Von Georg Herrnstadt
Dies ist kein Kommentar, dazu fehlt mir im Moment die Distanz. Schon gar nicht sind die nächsten Zeilen eine Analyse, zu plump meine Ansicht, dass auf beiden (allen) Seiten kriegsinteressierte Verbrecher ihre kleinen Völker in Geiselhaft genommen haben. Ganz wenige profitieren vom Krieg, sie sind am Ruder, hüben wie drüben.
Dies ist eine Selbstkundgabe: Ich bin so wütend, so erschüttert, unbändig zornig und zugleich über alle Maßen traurig. In alttestamentarischer Notwehrüberschreitung, wenn es denn Notwehr ist, zerbombt das israelische Militär hunderte Menschen und all ihr Dasein als Antwort auf die Entführung zweier Soldaten. Die Frage, ob die Opfer „unschuldig“ sind oder etwa doch Sympathisanten ist empörend nebensächlich. Denn hunderte junge unschuldige Überlebende werden durch diese Gewalttaten zu neuen Rekruten für die Hisbollah.
Israelische Notwehrüberschreitungen und Demütigungen haben Geschichte und Methode. Dem Frieden haben sie nie gedient. Erst die israelische Kriegspolitik gegenüber dem Libanon schuf 1982 die Hisbollah. Ich empfinde empathische Wut mit den Gedemütigten. Menschen ohne jede Hoffnung sind der Garant für neue Gräueltaten. Wer hat daran Interesse? Für einen abgeschlagenen Kopf wachsen der Hisbollah wie der Hydra zwei neue nach.
Mich erzürnt auch die gängige Terminologie: Wer sind die Terroristen, wer diejenigen, die bloß ihre Lebensrechte verteidigen? Einen langen Tunnel unter einer schändlichen Mauer zu graben und einen Soldaten zu entführen ist zwar ein grausamer, aber ein militärischer Akt. Mit Bomben 60 Zivilisten in Wohnhäusern zu töten, ist Terrorismus.
Ich weiß auch vom Terror der Palästinenser. Manchmal denke ich leider auch an Heinrich Heines Ende der Disputation: „… eines will mich schier bedünken, dass der Jude wie der Christ (in diesem Fall der Moslem), dass sie alle beide stinken.“ Dann schäme ich mich ein wenig. Ich weiß, es war naiv, aber ich habe immer gehofft, dass (m)ein Volk mit dieser Geschichte der Verfolgung, Ermordung und Demütigung niemals fähig sein würde anderen kleinen Völkern ähnlich brutal zu begegnen. Einige meiner Verwandten gingen nach Palästina, um mit den Palästinensern ein neues Land aufzubauen. Auch naiv? Die traurige Wahrheit ist die Wirklichkeit. Dann bin ich auch verzweifelt.