Höchste Zeit für ein Porträt des Porträtkünstlers Peter Rigaud. Seine Fotografien unter dem Titel „Jude sein – Being Jewish“ sind noch bis 19. Juni im Jüdischen Museum Wien zu sehen.
Von Fritz Neumann (Text) und Verena Melgarejo (Fotos)
Auf einer Vernissage, wo sonst, sind einander Franz Hubmann und Peter Rigaud über den Weg gelaufen, zehn Jahre ist das her. Hubmann, der Doyen der österreichischen Fotografie, war schon ein sehr betagter Mann, und Rigaud, Jahrgang 68, war ein Jungspund. Doch nicht der Jungspund, der den Alten natürlich kannte und bewunderte, ergriff das Wort, sondern der Alte, dem der Jungspund völlig fremd war. „Sie müssen Fotograf sein“, konstatierte Hubmann. „Wie sind Sie darauf gekommen“, wollte Rigaud wissen. „Der Blick“, sagte Hubmann, „der Blick.“
Gute oder, wenn man so will, echte Fotografen erkennt man nicht an ihrer Kamera, sondern an ihren Augen. Rigaud ist ein solcher Fotograf. „Ich bin immer im Aufnahmemodus.“ Abschalten, das spielt es nicht oder nur sehr selten. Schließlich ist Rigaud ein geselliger Typ, und Gesellschaften regen ihn an, weil ihn der Mensch an sich anregt. „Die Porträtfotografie stand immer im Fokus meiner Arbeit“, sagt er. Immer, das heißt: seit der Initialzündung, einem Aufenthalt an der „School of Photographic Arts & Sciences“ am Institute of Technology in Rochester, New York.
Schon während seiner Schulzeit, übrigens Handelsakademie, hatte sich Rigaud, übrigens gebürtiger Salzburger, fürs Fotografieren interessiert. Doch in Rochester lernte er erstens Martin Parr kennen, den berühmten Magnum-Fotografen, und zweitens lernte er, dass Fotografieren mehr ist als nur die Betätigung eines Auslösers. „Fotografieren heißt immer auch einen Diskurs führen“, sagt Rigaud. Von Rochester ging’s an die Fotoschule Lette-Verein in Berlin, wo Rigaud just die Jahre 1988 bis 1991 verbrachte. Spannende Stadt, spannende Zeit. Manchmal denkt sich der Fotograf, er habe damals von der Wende zu wenig aufgenommen. Mag sein, das liegt daran, dass die Digitalität damals noch in recht weiter Ferne lag.
Mittlerweile ist auch Rigaud längst umgestiegen, so gerne er ab und zu noch immer, nun ja, herkömmlich fotografiert. Was die, auch von und in „Nu“ angeregte Serie „Jude sein – Being Jewish“ im Jüdischen Museum Wien betrifft, so hat Rigaud immerhin ein gutes Drittel der Porträts mit einer 8-mal-10-Inch-Planfilmkamera fabriziert. Nicht aus technischen Gründen, sondern einer bestimmten Arbeitseinstellung wegen. „Die Qualität wäre digital stets mindestens genauso gut. Aber das Arbeiten mit einer Planfilmkamera ist anders. Entschleunigt, konzentrierter. Digitalfotografie ist Schnellfeuern mit sofortigem Feedback. Großbildfotografie ist Handwerk und Abenteuer.“
Peter Rigaud, dessen familiäre Wurzeln sich über Deutschland nach Frankreich ziehen, ist Weltbürger und hat etliche Jahre, wie er sagt, „auf Wanderschaft“ verbracht. In New York und Cleeveland, nur zum Beispiel, hat er länger Station gemacht. Für „Profil“, „Stern“, „Spiegel“, „Geo“ und „Merian“, nur zum Beispiel, ist er unterwegs gewesen. In der Reportage und in der Reisefotografie, nur zum Beispiel, hat er sich einen Namen gemacht. Da wie dort freilich ist es schwierig geworden, prinzipiell und also finanziell, gibt er unumwunden zu. Das liegt auch an den Internet-Archiven, in denen sich milliardenweise Fotos stapeln, nicht nur gute Fotos, sondern schlicht und ergreifend alle Fotos.
Das widerspricht Rigauds Selbstverständnis. „Nicht die Verbreitung ist entscheidend, sondern das Editing, das Treffen einer Auswahl.“ Bei Porträts ist dieses Editing noch immer unumgänglich. Von jenen 42 Menschen, die er für das Projekt im JMW fotografierte, hat er geschätzte 4000 Bilder gemacht. „Die hätte ich alle ins Internet stellen können.“ Doch im Museum sind exakt 42 Fotos zu sehen. Vielleicht führt Rigaud deshalb keinen Blog, vielleicht ist er deshalb nicht auf Facebook. „Ich mache natürlich auch Werbung und PR“, sagt er. „Aber ich bin vor allem Fotojournalist.“ Und er ist ein Porträtkünstler, dem sich selbst Weltstars anvertrauen. Auf seiner, pardon pour l’expression, Abschussliste stehen: John Malkovich, Quentin Tarantino, Dennis Hopper, Roman Polanski, Elfriede Jelinek, Anna Netrebko und, und, und.
Wirklich sesshaft werden, das kann einer wie er wohl nicht. Seit fünf Jahren also pendelt Rigaud zwischen Wien und Berlin. Gut möglich, dass das Pendel künftig mehr Richtung Berlin ausschlägt, wo seine aus Peru stammende Frau Kozva lebt. In wenigen Monaten werden die Rigauds zu dritt sein. Das wird spannend, für Papa Peter sowieso, aber auch für Rigaud, den Fotografen. Bei beiden, beim Papa und beim Fotografen, dürfte sehr bald eine ganz spezielle Schnelligkeit gefragt sein. Doch davon ist schon auszugehen, dass Peter Rigaud alles im Blick behalten wird.