Seit dem Wintersemester 2010 gibt es an der Universität Salzburg ein Masterstudium für Jüdische Kulturgeschichte. Der stellvertretende Studiengangsleiter Armin Eidherr erklärt, was man dort lernen kann.
Von Anna Schiester
NU: Das Studium gibt es nun seit einem Semester. Was waren die Beweggründe, ein Studium für Jüdische Kulturgeschichte zu initiieren?
Eidherr: Ich kann das anhand meines eigenen Falls als Vertreter der Jiddistik beantworten. Da es in diesem Bereich in Österreich sehr viel zu tun gibt, würde man sich einen begeisterten Nachwuchs wünschen. Ich denke, das Studium behandelt etwas, das sich jeder an Jüdischen Studien interessierte Student wünschen würde. Aber meistens kriegt er das nur in eingeschränktem Maße geboten. Wir aber bieten ein ganz breites Spektrum an. Das kommt daher, dass unsere Lehrenden allen möglichen Fachbereichen zugeordnet sind. Wir haben beispielsweise Historiker, Germanisten, Theologen. Aber alle Lehrenden haben ihren Schwerpunkt im Zentrum für Jüdische Kulturgeschichte, das es in Salzburg seit fünf Jahren gibt, allerdings rein der Forschung und nicht der Lehre gedient hat.
Was kann sich ein Student konkret erwarten, wenn er Jüdische Kulturgeschichte studieren will?
Es gibt eine Eingangsphase, welche die Grundlagen der jüdischen Kulturgeschichte umreißt. Dabei bekommt man eine breite Einführung in die Elemente der Traditionsliteratur, Kunst, Geschichte und modernen Literatur. Eine fünfte Säule bilden die Sprachen – Hebräisch, Jiddisch und Sephardisch. Im zweiten Abschnitt kann man sich dann spezialisieren.
Jiddisch ist keine sehr lebendige Sprache, aber im Studium trotzdem drei Semester lang vorgesehen. Sagt sich da nicht der eine oder andere: Warum muss ich das lernen?
Das Jiddische hat noch viel mehr Sprecher als beispielsweise das Isländische. Und vom Isländischen sagt man ja auch nicht, dass es eine ausgestorbene Sprache sei. Es gibt zwar keine jiddischen Tageszeitungen mehr, aber es erscheinen immer noch Bücher, Radiosendungen und Internetseiten auf Jiddisch. Daher hat sich noch niemand beklagt, weil sich dadurch ja auch ein breites Forschungsfeld auftut, auf dem man noch Pionierarbeit leisten kann.
Was macht den Unterschied zur Judaistik aus?
Die Judaistik ist etwas, das sich primär mit dem Judentum im traditionellen Verständnis auseinandersetzt, wie etwa dem Talmud oder der Kabbala. Hebräisch steht dort sehr im Vordergrund. Wir finden es gut, dass es in Österreich Institute gibt, wo man sich wirklich auf die Traditionen beschränken kann oder regionale Forschung betreibt. Unser Verständnis liegt allerdings in der gegenseitigen Befruchtung der Fachgebiete.
Salzburg gilt ja nicht gerade als Zentrum des österreichischen Judentums. Warum ist das Studium dennoch gerade hier entstanden?
Das hat den Grund, dass es hier viele Lehrende gab, die zu jüdischen Themen in unterschiedlichsten Disziplinen forschten. Aber Sie haben Recht. Salzburg ist nicht der Ort des klassischen Judentums, aber das Studium gibt es in dieser Art halt in Wien nicht.
Warum finden Sie es wichtig, sich heute noch mit jüdischer Kulturgeschichte auseinanderzusetzen?
Einerseits behandeln wir Themen, die die Welt heute noch beschäftigen, etwa die Migration. Andererseits stellt das Judentum eine wesentliche Basis unserer Kultur dar. Die Frage sollte also vielmehr lauten: Wieso macht man das nicht?