Bundespräsident Heinz Fischer erklärt NU, warum eine Gegenüberstellung mit Barbara Rosenkranz für ihn keinen Sinn macht, welche Rolle die jüdische Familiengeschichte seiner Frau für ihn spielt und wo Österreich dazulernen kann.
Die Fragen stellte Barbara Tóth
NU: Herr Bundespräsident, was ist einfacher: ein Wahlkampf als Amtsinhaber ohne Gegner oder einer mit Gegnern?
Fischer: Ich habe noch nie einen Wahlkampf ohne Gegner geführt und ich werde wohl auch nie einen führen. Daher stellt sich diese Frage – sowie die Dinge derzeit liegen – nicht.
Ihre gewichtigste Gegnerin im Wahlkampf stammt aus der rechtesten politischen Ecke. Ist das nicht beschämend für Österreich, dass Sie sich mit einer solchen Kandidatin messen müssen?
Ich kann mir nicht aussuchen wer die Mitbewerber/innen sind und das konnten sich auch frühere Bundespräsidenten nicht aussuchen. Denken Sie daran, dass zum Beispiel Norbert Burger ein Gegenkandidat zu Rudolf Kirchschläger war. Was mir wichtig ist, ist, bei der Wahl eine klare Mehrheit zum Nutzen unseres Landes zu bekommen.
Ihre Frau hat jüdische Wurzeln. Herr Rosenkranz ist ein landesbekannter Rechtsextremer. Was sagt das über unser Land?
Diese Gegenüberstellung macht keinen Sinn. Was mir viel wichtiger und entscheidend erscheint, ist die Tatsache, dass bei der letzten Präsidentenwahl ein sozialdemokratischer Kandidat, dessen Schwiegervater im KZ war und dann nach Schweden emigrieren musste, zum Bundespräsidenten gewählt wurde, und dass sich gerade meine Frau in den letzten fünf Jahren in allen Schichten der Bevölkerung sehr viel Anerkennung erworben hat.
Wenn Sie an die letzten sechs Jahre zurückdenken – was war die größte Herausforderung?
Die Aufgaben des Bundespräsidenten lassen sich im Grunde nicht in Einzelteile und einzelne Herausforderungen zerlegen, aus denen man dann die „größte Herausforderung“ herausfiltern kann. Der Bundespräsident hat eine Gesamtaufgabe, nämlich mit Hilfe seiner verschiedenen Befugnisse darauf hinzuwirken, dass sich das Land stabil, friedlich, demokratisch und verfassungskonform entwickeln kann, und gleichzeitig diese Republik im In- und Ausland bestmöglich zu vertreten. Am ehesten muss man in diesem Zusammenhang wahrscheinlich die beiden Regierungsbildungen nach den Wahlen von 2006 und 2008 erwähnen, aber auch den österreichischen EU-Vorsitz im ersten Halbjahr 2006. Aber auch die großen Staatsbesuche mit mehr als 100-köpfigen Delegationen aus den Bereichen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft in China oder in Indien oder in Brasilien könnte man als große Herausforderungen bezeichnen, wobei ich ergänzend sagen will, dass ich auch die Alltagssorgen vieler Menschen, denen ich begegne, als Herausforderung betrachte.
Was würden Sie anders machen?
Ich überlege mir alle meine Entscheidungen sehr sorgfältig, sodass ich im Nachhinein keinen echten Korrekturbedarf habe. Auch Politiker anderer Parteien ringen sich ja zumindest zu der Feststellung durch, dass der Bundespräsident in den letzten sechs Jahren „keine ernsthaften Fehler“ gemacht hat. Auch die Unterzeichnung des Lissabon-Vertrages in Übereinstimmung mit den Beschlüssen von Bundesregierung, Nationalrat und Bundesrat im April 2008 war absolut verfassungskonform und richtig. Und wenn von bestimmter Seite gesagt wird, ich hätte es wenigstens so machen sollen wie der deutsche Bundespräsident Köhler, nämlich zuerst den Verfassungsgerichtshof anrufen und erst dann unterschreiben, dann wird damit nur bewiesen, dass Leute, die solche Positionen vertreten, die österreichische Bundesverfassung nicht kennen. Denn zum Unterschied zu Deutschland ist in Österreich die Anrufung des Verfassungsgerichtshofes nur möglich, wenn ein Gesetz oder Staatsvertrag vorher kundgemacht wurde, was wiederum die Unterschrift des Bundespräsidenten voraussetzt.
Was wollen Sie in den nächsten sechs Jahren in Österreich verändern? Woran mangelt es uns, ganz allgemein gesprochen?
Zuerst ist vielleicht anzuführen, was sich in den nächsten sechs Jahren in Österreich nicht verändern soll: Wir wollen ein stabiles, demokratisches Land bleiben. Wir wollen den sozialen Frieden erhalten, wir wollen die guten Beziehungen zu unseren Nachbarstaaten beibehalten, wir wollen, dass der Sozialstaat und das System der sozialen Sicherheit stabil bleibt, und ich will auch, dass Österreich ein sicheres und liebenswertes Land bleibt. Wo wir uns besonders anstrengen müssen, das ist die Bildungs- und Wissenschaftspolitik, wir müssen im Umgang mit fremden Kulturen, fremden Sprachen und anderen Zivilisationen noch dazulernen, wir müssen die politische Kultur in Österreich verbessern. Demokratie ist immer unvollendet.
Leon Zelman hat viele Juden, die Wien besuchten, in die Hofburg zu Ihnen gebracht. Wie sollen sich solche Initiativen jetzt, da die Generation der Zeitzeugen leider bald nicht mehr unter uns sein wird, weiterentwickeln?
Ich kann mich an die Besuche von Gästen in der Hofburg im Rahmen des Jewish Welcome Service in Anwesenheit von Leon Zelman sehr gut erinnern und habe mit diesen Besuchen immer große Freude gehabt. Der Tod von Leon Zelman ist ein unwiederbringlicher Verlust, aber ich habe seither festgestellt, dass diese Aktion weiterlebt und weiterfunktioniert, wobei die Teilnehmer im Durchschnitt eigentlich nicht älter werden, weil in immer größerer Zahl auch die Kinder- und Enkelgeneration unter den Besuchern vertreten ist.
Abschließende Frage: Haben Sie den Film „Inglourious Basterds“ gesehen?
Leider habe ich diesen Film noch nicht gesehen.