Von Martin Engelberg
Irgendwie wühlt mich die Kandidatur von Barbara Rosenkranz bei den bevorstehenden Bundespräsidentschaftswahlen nicht wirklich auf. Was aber ist der Grund für meine Gelassenheit?
Meine relative Indifferenz lässt sich nicht in der Person Rosenkranz begründen. Sie ist eher unheimlich. Nicht, dass sie mit deftigen Aschermittwoch- Reden oder Auftritten vor SS-lern aufgefallen wäre. Ganz im Gegenteil – Barbara Rosenkranz ist das biedere, freundliche Gesicht der FPÖ- Rechten. Ihre politischen Statements kommen immer getarnt daher, in Perfektion – sie ist die Implizitissima.
Seinen zehn Kindern u. a. Namen wie Sonnhild, Hildrun, Mechthild und Wolf zu geben, ist wie ein politisches Programm. Sie ist mit einem Mann verheiratet, der Funktionär der Nationaldemokratischen Partei (NPD) war, die wegen Verstoßes gegen das Verbotsgesetz vom Verfassungsgerichtshof aufgelöst wurde. Ein Mann, der schon einmal in seiner Zeitschrift Äußerungen zum Besten gab wie: „Der alte Traum der Kosmopoliten, mithilfe des Geldes den Bibelauftrag, die ganze Welt zu beherrschen, zu verwirklichen, scheint mit dem Instrument der Globalisierung in greifbare Nähe gerückt zu sein.“
Barbara Rosenkranz hat sich vom politischen Wirken ihres Mannes nie distanziert und reagiert ungehalten, wenn sie darauf angesprochen wird, weil sie nur aufgrund ihres eigenen politischen Handelns beurteilt werden möchte. Aber seine Artikel würde sie schon lesen und auch Punkte und Beistriche korrigieren, sagte sie einmal. So so.
Alle Österreicher ihrer Generation verstanden ihre Aussage zur Frage der Existenz von Gaskammern und Konzentrationslagern in der Nazizeit sofort: Sie hätte nur das Wissen eines Österreichers, der zwischen 1964 und 1976 in österreichischen Schulen war, sagte Rosenkranz. Wir alle wussten, was sie damit meinte: Das in unserer Zeit in den Schulen vermittelte Wissen war mit dem berühmten Bild der drei Schimpansen erschöpfend zusammengefasst: Wir haben nichts gesehen, wir haben nichts gehört, wir sagen nichts.
Dann aber geschahen jedoch, für Österreich, recht verwunderliche Dinge: Barbara Rosenkranz und die FPÖ gerieten mit diesen Aussagen völlig in die Defensive. In allen Zeitungen, in Radio und Fernsehen wurde Rosenkranz sehr kritisch interviewt und ihre bisherigen Antworten naserümpfend kommentiert. Die führenden Exponenten aller anderen Parteien und nicht nur, wie früher, deren bewährte Antifaschisten, bis hin zu Kardinal Schönborn distanzierten sich klar und deutlich von Rosenkranz – sie und die FPÖ waren zu den Schmuddelkindern Österreichs geworden.
Seither hechelt Rosenkranz den Entwicklungen peinlich hinterher, entringt sich immer deutlichere Aussagen zur Nazizeit und zur millionenfachen Ermordung von Juden und kriecht schließlich sogar – als Gipfelpunkt der Demütigung – gegenüber dem „Kronen Zeitung“-Herausgeber zu Kreuze und gibt servil die gewünschte eidesstattliche Erklärung ab.
Was für ein Unterschied zu früher! Für mich manifestiert sich damit eine – wenn vielleicht auch späte, langsame, schleichende – aber dennoch deutliche Veränderung in Österreich. Es war keine spektakuläre Handlung eines einzelnen Politikers, wie der Kniefall Willy Brandts in Warschau oder die Rede von Vranitzky in Israel. Auch sind die Alt-, Neo-, Keller- und sonstige Nazis nicht aus Österreich verschwunden und werden sich SPÖ und ÖVP auch in der Zukunft mit der notwendigen Abgrenzung diesem Lager gegenüber schwer tun.
Bei jeder Gelegenheit vor der drohenden Wiederkehr der Nazizeit zu warnen, macht jedoch keinen Sinn. Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich. Wir verfügen heute über ein differenzierteres Wissen über die Entstehung politischer Fehlentwicklungen in Gesellschaften und deren Prävention. Dies sind vor allem: Unbedingte Gewährleistung stabiler demokratischer Verhältnisse, klare Abgrenzung gegenüber Populisten und Extremisten und Verhinderung, dass diese in Machtpositionen gelangen, gleichzeitig jedoch genaues Beobachten und Beachten der von diesen aufgegriffenen politischen Themen.
Potenzielle Nazis gibt es in jeder Gesellschaft zu jeder Zeit. Wichtig ist, dass sie von Macht ferngehalten werden und gesellschaftlich abgegrenzt, Außenseiter bleiben. Bei Barbara Rosenkranz scheint mir beides gewährleistet – das macht mich wohl ihrer Kandidatur gegenüber so gelassen.