Hoppauf, Herr Jud!

Die Hakoah feiert ihren 100. Geburtstag. NU hat Geschichte und Gschichtln des jüdischen Sportvereins zusammengetragen.
Eine Würdigung von Fritz Neumann

Wie es vielen großen Künstlerinnen und Künstlern gemein ist, dass ihre runden Geburtstage nicht bloß an einem Tag begangen werden, sondern oft ein Jahr hindurch, so hat auch die Wiener Hakoah schon in den vergangenen Monaten mit einer Theaterrevue, einer Ausstellung und anderen Veranstaltungen ihren Hunderter gefeiert. Dabei ist es, um genau zu sein, erst jetzt im September wirklich so weit. Am 16. September, um ganz genau zu sein. Da hat sich die Hakoah zum ersten Mal, zwecks Gründung also, generalversammelt. Die Hakoah, eine Künstlerin? Das passt schon, auch und vor allem im Sinne von Überlebenskünstlerin. Zunächst aber war und ist die Hakoah natürlich eine Sportlerin. Beispielsweise lehrte Zsigo Wertheimer in den 1920ern „müheloses Schwimmen mit richtiger Atemtechnik für Anfänger“, sommers in Velden und Pörtschach, winters im Dianabad in Wien. Und er hatte auch die besten Hakoah-Schwimmerinnen und -Schwimmer unter seinen Fittichen, beispielsweise Hedy Bienenfeld, „die schöne Hedy“, von der es ein berühmtes Bild gibt, auf dem sie für Zigaretten wirbt. Dem Vernehmen nach hatte Friedrich Torberg, der damals noch Kantor hieß und Wasserball spielte, ein Auge auf Bienenfeld geworfen haben, doch sie heiratete Wertheimer, ihren Trainer.

Die Schwimmer, die Wasserballer, die Ringer, die Fußballer der Hakoah, sie gehörten zu den Besten ihrer Zeit. Für den Fußball stand vor allem ein Name, der Name Béla Guttmann. Er spielte die Position Centerhalf und kam 1922 aus Budapest zur Hakoah, später sollte ihn sein Weg über New York, Rio und Lissabon wieder zurück nach Wien führen, wo er 1964 wenige Monate lang den österreichischen Teamchef gab, aber nicht zuletzt am immer noch grassierenden Antisemitismus scheiterte. Auch dank Guttmann war die Hakoah zu einer der vier Wiener Fußball-Größen gewachsen. Rapid, Austria und die Vienna waren hochkarätige Gegner, und doch gelang es der Hakoah, 1924/25 den Meistertitel zu erringen. „Hoppauf Hakoah“, so lautete der Anfeuerungsruf in diesen Jahren.

Schon 1923 war der Hakoah als erster Gastmannschaft ein Sieg „auf der Insel“, in England also, gelungen. Er fiel mit einem 5:0 gegen West Ham United noch dazu wirklich deutlich aus. Drei der fünf Tore steuerte ein gewisser Alexander Neufeld bei, der als Nemes Sándor das Licht der Welt erblickt hatte. Auch das ein Zeichen für die Verbundenheit mit Budapest, die in Wahrheit noch auf die Zeit vor der Gründung zurückging. Bei den Cricketern im Prater hatte am 23. Mai 1909 der Budapester Vívó és Atlétikai Club gastiert, ein jüdischer Klub. Und dieses Gastspiel gab den Anstoß, auch in Wien mit Kraft (Hakoah) etwas anzugehen. Lipott Weiß, der Leiter der „Vívó“, ermunterte die jüdischen Wiener Studenten, einen eigenen Verein zu gründen. Hintergrund war nicht zuletzt die Tatsache, dass viele Sportvereine ihre Statuten um einen „Arierparagraphen“ erweitert hatten. Unter der Führung David Weinbergers wurde schließlich die konstituierende Hakoah-Generalversammlung abgehalten, wie erwähnt am 16. September und in den Räumlichkeiten der „Lese- und Redehalle jüdischer Hochschüler“ in der Hörlgasse am Alsergrund. Die Nazi-Herrschaft brach den sportlichen Erfolg und die identitätsstiftende Bedeutung der Hakoah. Oder sagen wir lieber, der Erfolg und die Bedeutung wurden unterbrochen. Hakoah bedeutet „Kraft“ nicht von ungefähr, und Kraft versteht sich durchaus auch im Sinne von Ausdauer, von Durchhaltevermögen. Trotz aller Tragödien. Club-Präsident Fritz Löhner-Beda kam in Auschwitz um, neben vielen anderen. Der Ringer Nikolaus „Micki“ Hirschl wanderte nach Israel aus, neben vielen anderen.

Bei den Olympischen Spielen 1932 in Los Angeles hatte sich Österreich noch über zwei Bronzemedaillen Hirschls gefreut. Die Schwimmerin Judith Deutsch, Kraulmeisterin und Sportlerin des Jahres 1935, wurde vom Verband gesperrt, weil sie sich weigerte, an den Olympischen Spielen 1936 teilzunehmen.

Am 13. März 1938, am Tag nach dem „Anschluss“, wurde die Hakoah zerschlagen. Es war der Schwimmer und Sportwissenschafter Karl Haber, der sie nach dem Krieg gemeinsam mit Ernst Sinai neu gründete. Vor dem Krieg, den nur 6.000 der 200.000 Wiener Juden überlebten, war die Hakoah der größte jüdische Sportverein der Welt gewesen. Nach der Neugründung hielten die Fußballer nur fünf Jahre durch, ehe sie ihren Betrieb wieder einstellen mussten.

Heute besteht die Hakoah aus den Sektionen Basketball, Karate, Schwimmen, Touristik & Skiclub, Tennis, Tischtennis und Wandern. Heute hat sie 600 Mitglieder. Und heute steht Paul Haber, Karl Habers Sohn, dem Klub als Präsident vor. „Ich bin mit und in der Hakoah aufgewachsen.“ Unter ihm ist das Jahr 2008, jenes vor dem runden Feste, zu einem der wichtigsten in der Club-Geschichte geraten. Da öffnete das neue Hakoah-Zentrum im Prater seine Pforten. Jahrzehnte hatte es gedauert, bis die Stadt Wien den Pachtvertrag restituiert hatte und der Hakoah das 1923 bezogene Areal zurückgegeben hatte. Bund und Stadt Wien zahlten sieben Millionen Euro als Entschädigung, das reichte zur Adaption des Geländes und zum Bau einer Sporthalle. Haber sagte zur Eröffnung: „Vor siebzig Jahren wurde der Verein von der SA zerschlagen. Aber das Dritte Reich ist untergegangen – und die Hakoah lebt!“

www.hakoah.at

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