King David

Ein 20-Jähriger hat sich massiv am Volkertmarkt eingekauft. Und macht ihn wieder Stand für Stand jüdischer. Beziehungsweise bucharisch.
Von Rainer Nowak (Text) und Verena Malgarejo (Fotos)

Er hat nicht nur Freunde in der näheren Umgebung, was in Österreich ein untrügliches Zeichen für Erfolg sein dürfte: Der „König vom Volkertmarkt“ nannte ihn das Onlineportal der Tageszeitung „Der Standard“ und man bemerkte beim Lesen: Ganz geheuer ist David Moshaev der Autorin auch nicht. Das ist nicht ganz unverständlich. Denn welcher 20-Jährige kauft sich einen halben Markt? Noch dazu auf Kredit, wie der Wahlwiener – er kam als Kind, ging als Jugendlicher nach Israel und kam dann wieder zurück, wie er dem „ Standard“ verriet.

Moshaev hat mehrere Stände gekauft: unter dem nicht übertrieben bescheidenen Namen King David und einprägsamen Logo mit Davidstern. Damit begann er vor mehr als einem Jahr, ein Grill-Restaurant namens „Buchara Palace“, eine koschere Fleischerei und eine Bäckerei folgten. Mit dem Obst- und Gemüsehandel lief es bisher nicht schwieriger, wie man am Markt hört. Dort sagt man auch, dass die Expansion von König David ein bisschen schnell verlaufe und sich die alteingesessenen Händler überfahren fühlen. Allerdings passiere immerhin etwas und jemand gebe Geld aus. Sonst stehen viele Geschäfte in der Gegend leer.

Die Familie Moshaev ist auch an anderen Enden präsent: Das Naschmarktbeisl gehört ihr etwa. Dass es einen Markt für jüdische Produkte – also vor allem koscheres Fleisch – gibt, steht fest: Die großteils bucharischen Juden der näheren Umgebung kaufen auf dem Markt ein, der vor 1938 schon viele jüdische Kunden hatte. Moshaev macht nun weiter, mit einem völlig neuen jüdischen Markt.

Der Volkertmarkt begann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als „wilder“ Markt: Die Gärtner der bestehenden Gemüse- und Kräutergärten erreichten illegale Stände. Der Name des Volkertmarkts leitet sich von Graf Volckhra ab. Dem gehörte im 18. Jahrhundert die Gegend, wo sich heute der Markt befindet. Die ganze Gegend hieß deswegen ursprünglich bis 1872 „am Volkert“.

1920 erreichte er seine heutige Größe. 2000 wurde er saniert und – verkleinert – neu eröffnet, viel ist davon bei einem Besuch nicht mehr zu bemerken, für viele Stadtbewohner, denen der Karmelitermarkt zu schick ist, wird er zunehmend interessant.

Im November 2005 wurde dort die „Straße der Erinnerung“ eröffnet: 1585 Namen jüdischer Frauen und Männer (sowie das jeweilige Geburtsdatum, der Ort der Deportation und, soweit bekannt, das Todesdatum), die aus dem Volkertviertel verschleppt und ermordet wurden, sind auf ebenso vielen Pflastersteinen verzeichnet. Aus den Deportiertenlisten wurden vorwiegend Opfer ausgewählt, die keine überlebenden Angehörigen hatten. Über 3500 Menschen jüdischen Glaubens wurden allein im Volkertgrätzel von den Nationalsozialisten ermordet.

Nicht weit entfernt davon bastelt 2010 David Moshaev an seinem jüdischen Lebensmittel-Imperium.

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