Das Jüdische Museum Wien würdigt in seiner Ausstellung „Lady Bluetooth. Hedy Lamarr“ die in Wien als Hedwig Kiesler geborene Schauspielerin, ohne deren Erfindungsreichtum
Mobiltelefonie, WLAN und Bluetooth undenkbar wären.
Noch vor fünfzehn Jahren, als der österreichische Dokumentarfilm Calling Hedy Lamarr in die Kinos kam, hieß es: Wer kennt diese Frau? Heute lautet die Frage umgekehrt: Wer kennt sie nicht? Ehemals als schönste Frau der Welt gefeiert, teilte sie das Schicksal vieler Stars des klassischen Hollywood. Ihre Fans hatten sie zwar nicht vergessen, waren aber wie ihr Idol selbst in die Jahre gekommen. Kurz nach Lamarrs Tod im Jänner 2000 fand ihr Sohn Anthony Loder, es sei an der Zeit, sie wiederzuentdecken, bevor die Erinnerung an sie ganz verschwunden war. Sein Wunsch ging in Erfüllung. Doch seltsamerweise ist die gebürtige Wienerin heute weniger als strahlend schöne Schauspielerin bekannt, die den Glamour einer Ära verkörperte, sondern vielmehr als Technik-Ikone und Erfinderin des Frequenzsprungverfahrens, einem Vorläufer heutiger Drahtlostechnologien wie Mobilfunk und Bluetooth.
Die turbulente Lebensgeschichte der hochintelligenten Schauspielerin ist selbst filmreif. 1914 als Hedwig Kiesler in Wien geboren, ging die Tochter eines jüdischen Bankiers aus dem Wiener Nobelbezirk Döbling vorzeitig von der Schule ab, um Schauspielerin zu werden. Mit gerade einmal 18 Jahren wurde sie als strahlender Nachwuchs-Star gefeiert. Max Reinhardt nannte sie „das schönste Mädchen Europas“. Ihre Hauptrolle in dem tschechoslowakisch-österreichischen Spielfilm Ekstase (Gustav Machatý, 1933) machte sie international bekannt, doch wurden ihr ein Nacktauftritt und ein vor der Kamera gespielter Orgasmus – damals ein Tabubruch – ein Leben lang immer wieder vorgehalten. Im selben Jahr heiratete Hedy Kiesler den reichen, skandalumwitterten Munitionsfabrikanten und Waffenhändler Fritz Mandl, vor dessen Dauerkontrolle sie 1937 nach Hollywood flüchtete.
Navy gegen Nazis
Legenden ranken sich um ihre Aufnahme in die MGM-Star-Familie. Auf demselben Schiff reisend wie Louis B. Mayer, soll sie dessen Aufmerksamkeit erregt haben, als er ihre (kalkulierte) Wirkung auf männliche Mitreisende sah. In den USA mit dem neuen Namen Hedy Lamarr und einem Siebenjahresvertrag angekommen, wurde sie von ihrem Studio in zahlreichen, oft nicht besonders anspruchsvollen Filmen als „schönste Frau der Welt“ vermarktet. Nach dem Kriegseintritt der USA wollte sich auch die Nazi-Gegnerin, deren Geburtsland seit dem „Anschluss“ nicht mehr existierte, nützlich machen – und entwickelte gemeinsam mit dem Avantgarde-Komponisten George Antheil ihre Erfindung des Frequenzsprungverfahrens. Die US Navy, der sie das Patent schenkten, ließ es aber für Jahre in der Schublade verschwinden. Ihre Karriere im Film fand in der Darstellung der biblischen Femme fatale in Cecil B. DeMilles Monumentalfilm Samson und Delilah (1949) ihren Höhepunkt. Später entwickelte sie sich zur exzentrischen Diva, deren Faceliftings und Scheidungen von der Klatschpresse ausgeschlachtet wurden. In ihrem letzten Lebensabschnitt zog sie sich zurück und mied die Öffentlichkeit. Ihre Wiederentdeckung als geniale Erfinderin ab 1997 erlebte sie noch hochbetagt.
Die Ausstellung im Jüdischen Museum Wien präsentiert anhand zahlreicher originaler Objekte, Schriftstücke, Privatfotos und Kleidungsstücke aus dem Nachlass und von privaten ebenso wie institutionellen Leihgebern die einzelnen Stationen dieser außergewöhnlichen Biografie, mit einem Schwerpunkt auf ihren frühen Jahren in Wien, ihrer familiären Herkunft und ihrem später verklärten Verhältnis zu ihrer Heimatstadt. Die Schau beleuchtet sowohl die Privatperson und ihre Beziehungen zu den sechs Ehemännern, drei Kindern, Freunden, Kollegen und Fans als auch ihre Filmkarriere und ihr Schicksal als Erfinderin. Dabei lässt sich in vielen glamourösen Bildern aus der klassischen Zeit Hollywoods schwelgen. Doch auch die Kehrseite wird nicht ausgespart.
Während der Vorbereitungen zur Ausstellung wurde klar: Das Interesse an Hedy Lamarr hält weiter an und steigert sich sogar noch. So wurde für 2020 der Start einer Mini-Serie über ihr Leben angekündigt. Die Hauptrolle wird eine andere Schönheitskönigin spielen: Gal Gadot, ehemalige Miss Israel und Wonder-Woman-Darstellerin. Man darf gespannt sein.
Andrea Winklbauer ist Kuratorin der Ausstellung „Lady Bluetooth. Hedy Lamarr“. Bis 10.5.2020 im Jüdischen Museum Wien