Der Zwiekommentar von Peter Menasse und Erwin Javor
Javor: Der türkische Botschafter sollte ein Vorbild für Aviv Shir-On, den israelischen Botschafter in Wien sein. Er hat den Minderheitennagel auf dem Kopf der Mehrheit getroffen. Wir Juden haben eine solche formidable Vertretung nicht.
Menasse: Was meinst du, dass er sagen sollte, der israelische Botschafter? Der türkische Vertreter wollte doch nur, dass die Österreicher die Türken mehr respektieren. Und da sehe ich bei uns kein Problem. Mich respektieren sie und dich kennen sie zu deinem Glück nicht so genau, dass sich dich schlecht behandelten.
Javor: Du verstehst mich überhaupt nicht. Ich meine, die Österreicher sollen endlich die schönen jüdischen Gebräuche nicht nur respektieren, sondern einfach zu den ihren machen. Dieses Schweinefleisch zum Beispiel: Fett, ungesund und vor allem trefe. Scholet und Kigels statt Burenwurst und Debreziner.
Menasse: Du meinst, es müssen jetzt alle zwei Küchen führen, für milchig und fleischig. Da könnten wir uns mit den Eiskasten- Produzenten verbünden. Schließlich würden sie doppelt so viele Geräte verkaufen als heute.
Javor: Außerdem sollten endlich alle Männer Kopfbedeckung tragen. In den kalten Regionen, wie zum Beispiel im Wald- und Mostviertel wäre das ein wichtiger Beitrag zur Volksgesundheit. Was sich da die maroden Krankenkassen an Grippemittel ersparen würden.
Menasse: Hutpflicht fürs Mostviertel finde ich gut. Allerdings hätten wir die Innung der Friseure gegen uns, wenn wir vorschlügen, dass die Männer Bärte tragen und sich Schläfenlocken wachsen lassen sollen.
Javor: Aber bedenke doch: Wenn sich niemand mehr rasiert, wird viel Zeit erspart, die der Volkswirtschaft zugute kommt. Das müsste zumindest den Wirtschaftsminister überzeugen.
Menasse: Als Agnostiker wäre für mich der größte Vorteil, dass am Schabbes alle Österreicher zu Hause bleiben müssten und ich als Einziger mit meinem Auto durch leere Gassen gleiten könnte. Freie Fahrt für freie Agnostiker.
Javor: Du musst aufpassen: Die Österreicher tendieren dazu, die Vorschriften allzu ernst zu nehmen. Sie würden gleich, wie in Bnej Brack, mit Steinen auf deinen Peugeot werfen.
Menasse: Schaffen wir Weihnachten eigentlich auch ab?
Javor: Das sollten wir vorweg mit dem Fachverband der jüdischen Lamettaverkäufer besprechen. Die wollen wir uns doch nicht zum Gegner machen.
Menasse: Wenn wir auf die jüdischen Feiertage bestehen, sollten wir allerdings eine Übergangsfrist gewähren. So leicht sind die Vorschriften nicht zu lernen und teilweise verstehen sie ja nicht einmal die Rabbiner.
Javor: Allein bis die Kinder gelernt haben, von rechts nach links zu schreiben, vergehen ein paar Jahre.
Menasse: Immerhin wird damit endlich den Linkshändern Gerechtigkeit zuteil. Bei ihnen verwischt dann endlich die Tinte nicht mehr.
Javor: Die größte Schwierigkeit sehe ich darin, das österreichische Wirtsvolk in der Kunst des Dajgezzen zu unterrichten. Ich befürchte, das wird erst funktionieren, wenn wir die Bierzelte abschaffen.
Menasse: Erwin, endlich hätten wir einen vernünftigen Beruf. Wir fahren von Ort zu Ort und lehren Dajgezzen und Chochmezzen bei koscherem Wein und Klezmermusik. Wie werden wir denen aber das Prinzip beibringen, eine Frage immer mit einer Gegenfrage zu beantworten?
Javor: Wer beantwortet denn eine Frage mit einer Gegenfrage?
Menasse: Gegen wen wendet sich jetzt diese Gegenfrage?
Javor: Da muss ich dich bei dieser Gelegenheit fragen: Zahlst endlich du einmal unseren Kaffee?
Menasse: Warum sollte ich so was Dummes tun?
Javor: Frag nicht.
Menasse: Aber eines muss ich dir schon sagen: Wir werden in ärgste diplomatische Probleme mit Israel kommen.
Javor: Warum?
Menasse: Stell dir die Auseinandersetzung vor, wenn die Österreicher nach ihrer jüdischen Einschulung von sich behaupten, sie wären das auserwählte Volk.
Javor: Schrecklich. Dann lassen wir es lieber. Aber den Kaffee zahlst trotzdem du.
* dajgezzen: sich auf hohem Niveau Sorgen machen; chochmezzen: alles so verkomplizieren, dass niemand – einschließlich seiner selbst – sich mehr auskennt.