Wer bei der Partnersuche Hilfe benötigt, braucht jemanden mit Menschenkenntnis und Gefühl. Und manchmal mit einigen dicken Mappen.
In der wunderbaren romantischen Komödie Crossing Delancey aus dem Jahr 1988 soll die 30-jährige Buchhändlerin Isabelle (gespielt von Amy Irving) nach dem Wunsch ihrer Großmutter heiraten. Die Großmutter heuert eine Schadchanit, eine jüdische Heiratsvermittlerin an, die aus dem Repertoire der Junggesellen den Gurkenhändler Sam hervorzieht, worüber Isabelle alles andere als begeistert ist. Die Konversation der drei Damen auf einer Parkbank in der Lower East Side von Manhattan steht stellvertretend für die Vorstellung eines jüdischen Matchmakings.
Ein Schadchan oder eine Schadchanit sorgt für einen Schidduch (hebr. vorstellen, verhandeln). Das ist ein Arrangement, bei dem zwei Menschen einander vorgestellt werden, in der Hoffnung, dass sie zusammenpassen und miteinander glücklich werden.
In der Tora wird als erster Schadchan der Knecht von Abraham, Elieser, genannt. Er suchte für seinen Sohn eine passende Ehefrau und fand Rifka (Rebecca).
Wie funktioniert heute ein Schidduch? Braucht man heute noch Schadchanim? Dieser Frage wollten wir nachgehen. Nach zahlreichen Telefonaten finde ich Chana, die bereit ist, mit mir darüber zu sprechen, wie in der bucharischen Wiener Gemeinde das Zusammenbringen von zwei Menschen funktioniert. Hier hat sich vor einigen Jahren, lange vor der Zeit des Internet, eine Gruppe von Mitgliedern zusammengetan, um diese Aufgabe zu übernehmen. Am Anfang stand die Jugendorganisation „Club Chai“ von Golan Yonatan, der durch seine Aktivitäten bereits einen umfangreichen Überblick über ledige und heiratswillige Jüdinnen und Juden hatte.
Chana führt mich in ihr Büro im hinteren Bereich eines geräumigen Geschäfts in der Taborstraße und zeigt mir einige dicke Mappen, aufgeteilt für männliche und weibliche Bewerber. Bevor die Informationen über die Anwärter in diese Mappen gelangen, füllt jeder und jede einen Fragebogen aus, der auch online verfügbar ist und in dem auch alle Vorstellungen über die künftige Partnerin bzw. den künftigen Partner einzutragen sind. Wo möchte man künftig leben, wie religiös soll das Leben ausgerichtet sein, wünscht man sich Kinder oder nicht, möchten beide Partner arbeiten, etc. Mit Fotos, versteht sich. Golan meint, dass dieser Fragebogen auch dazu dient, dass man etwas über sich selbst herausfindet und über sein Leben reflektiert. Man muss erst einmal selbst wissen, was man möchte.
Konversation statt Körbe
Woher weiß man, dass zwei Menschen zusammenpassen? Chana meint, dass sie und ihre Freunde von „MiLev Lelev“ (von Herz zu Herz), wie ihre Gruppe heißt, eine gute Menschenkenntnis und ein besonderes Gefühl für die Situation haben. Golan wiederum betont die Wichtigkeit der Motivation – oft kommen auch Menschen, die bereits einen oder mehrere Körbe bekommen haben. Und man müsse erklären, wie bei einem Date die Konversation funktioniert. Wichtig sei, dass man die Suchenden darauf aufmerksam macht, welche Voraussetzungen für eine Ehe von Bedeutung sind. „Da fragt man sich manchmal, wo hier die Liebe ist“, meint Golan. Aber niemand dürfe mit falschen Voraussetzungen in eine Beziehung gehen. Er selbst spricht aus Erfahrung. Er war fünf Mal verlobt, bis es gepasst hat.
Die Gruppe fädelt das Treffen ein und arrangiert, dass das Rendezvous an einem der Feiertage oder Feste stattfinden kann bzw. stellt einen Ort für das erste Get-together zur Verfügung. Denn wenn ein Treffen nicht erfolgreich verläuft, wünschen sich die beiden Betroffenen, dass dies nicht in aller Öffentlichkeit bekannt wird. In Israel oder in den USA, wo die jüdischen Gemeinden groß sind, gibt es eine ebenso große Auswahl an Orten als Treffpunkte. Das ist in Wien gar nicht so einfach. Hier trifft man sich lieber an „entlegenen“ Orten, weit weg von jüdischen Einrichtungen und anderen Mitgliedern der jüdischen Gemeinde. In den meisten Fällen, besonders bei jungen Leuten, müssen zunächst auch die Eltern eingebunden werden und ihre Zustimmung zum Treffen geben.
In der bucharischen Gemeinde gibt es einen großen Überhang an Burschen, hier muss man über die Wiener Gemeinde hinausgehen. Mittlerweile sind viele Ehen erfolgreich geschlossen. In der Kartei finden sich immer etwa 200 zu vermittelnde Frauen und Männer. Für ihre Schidduchim nehmen die Schadchanim dieser Gruppe kein Geld, sie erfüllen diese wichtige Aufgabe ehrenamtlich. Wenn ein Paar etwas geben möchte, dann wird es als Spende für eine karitative Organisation verwendet. In Wahrheit sei aber jeder ein Schadchan, meint Golan: eine außenstehende Person, die nicht durch Liebe und Schönheit geblendet oder abgelenkt ist und die Dinge klar sieht. Es gehört nur Chuzpe dazu.