Von Anja Salomonowitz
Das gelobte Land: In Wien, in der jüdischen Jugendorganisation Haschomer Hazair, auf Deutsch „Der junge Wächter“, geht das so: Pfadfinder-Romantik, pseudokommunistisch, jedenfalls aber links, mit Blauhemd im Sommer und im Winter einmal in der Woche sich gegenseitig von Israel erzählen. Reden über das Land, in dem Milch und Honig fließen. Das höchste Ziel: im Kibbuz Orangen pflücken und Kinder machen. So viel zu meiner jüdisch-zionistischen Erziehung.
Bei meinem ersten Israel-Besuch war ich noch klein. Mit den Eltern, die hinziehen wollten mit Sack und Pack und schreienden Kindern, die sich nur für die herumlaufenden Schildkröten interessierten. Ich weiß nicht mehr, wie lange wir damals dort waren, vielleicht ja nur ganz kurz. Aber ich möchte nicht fragen, denn in meiner Erinnerung war es eine schöne Ewigkeit. Meine Tante in Haifa haben wir damals auch besucht, ich erinnere mich nicht an ihr Gesicht, aber ich erinnere mich an die in ihren Arm eintätowierten schwarzen Zahlen.
Ich rufe meinen Bruder an, der in Tel Aviv lebt und in Kürze mit seiner Freundin ein Kind erwartet. „Wir haben den gepackten Koffer vor der Türe stehen“, sagt er. Ich verstehe: Er meint nicht den, den man nimmt, um für die Geburt ins Spital zu fahren, er meint den, den man im Schutzraum braucht, falls Bomben auf Tel Aviv fallen sollten. „Sage es nicht der Mama“, ruft er noch nach, „sie macht sich sonst zu viel Sorgen.“ Verzeih mir, Mama, wenn du jetzt aus der Zeitung doch von dem Koffer erfährst.