Gusenbauers Geschichtsprogramm

Wie geht die Große Koalition mit dem historischen Erbe Österreichs um? Welche Museumsprojekte will sie vorantreiben? Das Regierungsprogramm gibt darauf wenig Antworten, die Prioritäten liegen eindeutig woanders.
Von Barbara Tóth

Im Regierungsprogramm wird an genau drei Stellen auf historische Großprojekte eingegangen, ein eigenes Kapitel zu diesem Thema fehlt. Ausdrücklich erwähnt sind das Langzeitprojekt Haus der Geschichte, ein (bis dato öffentlich nicht bekanntes) Habsburgermuseum in Schloss Schönbrunn sowie ein Museumsprojekt, das die Zeit vom Kalten Krieg bis zum Fall des Eisernen Vorhangs abdecken soll. Sollte die Regierung Gusenbauer vier Jahre lang durchhalten, kommen noch zwei historisch gewichtige Jubiläen auf sie zu: 2008 gedenkt das offizielle Österreich nicht nur 90 Jahre Gründung der Ersten Republik (1918), sondern auch 70 Jahre Anschluss an Nazi-Deutschland im Jahr 1938. 2008 jährt sich auch das europaweit als Schlüsseljahr und gesellschaftspolitische Chiffre gesehene 1968er Jahr. 2009 schließlich wird auch der Fall des Eisernen Vorhangs zum zwanzigsten Mal gefeiert werden – auch das ein Ereignis, das Österreich im Besonderen betrifft, aber auch europaweit Anlass für Rückblicke und Bestandsaufnahmen bieten wird. Im Folgenden die Passagen aus dem Regierungsprogramm im Original, inklusive einer kurzen Bewertung.

Haus der Geschichte
Im Unterkapitel „Verantwortungs­bewusster Umgang mit der Ver­gangenheit“ findet sich im rot-schwarzen Regierungsprogramm folgender knapper Satz: „Ausgehend von der von der Arbeitsgruppe vorgelegten Roadmap zur Errichtung eines Hauses der Geschichte soll im zweiten Quartal 2007 ein detailliertes Konzept erstellt werden.“ Das zweite Quartal hat bereits begonnen, das detaillierte Konzept gibt es noch nicht. Die Vorgeschichte zum „Haus der Geschichte“ ist eine lange. In der letzten Regierung wurde eine Art Historikerkommission im Bildungsministerin von Ex-Ministerin Elisabeth Gehrer angesiedelt. In ihr fand sich kein einziger Vertreter eines zeitgeschichtlichen Universitätsinstituts – und, nebenbei bemerkt, auch keine Frau. Dafür war die Spitze des Weisengremiums – zwei Herren sind in wohlverdienter Pension – fein säuberlich nach dem Schwarz-Rot-Schema besetzt. Die zentralen Gedankenjahr-Ausstellun­gen – „Österreich ist frei“ aus der Schallaburg (eher schwarz) und „Das neue Österreich“ aus dem Belvedere (eher rot) – sollten den Grundstock des neuen Museumshauses bilden. Obwohl einige Historiker, die ihr zugerechnet werden können, in die Kommission entsendet wurden, hat die SPÖ das Vorhaben der schwarz-blauen Regierung stets eifersüchtig beäugt – offenbar in Sorge, die damalige Kanzlerpartei werde nun „ihre“ Version der Geschichte durchsetzen. Leon Zelmans Wunsch, das Haus der Geschichte im Palais Epstein anzusiedeln und zu einem Gedenkort an die Nazi-Verbrechen zu machen, war jedenfalls nicht mehr Teil des Konzepts. Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel schwebte eher ein Neubau in der Nähe des Zwanzgerhauses vor oder ein Umbau des Künstlerhauses. Die Frage des Status quo des Projekts ist schwer zu beantworten, offiziell will niemand dazu etwas sagen. Dem Vernehmen nach arbeitet man im nun rot besetzen Kulturministerium an einer „eleganten“ Lösung. Sprich: Die von Gehrer eingesetzte Historikergruppe soll in Ehren verabschiedet und das Haus der Geschichte sozusagen neu gestartet werden. Hilfreich aus Sicht der SPÖ ist sicher, dass mit Parlamentspräsidentin Barbara Prammer nun eine Genossin das Sagen über das Palais Epstein hat. Auch Bundespräsident Heinz Fischer liegt das neue Museum sehr am Herzen. Ihm schwebt ein „Haus der Zeitgeschichte“ vor, das im 20. Jahrhundert beginnt. Gut möglich, dass der Präsident die Schirmherrschaft über das Museum übernimmt. In einem Gespräch mit dem Standard meinte er einmal dazu: „Man sollte ganz deutlich demonstrieren und sicherstellen, dass es als absolut überparteiliches und objektives Projekt geplant ist – unabhängig von Legislaturperioden und Regierungen. Es hat mehrere Projekte in letzter Zeit gegeben, bei denen es außer Streit stand, dass sie überparteilich und objektiv sind: Historikerkommission, Nationalfonds für NS-Opfer, Entschädigungsfonds für Zwangsarbeiter. Inhaltlich ist das nicht vergleichbar, aber bei einem Haus der Zeitgeschichte muss in gleicher Form und Weise dokumentiert sein, dass es kein Parteiprojekt, sondern ein Republiksprojekt ist.“

Habsburgermuseum:
Dieses findet sich im Regierungs­programm bezeichnenderweise unter
dem Punkt „Tourismus- und Freizeit­wirtschaft“. Wörtlich heißt es dort (unter anderem neben einem Schutzhüttenprogramm): „Als Ini­tiative für den Kulturtourismus ist die Schaffung eines Museums über die Geschichte der Habsburger im Schloss Schönbrunn vorgesehen (‚Imperial Austria‘).“ Zuständig für dieses Projekt ist Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (ÖVP). Im Ministerium wird derzeit an einem Konzept gearbeitet, heißt es auf NU-Anfrage, mehr könne man dazu noch nicht sagen. Ebenfalls unklar scheint zu sein, wie die Finanzierung zwischen Republik und der privatisierten Schönbrunn-Betriebsgesellschaft aufgeteilt wird. Auch die Hofburg wird als Standort in Erwägung gezogen. „Imperial Austria“ existiert jedenfalls schon als Dachmarke im Internet. Sie bündelt den Marketingauftritt von Schloss Schönbrunn, Hofburg, Schloss Hof und Hofmobiliendepot. Museum des Kalten Krieges „Im Sinne einer modernen zeit­historischen Aufarbeitung der
jüngeren österreichischen Ge­­schichte wird ein Projekt zur musealen/wissenschaftlichen Aus­einandersetzung mit dem Kalten Krieg bis zum Fall des Eisernen Vorhanges entwickelt unter besonderer Berücksichtigung des europäischen Kontexts“, heißt es im Regierungsprogramm. Zuständig dafür nicht, wie man vielleicht glauben könnte, das Kultur- oder Wissenschaftsministerium, sondern Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ). Sein Ressort leistet sich nämlich ein eigenes Museum, das Heeresgeschichtliche Museum (HGM). Und dort soll dieses Kalte-Krieg-Projekt auch entstehen. Wie es genau ausschauen wird, darüber kann im Ministerium noch niemand Auskunft geben. „Zu früh“, heißt es auf NU-Anfrage. Das Museums­­­­­projekt habe nicht höchste Priorität. Manfried Rauchensteiner, lange Jahre Direktor des HGM, ist skeptisch: „Das HGM hat keine zusätzlichen Budgetmittel, keine Baumittel, ich sehe nicht, wo so etwas entstehen könnte.“

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