Gemeinsam gegen den Feind

© KARIM SAHIB / AFP / PICTUREDESK.COM

Die neue Allianz zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten sowie Bahrain richtet sich vor allem gegen den Iran. Sie bedeutet das Ende eines künftigen palästinensischen Staates.

Von Guido Steinberg

Das Abkommen zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) ist der dritte Friedensschluss zwischen dem jüdischen Staat und einem seiner arabischen Nachbarn nach Ägypten 1979 und Jordanien 1994. Doch unterscheidet sich der Vertrag von seinen Vorgängern vor allem darin, dass er eine noch unausgesprochene Allianz besiegelt, die in erster Linie gegen den gemeinsamen Feind Iran gerichtet ist. Die Entwicklung des Nahen Ostens in den vergangenen Jahrzehnten und besonders seit 2011 stellte hierfür bereits die Weichen.

Zunächst einmal verdeutlicht das Interesse Israels an einem geografisch so weit entfernten „Nachbarstaat“, wie sehr die Bedeutung der arabischen Golfstaaten in der Regionalpolitik gestiegen ist. Diese Entwicklung begann spätestens 1973, als sich der wirtschaftliche und geopolitische Schwerpunkt des Nahen Ostens von Kairo, Damaskus und Beirut nach Riad, Bagdad und Teheran verlagerte. Seitdem wurde die Regionalpolitik immer mehr von den Anrainerstaaten des Persischen Golfs bestimmt. Der Irak versuchte mit seinen Angriffen auf den Iran 1980 und Kuwait 1990 sogar, eine regionale Vormachtstellung zu erreichen. Obwohl Saddam Hussein scheiterte und der Irak infolge der US-Invasion 2003 fast vollständig zusammenbrach, blieb der Golf das Zentrum der Regionalpolitik.

Autoritärer Modernisierungskurs

Hauptnutznießer dieser Verschiebung war Saudi-Arabien, das ab 1973 zur arabischen Regionalmacht wurde. Zum Aufstieg des Königreichs trug der Abstieg der wichtigsten Konkurrenten Ägypten und Irak maßgeblich bei. Doch auch die hohen Öleinnahmen der Jahre 2002 bis 2014 erlaubten Riad eine deutlich aktivere Rolle in der Regionalpolitik. Seit 2011 viele arabische Staaten von den auf den Arabischen Frühling folgenden Unruhen, Aufständen und Bürgerkriegen erschüttert wurden, schwang Saudi-Arabien sich endgültig zur Führungsnation empor, die von Marokko bis Oman Einfluss nahm. Es schützte Verbündete in Bahrain und anderswo vor den Protestbewegungen, führte die Gegenrevolution in Ägypten an und stellte sich der iranischen Expansion in Syrien und im Jemen entgegen.

Im Schatten Saudi-Arabiens entwickelten sich gleichzeitig die VAE zur Regionalmacht. Die dortige Politik wird seit gut einem Jahrzehnt vom Emirat Abu Dhabi und seinem Kronprinzen Mohammed bin Zayed (MBZ) dominiert. Er setzte schon früh auf einen autoritären Modernisierungskurs, der Abu Dhabi und die Emirate insgesamt zu einem der wirtschaftlich dynamischsten, militärisch stärksten und einflussreichsten Staaten der Region machte. Ab 2011 bekämpfte MBZ gemeinsam mit Saudi-Arabien die Muslimbrüder in der gesamten Region und stellte sich der iranischen Expansion entgegen. Er profitierte davon, dass sich der saudi-arabische Königssohn und spätere Kronprinz Mohammed bin Salman (MBS) von ihm führen ließ. Dies zeigte sich schon 2015, als die Initiative zum gemeinsamen Krieg im Jemen von Abu Dhabi ausgegangen sein soll. Das Abkommen mit Israel ist ein weiterer Hinweis, dass die VAE Führungsmacht der arabischen Welt sein wollen und Saudi-Arabien den Takt vorgeben.

Konflikt mit dem Iran

Die Furcht der VAE vor dem Iran führt schon seit Jahren zu einer spürbaren Annäherung mit Israel. Beide Seiten sehen immer mehr gemeinsame Interessen, seit der Iran infolge des Arabischen Frühlings seinen Einfluss im Irak, in Syrien, Libanon und dem Jemen ausbaute. Für die VAE spielt aber auch eine Rolle, dass sie glauben, sich nicht mehr auf den Schutz der USA verlassen zu können. Deutliche Risse im Bündnis zeigten sich 2015, als die USA das Atomabkommen mit dem Iran schlossen, das die Führung in Abu Dhabi als zu nachgiebig gegenüber dem iranischen Regime ablehnte. Umso freudiger begrüßte MBZ die Amtsübernahme Präsident Trumps, der aus dem Abkommen ausstieg und auf eine Nahostallianz gegen den Iran setzte, in der den VAE neben Saudi-Arabien und Israel eine Schlüsselrolle zukommen sollte.

Doch unterschätzte Abu Dhabi, wie sehr es Donald Trump darum ging, sein Wahlversprechen einzulösen, die „endlosen Kriege“ im Nahen Osten zu beenden und amerikanische Truppen aus der Region abzuziehen. Dass der US-Präsident keinen Krieg gegen den Iran wollte, zeigte sich besonders dramatisch nach dem 14. September 2019. An jenem Tag griff der Iran die Ölanlagen von Abqaiq und Khurais in Saudi-Arabien mit Marschflugkörpern und Kampfdrohnen an. Für rund zwei Wochen fiel die Hälfte der saudi-arabischen Ölproduktion aus. Jeder amerikanische Präsident seit Jimmy Carter hätte darauf mit einem Militärschlag reagiert. Unter Donald Trump blieb er aus.

Dies dürfte der Moment gewesen sein, in dem die Allianz zwischen den VAE und Israel Gestalt annahm. Israel bot sich als Verbündeter an, denn auch die dortige Regierung wertet die iranische Expansion und das Atomprogramm als existenzielle Bedrohung, und das israelische Militär ist das einzige in der Region, das einen Krieg gegen den Iran erfolgreich bestehen könnte. Hier tun sich zwei Gegner des Iran zusammen, um sich ihm politisch und militärisch entgegenzustellen und zu verhindern, dass Teheran Atomwaffen entwickelt.

Eine F-16 der VAE beim Abheben: Die Verteidigungsausgaben zählen gemessen an der Wirtschaftsleistung des Landes zu den höchsten der Welt. © Wiki Commons/David Raykovitz

Und Saudi-Arabien?

Die VAE mögen sich zur Regionalmacht entwickelt haben, doch die große Frage für Israel und die Regionalpolitik ist, ob Saudi-Arabien sich dem Pakt gegen den Iran anschließt. Denn das Königreich ist schon aufgrund seiner Stellung in der internationalen Politik, Wirtschaftskraft und religiös-kulturellen Strahlkraft immer noch die arabische Führungsmacht.

Dass Kronprinz MBS den VAE gern folgen würde, zeigt sich schon daran, dass auch Bahrain ein Friedensabkommen mit Israel schließt. Der kleine Inselstaat ist seit spätestens 2011 zum saudi-arabischen Protektorat geworden, das einen solchen Schritt nicht ohne die Zustimmung der saudischen Führung gehen kann. Das wichtigste Hindernis scheint der greise saudische König Salman zu sein, der den neuen Bemühungen um einen Frieden mit Israel bisher eine Absage erteilte mit dem Argument, die Rechte der Palästinenser müssten gewahrt bleiben. Sobald MBS König wird, könnten sich diese Vorbehalte erledigt haben, denn für die neue Generation der Herrscher am Golf spielen die Palästinenser kaum eine Rolle; der Iran ist eine existenzielle Bedrohung und Israel ein mächtiger Feind des Iran. Dass dies das endgültige Aus für einen zukünftigen palästinensischen Staat ist, scheint im neuen Nahen Osten keine allzu große Bedeutung mehr zu haben.

Guido Steinberg ist promovierter Islamwissenschaftler und Mitarbeiter der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. Soeben ist sein Buch „Krieg am Golf. Wie der Machtkampf zwischen Iran und Saudi-Arabien die Weltsicherheit bedroht“ (Droemer) erschienen.

Die mobile Version verlassen