Statistik schätzt, dass der Anteil der Ultraorthodoxen von zehn Prozent der Bevölkerung im Jahr 2009 auf dreizehn Prozent im letzten Jahr angewachsen ist. Bis 2042 werden sie knapp einundzwanzig Prozent ausmachen, bis 2062 fast ein Drittel, heißt es. Also vielleicht ist es nur eine Frage der Zeit, bis der jüdische Staat wirklich „koscher“ wird.
Ronni: Nu, dann darfst du mein Grab schon mit einem Stein deiner Weisheit schmücken! Die Knesset wird zur Talmud-Schule umfunktioniert und die Waffen müssen koscher sein, dafür sorgt dann der Militärrabbiner. Der Dschihad findet seinen Meister und die Gewaltspirale dreht sich weiter. Ich hoffe, du setzt dem ein Ende, Nathan, ich verlass mich auf dich! Wie, ist mir egal.
Nathan: So düster siehst du die Zukunft? Ich denke da eher an witzige und vor allem lange Feste, an gutes Essen und vielleicht findet die Region ihren Frieden? Säkulare haben ja offenbar bislang nicht viel gebracht. Aber Spaß beiseite, ich bin gespannt, ob es je einen chassidischen Premierminister geben wird. Vielleicht auch in Österreich?
Ronni: Das wär doch eine Beschäftigung für dich, ich wusste doch, dass ich auf dich zählen kann! Kannst schon beginnen, in der Jeschiwe zu bochern. Als Chassidenkanzler organisierst du dann die langen Feste oder gar Orgien, die den Frieden bringen. Denk an die Platzreservierung für den Messias, der endlich deiner Einladung folgen wird, so G‘tt will. Außerdem wärst du der erste Kanzler, der was Anständiges gelernt hat. Alles wird gut!
Nathan: Mir fallen geeignetere Kandidaten ein, aber die Vorstellung hat tatsächlich etwas. Mit Kabbalismus würde ich mich aber gerne mehr auseinandersetzen. Wusstest du, dass es auch so etwas wie eine christliche Kabbala im 15. Jahrhundert gab? Das Ganze fand aber wenig später sein Ende, die Hauptproponenten wurden der Hexerei und des Okkultismus bezichtigt und verbrannt.
Ronni: Nathan, ich bin beeindruckt. Oder ist deine Intelligenz künstlich? Komme mir bald vor wie der Blede von der Simpl-Revue. Bloß bin ich schöner als der Waldbrunn mit Verlaub. Aber ich komme leicht vom Thema ab. Wo waren wir … ah ja, bei der Kabbala und beim Verbrennen. Ja, man könnte meinen, alle, die damals nicht ganz koscher waren, gingen in Flammen auf. Hat sich nicht Pop-Ikone Madonna unter anderen der Kabbala verschrieben? Dies war wohl einem Modetrend geschuldet, weniger der wahrhaftigen mystischen Lehre.
Nathan: Künstlich ist da nichts, hoffe ich zumindest. Und der Blöde bist du zum Glück nicht. Aber dafür ein ganz guter Tennisspieler, wurde mir gesteckt. Nach dem Sommer sehe ich eher wie der Qualtinger aus. Vielleicht treffen wir uns das nächste Mal am Sandplatz?