Wie Eric Pleskow und Ari Rath beim Literaturfestival in Heidenreichstein kraft ihres Alters das Problem des nichtkoscheren Buffets zu lösen wussten.
Seit 2006 wird Heidenreichstein im nördlichen Waldviertel einmal im Jahr zum Schauplatz des Festivals „Literatur im Nebel“: Eine Autorin oder ein Autor von Weltrang steht dabei jeweils im Mittelpunkt, prominente Autorenkollegen, Schauspielerinnen und Schauspieler lesen aus den Werken des jeweiligen Ehrengasts. Schauplatz dieser hochkarätigen Veranstaltung ist die „Margithalle“, ein Art Scheune, die Jahr für Jahr zwei Tage lang zum ländlichen Kulturtempel wird. Die Bezeichnung „Tempel“ kommt dabei nicht von ungefähr. Denn eines der besonderen Merkmale von „Literatur im Nebel“ ist die Offenheit gegenüber Autoren unterschiedlicher Glaubensbekenntnisse und Kulturen.
Eröffnet wurde der literarische Reigen 2006 mit Salman Rushdie, jenem indisch-britischen Autor, der sich kritisch mit seiner Religion, dem Islam, auseinandersetzte (Satanische Verse, 1988) und dafür bis heute von einem Todesurteil bedroht wird, das einst Ayatollah Khomeini über ihn verhängt hatte. Mit Amos Oz, Jorge Semprún und Louis Begley kamen in Heidenreichstein auch prominente jüdische Autoren zu Wort. Der Respekt und das große Interesse, das die Bevölkerung dort den geladenen Schriftstellern entgegenbringt, ehrt sie. Dass sie ihnen in den Lesepausen zur Stärkung buchstäblich alles kredenzt, was Küche, Keller, Stall und Stadel bieten, kann allerdings auch zum Problem werden. So beobachtet 2013, als der amerikanisch-jüdische Autor Louis Begley als Ehrengast geladen war. Der Andrang zu den Lesungen war überwältigend, hatte er doch die Romanvorlage zum höchst erfolgreichen Film About Schmidt geliefert, in dem Jack Nicholson über Tücken im Leben eines alternden Mannes räsoniert.
Speck mit Schmalz
In der ersten Lesepause stand – gemeinsam mit Louis Begley und seiner Frau, der Historikerin Anka Muhlstein – eine prominente Runde jüdischer Freunde und Bewunderer des Autors vor dem Buffet, darunter der erst vor wenigen Wochen verstorbene Viennale-Präsident Eric Pleskow, der es in seiner Zeit als Hollywood-Mogul auf 14 Oscars für „beste Filme“ gebracht hatte, und Ari Rath, der vor zwei Jahren verstorbene, einstige Chefredakteur und Herausgeber der Jerusalem Post. Alle blickten ratlos auf das vorbereitete Angebot: Speck, Schmalz, Schinken und schwarzes Bauernbrot. Bis der erlösende Satz eines Literaturfestival-Besuchers die zum Teil auch etwas verschämte Stille brach: „Könnte einer der Anwesenden diese Speisen für koscher erklären? Sonst würde das Knurren unserer Mägen womöglich die weiteren Lesungen stören.“
Ari Rath und Eric Pleskow blickten einander an. „Soll es der Ältere von uns beiden tun, oder machen wir’s gemeinsam?“, fragte Ari seinen Freund. Die beiden „Porzellangassenbuben“, wie sie genannt werden, weil sie beide – bis zur Flucht vor den Nazis – in dieser Wiener Straße aufgewachsen waren, entschlossen sich, gemeinsame Sache zu machen: „Kraft unseres Alters, unserer Lebenserfahrungen und weil wir wissen, was Hunger bedeutet, erklären wir dieses Buffet für koscher.“ – „What did they say?“, fragte Anka Muhlstein ihren Mann, der auch Deutsch versteht. Louis Begley übersetzte, mit Blick auf Ari Rath und Eric Pleskow, die Koscher-Erklärung. Und alle Anwesenden griffen daraufhin dankbar zu.
Nächster Ehrengast bei „Literatur im Nebel“ am 27. und 28.3.2020 ist der chinesische Schrifsteller Liao Yiwu.