Edek Bartz ist einer der spannendsten Protagonisten der Wiener Musikszene. In einem neuen Buch erinnert er sich zurück.
Als Zurückhaltung, Contenance oder Bescheidenheit am Beginn seines Lebens verteilt wurden, dürfte Edek Bartz – so scheint es bei der Lektüre seiner soeben erschienenen Erinnerungen – gerade ein wenig abgelenkt gewesen sein. Als, auf gut Wienerisch „goschert“ könnte man den Ton der Memorabilia, Schnurren, Anekdoten, aufgezeichnet von Klaus Nüchtern, seines Zeichens Falter-Autor, beschreiben. Wobei das bitte keinesfalls misszuverstehen ist: Es tut gut und ist schön, wenn jemand klare Worte findet, die Dinge beim Namen nennt und nicht herumlaviert – gemäß üblichen Usancen des pseudo-gebügelten Mainstream-NLP-Sprechs unserer Tage. Zudem, factum est: ohne Edek Bartz wäre vieles in der Wiener Popgeschichte der 1970er- und 1980er-Jahre wahrscheinlich ganz anders verlaufen.
Einige werden sich vielleicht an ihn als die eine Hälfte des genialen Duos „Geduldig un Thimann“ erinnern. Absolut aus der Zeit gefallen mutet heute noch an, dass damals die jiddisch-wienerische Volksmusik, in der Tradition chassidischer Niggunim, exhumiert und dem Orkus des Vergessens entrissen wurde. Vielen wird Bartz aber in seinen anderen zahllosen Funktionen und Professionen, die er stets mit Leidenschaft, Verve und Empathie ausgefüllt hat, bekannt sein. Edek Bartz war Plattenverkäufer, DJ, Konzertmanager, Kurator, Buchhändler, Galerist, lehrte Industrial Design an der Angewandten, war Wegbereiter und Wegbegleiter. In seinem Terrain tummelten sich Grace Jones, Leonard Cohen, Jimi Hendrix, Pink Floyd, Frank Zappa, die Rolling Stones, aber auch Friedrich Gulda, Helmut Lang, Hans Hollein, Paolo Piva, immer und immer wieder André Heller, und viele, viele, viele andere …
Edek Bartz war Tourmanager von Falco in Japan, und von Peter Alexander in Deutschland. Begonnen hatte er als Plattenverkäufer in Wiener Szene-Läden wie dem ¾, dem Doblinger, wurde DJ in Szenelokalen wie Voom Voom, Vanila, Camera, und betreute bald Bands und Musiker. Leonard Cohen lieh er 1976 für dessen Wien-Konzert seine Gitarre. Der spielte in der gerammelt vollen Arena dann nicht nur seine eigenen Folk-Songs, sondern auch jiddische Lieder wie „As de Rebbe singt“ – Jahre später sollte Bartz mit Freund Albert Misak dieses selbst auf einer der stimmigen, nein, genialen Geduldig & Thimann-Alben singen.
Doch in die Wiege gelegt war Edek Bartz all das nicht. Geboren 1946 in einem russischen Flüchtlingslager in Kasachstan, als Kind einer jüdischen Wienerin und eines Polen, wächst er in Polen auf. 1958 verlässt seine Mutter ihren Mann und Polen Richtung Wien. Seinen Vater sieht Bartz danach nie wieder. Seine Kindheit, sagt er selbst, habe er „aus dem Gedächtnis gelöscht“. In Wien erwirbt er sich auf eigene Faust und nach eigenem Willen Bildung, die zur Grundlage einer einzigartigen Karriere werden sollte: Durch Zufall trifft er im Alter von 14 Jahren Otto Mühl und besucht mit ihm eine Aktion von Hermann Nitsch. Er jobbt bei Meinl, in einer Buchbinderei, lernt Radiotechnik. Mit seinem Freund Albert Misak beschließt er eine Skiffle-Band zu gründen. Sie besuchen Konzerte von Joan Baez, Ray Charles, Cannonball Adderley. Als Musiker, Plattenverkäufer, DJ, Kulturmanager und Kurator war Bartz über Jahrzehnte stets zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort – etwa als Organisator der ersten Österreich-Konzerte von Jimi Hendrix, Frank Zappa oder Pink Floyd. Bartz begleitete Peter Alexander durch Deutschland und Falco nach Japan.
Bartz erzählt launig, im Plauderton, manchmal schnoddrig, sehr persönlich, authentisch, aus seinem bewegten und abwechslungsreichen Leben; von seiner Begegnung mit dem späteren Star Jean-Michel Basquiat, vom Dasein als Direktor der Kunstmesse „Viennafair“, von der Agentur „Stimmen für die Welt“, vom Festival „Töne/Gegentöne“, das er mit „Mister Pop-Museum“ Wolfgang Kos veranstaltet hat, von Begegnungen (und lautstarken Auseinandersetzungen) mit Helmut Zilk oder von der unabsichtlichen Entführung des Edek Bartz durch Frank Sinatra. Interessant ist, dass am Ende – trotz des direkten Zugangs, „close up & personal“ – über den vordergründig zynischen, in Wahrheit aber menschenfreundlichen Menschen Bartz persönlich nicht allzu viel zu erfahren ist. Scheinbar doch „a Filosof“.
Edek Bartz:
Interessant, du, faktisch …: Edek Bartz und Wiens Aufbruch in die Pop-Moderne. Aufgezeichnet von Klaus Nüchtern.
Residenz Verlag,
Wien/St.Pölten 2025
196 S., EUR 21,–