Kommentar von Martin Engelberg
Einfach war die Beziehung zwischen Europa und Israel nie. Dabei ist das historische Israel eine der Wiegen der europäischen Kultur und umgekehrt hat die Mehrheit der Bevölkerung des modernen Israels europäische Wurzeln. Der grassierende Antisemitismus in Europa mit der Schoa als traurigem Höhepunkt war eine wichtige Ursache für den Zionismus, des Wunsches der Juden nach Rückkehr in das gelobte Land und der Schaffung eines jüdischen Staates. Obwohl geografisch ein Teil Asiens, ist Israel, von Anfang an, in jeder Hinsicht sehr eng mit Europa verbunden – politisch, kulturell und wirtschaftlich. Bekanntlich nimmt Israel an europäischen Sportbewerben und auch (sehr erfolgreich) am Eurovision Song Contest teil. Die 76-jährige Geschichte Israels ist dennoch gekennzeichnet von heftigen Höhen und Tiefen in den Beziehungen zu den europäischen Ländern und der EU.
Die USA als auch die Sowjetunion unterstützten zwar die Staatsgründung 1948, dennoch waren vor allem Frankreich und auch Großbritannien bis zum Sechstagekrieg 1967 die engsten Verbündeten Israels. Die im Zuge dieses Kriegs erfolgte Eroberung des Westjordanlandes, der Golanhöhen und der Halbinsel Sinai mit dem Gazastreifen, verursachte eine markante Zäsur: Israel hatte zwar einen glorreichen militärischen Sieg errungen und sich aus der engen Einschließung durch die arabischen Nachbarstaaten etwas befreit. Aber die Sowjetunion und alle Staaten des Warschauer Paktes (außer Rumänien) brachen die diplomatischen Beziehungen zu Israel ab.
Im Nachgang des Jom-Kippur-Kriegs von 1973 verschärften die arabischen Staaten den Boykott Israels und die OPEC verhängte ein totales Öl-Embargo über alle Staaten, die Israel bisher unterstützten. Die Ölpreise explodierten und verursachten eine weltweite Wirtschaftskrise. Eine Allianz der Sowjetunion und ihrer Satelliten mit den Ländern der „Dritten Welt“ und den arabischen Staaten begann Israel in den internationalen Organisationen zu boykottieren und zu sanktionieren. Ein erster Höhepunkt war die notorische UNO-Resolution 3379, welche den Zionismus als eine Form des Rassismus bezeichnete. Die oft himmelschreiende Ungleichbehandlung Israels in den UNO-Organisationen hält bis heute an. Leider oft auch unterstützt, oder zumindest geduldet von europäischen Staaten.
Im Jahr 1975 schloss die EWG zwar ein erstes Freihandelsabkommen mit Israel, aber erst im Jahr 2000 kam es zu einem umfassenden Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Israel, welches den Handel weitgehend liberalisierte und den Austausch auf allen Ebenen ermöglichte. So sind die Staaten der Europäischen Union Israels wichtigste Handelspartner. Ein Beitritt Israels zur EU wurde zwar früher manchmal angedacht, wurde in den vergangenen zirka 15 Jahren jedoch nicht weiterverfolgt.
Das Assoziierungsabkommen steht jedoch bis heute im Schatten der politischen Beziehungen zwischen der EU und Israel. Gefordert wird eine Zweistaatenlösung mit den Grenzen von vor dem Sechstagekrieg als Ausgangspunkt und einer Teilung Jerusalems. Eine formale Anerkennung Palästinas als Staat wird zwar immer wieder angedroht, bisher hat dies aber nur Schweden tatsächlich durchgeführt.
Die Siedlungen im Westjordanland werden als illegal angesehen. Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2010 sollte Israel hinkünftig zwingen, Waren aus dem Westjordanland eindeutig als solche zu kennzeichnen, wodurch sie nicht mehr unter das Freihandelsabkommen fallen würden. Als Reaktion darauf suspendierte Israel sukzessive den diplomatischen Dialog mit der EU in verschiedenen Foren. Eines der wichtigsten Instrumente, der Assoziationsrat, tagt seit Jahren nicht mehr. Erst im Oktober 2022 gab es zaghafte Versuche einer Wiederbelebung.
In den vergangenen Jahren ist unter den EU-Staaten eine zunehmende Spaltung in Bezug auf Israel festzustellen. Extrem israel-kritisch sind Länder wie Irland, Frankreich, Belgien, Schweden und Spanien, wie sich auch an deren Haltung im Nachgang der Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023 zeigte. Demgegenüber hat sich zunehmend eine Gruppe von EU-Staaten gebildet, die sich klar solidarisch mit Israel positionierten. Dazu zählt inzwischen auch Österreich, neben Tschechien und Ungarn, aber – je nachdem – auch Länder wie Deutschland, die Niederlande, Kroatien, Rumänien und Bulgarien.