Von Axel Reiserer
In das Londoner Savoy geht man nicht wie in irgendein Hotel, hier tritt man ehrfürchtig ein wie in einen Tempel. Von der Nobelstraße The Strand nach hinten versetzt liegt das Haus in bester Innenstadtlage an der Themse. Die bekanntesten Theater der Stadt sind in unmittelbarer Nähe. Eines davon ist das Savoy Theatre, dessen Gründung 1889 erst den Anstoß für die Schaffung des gleichnamigen Hotels im selben Gebäudekomplex gab. Theaterbesuchern wollte man ein „Zuhause außerhalb vom Zuhause“ bieten. Das Konzept ging auf. Gestaltet im Stil des Art déco wie das benachbarte Theater und ausgestattet mit verschwenderischem Luxus auf dem letzten Stand der Technik, wurde das Savoy zu einem Magneten für die bessere Gesellschaft. Hier stiegen Sarah Bernhardt oder Nellie Melba ab, nächtigten und hielten Hof. Aber auch Winston Churchill war zeit seines Lebens ein großer „Savoyard“, der mindestens einmal in der Woche in das Hotel kam. Später gehörten Stars wie Bing Crosby, Gary Grant, John Wayne, Fred Astaire und Marilyn Monroe zu den Gästen und in jüngster Zeit Sean Connery, Catherine Zeta-Jones, Goldie Hawn und Bill Murray.
In diesem Tempel des Luxus wurde seit jeher der Küche besondere Bedeutung beigemessen. Der erste Küchenchef im Gründungsjahr 1889, der Franzose Auguste Escoffier, wurde in seiner Zunft zur Legende. Heute liegt sein Originalkochbuch in den Händen eines Österreichers: Georg Fuchs ist seit vergangenem September Herr über derzeit knapp 80 Mitarbeiter in der Küche des Savoy, wo allein jeden Abend bis zu 3.000 Gerichte à la carte zubereitet werden.
Georg Fuchs sitzt in seinem schmucklosen Büro, von dem aus er die Großküche wie ein Kapitän sein Schiff von der Brücke aus überblicken kann. Eben erst hat er Karotten geschnitten. Immer noch greift er selbst zu Kochlöffel und Messer. „Kochen ist Handwerk“, sagt er, „Kreativität kommt nur aus handwerklichem Können.“ Von der so modernen Verklärung des Kochhandwerks zum Kunstwerk hält er wenig: „Kunst ist etwas Einmaliges, wir hingegen haben Rezepte und können danach ein Gericht beliebig oft wiederholen.“ Eine Revolution will er den Gästen des Savoy
nicht zumuten. „Oft wird die Arbeitskleidung des Kochs zu einem Kostüm und die Küche zur Bühne. Dann wird das Essen sekundär.“ Für Fuchs hingegen hat Qualität absolute Priorität. Wo er einkaufen geht, wer seine Lieferanten sind, das hütet er selbst vor einem Unbekannten wie ein Staatsgeheimnis. Dass es nicht an Aufwand mangelt, lässt er aber schon durchblicken: „Manche meiner Lieferanten sind 2.000 Kilometer weit weg.“ Was sie bringen, verrät er nicht. Aber er stellt sicher, dass es in allerbestem Zustand ist. Wenn auch nur das Beste gut genug ist, heißt das noch lange nicht, dass nur das ausgefallenste, komplizierteste, teuerste Gericht das beste ist. „Für mich ist jedes Essen gut, solange es mit Sorgfalt zubereitet ist“, meint Fuchs. „Nur liebloses Kochen hasse ich.“
Londoner Restaurantkritiker wie etwa Mario Wyn-Jones schreiben, dass Fuchs eine „klassische“ Küche auf hohem Niveau führe. Zu Fuchs‘ aktuellen Lieblingskreationen gehören Wachtel im Nest mit Mousse von der Gänseleber, warm geräucherter Hering, Knoblauchlamm in Rotwein oder Pates Thai. Und was isst er in seiner Freizeit? „Ich liebe Käsekrainer.“
Vielleicht liegt für Fuchs in diesem doch eher weniger raffinierten Gericht auch eine Erinnerung an seine Heimat. Seit Jahrzehnten schon arbeitet der 52-jährige Steirer im Ausland. Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Ungarn, Südafrika und ein Schiff der Viking Line gehören zu seinen Stationen. „In meiner Jugend war Koch fast ein Modeberuf. Und es ist ein Beruf, mit dem man die Welt kennen lernen kann. Ich bin ja ein bisschen ein Kind der Sechzigerjahre“, sagt Fuchs, grinst und macht das „Peace“-Zeichen.
Besonders gute Erinnerungen hat Fuchs an Israel, wo er einige Jahre im legendären Jerusalemer Hotel King David kochte, unter anderem für den ehemaligen Staatspräsidenten Ezer Weizman. Vor allem aber lernte er dort seine Frau kennen: „Es war Liebe auf den ersten Blick.“ Bis heute sind sie verheiratet, obwohl Fuchs sein berufliches Wanderleben schließlich fortsetzte. „Frauen von Köchen sind Superfrauen. Sie halten alles zusammen trotz schwieriger Umstände wie etwa unserer Arbeitszeiten.“
In Israel entwickelte Fuchs auch eine große Begeisterung für die koschere Küche. „Hier gibt es viel zu entdecken. Das kann eine sehr vielseitige Küche sein.“ Die größte Herausforderung sieht er darin, adäquate Alternativen zu finden: „Statt Butter kann man etwa besonders gutes Öl verwenden. Das ist nicht nur besser, sondern auch gesünder.“ Für viele seiner Rezepte habe er auch eine koschere Variante erarbeitet. Die Nachfrage danach ist im Savoy „stark“, wie Fuchs sagt. Viele jüdische Festessen und Feiern werden in einem der prachtvollen Veranstaltungsräume abgehalten. In der Küche gibt es selbstverständlich einen eigenen koscheren Bereich. Fuchs‘ Ziel ist es dabei, das koschere Essen so „kreativ und innovativ“ wie den übrigen Bereich seiner Küche zu gestalten. „Ich mag koscheres Kochen, denn es ist gemeinschaftliches Kochen.“
Und richtig gut ist es, wenn man die Gerichte nachher auch gemeinsam genießt. Beté avon!