Der aktuelle Bericht über Rassismus in Österreich ist besorgniserregend. Gleichzeitig droht der Dokumentations- und Beratungsstelle ZARA aus finanziellen Gründen das Aus.
Von Saskia Schwaiger
„Frau B. ist Türkin und wird im März 2002 in der Straßenbahn von einem fremden Mann gewürgt und geschlagen. Er bricht Frau B`s Finger und fügt ihr eine Schädelprellung zu. Andere Fahrgäste machen keine Aussage oder geben vor, nichts gesehen zu haben. Im Krankenhaus erstattet man keine Anzeige.“ Der Vorfall ereignete sich in Wien und ist nur einer von insgesamt 170 dokumentierten Fällen von rassistischer Diskriminierung, die im Jahr 2002 in Österreich stattgefunden haben. Der gemeinsame Nenner: Alle Betroffenen wurden zu Opfern aufgrund ihrer Hautfarbe, Sprache, ihres Aussehens, ihrer Religion oder Staatszugehörigkeit.
Der aktuelle „Rassismus-Report 2002″, der alljährlich vom Verein ZARA („Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit“) herausgegeben wird, erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, denn alle Einzelfälle, die in dem 64-seitigen Konvolut dokumentiert sind, sind nur ein Bruchteil der tatsächlichen Ereignisse, betonen die Studien-Macher. ZARA arbeitet eng mit verschiedenen Beratungsstellen zusammen (u.a. Fair Play, Integrationshaus, Forum gegen Antisemitismus), die ihre Informationen über rassistische Vorfälle weitermelden.
Auffallend ist beim dritten Rassismus-Report jedoch, dass sich Vorfälle von körperlicher Gewalt in der Öffentlichkeit häufen. „Es ist ein Trend bemerkbar, den wir aus Deutschland kennen. Wir müssen darauf gefasst sein, dass dieser Trend nach Österreich herüberschwappt“, prognostiziert Verena Krausneker, Vorstandsmitglied des Vereins ZARA. Die gelernte Sprachwissenschafterin ist über einen zweiten Trend beunruhigt, der vor allem in Wien enorm zugenommen hat: rassistische Schmierereien an Hausmauern oder Busstationen. „Vom Spruch ,Nigger raus‘ bis hin zu physischen Übergriffen ist es nicht weit“, so Krausneker. „Die Hemmschwelle ist in der letzten Zeit offenbar gesunken“. Auch Einzelfälle von Antisemitismus sind dokumentiert, so Krausneker, „aber Antisemitismus wird noch stärker tabuisiert und daher selten gemeldet.“
ZARA dokumentiert nicht nur, der Verein berät, interveniert und begleitet. Die Beratungsteams (ein Jurist, ein juristischer Berater, eine Sozialarbeiterin) unterstützen Opfer von Rassismus – bei betroffenen Personen oder Institutionen werden Stellungsnahmen eingefordert. Seit drei Jahren arbeitet der Verein (mit Unterstützung des Wiener Integrationsfonds und mit Spendengeldern) hart am Limit der Selbstausbeutung. Die Berichte werden als Informationsquelle gern zitiert, unter anderem von der EU-Beobachtungsstelle für Rassismus, doch aufgrund ihrer prekären finanziellen Lage sehen sich die ZARAs nun im Mai endgültig gezwungen, die Beratungsstelle zu schließen, wenn sich nicht überraschend eine neue Finanzierungsmöglichkeit erschließt. Es wäre das unrühmliche Ende eines engagierten, auch politischen Kampfes um gesetzliche Regelungen gegen Rassismus.
Denn derzeit gibt es – außer dem Strafgesetz – kaum eine Handhabe gegen Rassismus, geschweige denn so etwas wie ein Antidiskriminierungsgesetz. Bis 13. Juni dieses Jahres wird die Bundesregierung jedoch tätig werden müssen. Bis dahin muss nämlich eine EU-Richtlinie umgesetzt werden, die die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied auf Rasse und ethnische Herkunft vorsieht. Der Eifer der Regierung hält sich bisher in Grenzen: Bis dato wurde lediglich eine interministerielle Arbeitsgruppe nominiert, die Vorschläge für die Umsetzung erarbeiten soll.
Weitere Informationen: www.zara.or.at