Mit falschen Ausweispapieren war es dem österreichischen Journalisten Karl Pfeifer gelungen, mit einer Gruppe von fünfzig Kindern und Jugendlichen über Bulgarien und die Türkei nach Eretz Israel zu fliehen. Er erlebte in Jerusalem den Teilungsbeschluss der Vereinten Nationen vom 29. November 1947 und kämpfte bei der Palmach für die Unabhängigkeit des Landes.
Von Karl Pfeifer
Wir kamen Anfang 1943 wie durch ein Wunder aus Ungarn, Rumänien, Kroatien und der Slowakei nach Eretz Israel und wurden im Kibbuz Schaar Haamakim im Rahmen der Jugend-Alija erzogen. Anfang 1946 – die meisten von uns waren gerade 18 Jahre alt – beschlossen wir, uns freiwillig zur Palmach, der Bereitschaftstruppe der Hagana, zu melden. Wir hatten wegen der Schoa – so wie die meisten Juden des Jischuw – das Gefühl eines tragischen Versäumnisses. Bereits seit 1944 hatten wir in Haifa für „Aliya Chofshit“, freie Einwanderung, demonstriert, und das motivierte uns, zum Palmach zu gehen. Die Gründung des Palmach und die Verstärkung der Hagana machten es der jüdischen Führung nach Ende des Zweiten Weltkriegs möglich, auch aktiv gegen die Politik der Labourregierung vorzugehen, die mit Gewalt die Einwanderung von Überlebenden verhinderte.
Im Sommer 1947 wurde ich vom ersten Regiment des Palmach in das zweite Regiment in den Negev in den religiösen Kibbuz Beerot Yitzhak zur Bewachung der Wasserleitung kommandiert. Um legal eine Waffe tragen zu dürfen, leistete ich einen Eid auf König George VI. und erhielt ein Gewehr, Munition und die Uniform eines Hilfspolizisten. Meine neuen Kameraden waren bis auf einen Einwanderer aus der Türkei alle junge Zabarim, im Land geborene Jugendliche.
Patrouille
Noch am selben Tag erhielt meine Gruppe von fünf Mann den Befehl, mit einem offenen Wagen auf Patrouille zu fahren, um die Wasserleitung vor Angriffen zu schützen. Wir wirbelten viel Staub auf und fuhren immerzu die Wasserleitung entlang. Nach einer Woche wechselte der Dienst, und wir mussten in der Nacht auf Patrouille gehen. Wir liefen in der Dunkelheit zehn oder 15 Kilometer zu Fuß, lagen die ganze Nacht im Sand, in der Hoffnung, die Beduinen zu fassen, die oft genug am Tag oder nachts 50 bis 60 Zentimeter Sand wegschaufelten, um in die Wasserleitung zu schießen. Nie konnten wir sie dabei ertappen. Obwohl auch sie von der Wasserleitung profitierten, hatten einige dieser Nomaden sich auf das Sabotieren verlegt. Im Oktober wurden wir in das neue religiöse kooperative Dorf Tkuma in der Nähe von Gaza transferiert. Auch von dort aus bewachten wir die Wasserleitung.
Meinen Jahresurlaub wollte ich Ende November 1947 bei meinem Bruder Erwin in Jerusalem verbringen. Ich fühlte mich sehr privilegiert, denn einige meiner Freunde, die so wie ich 1943 ins Land gekommen waren, hatten in der Schoa ihre ganze Familie verloren. Erwin war 15 Jahre älter und bereits seit 1935 im Land. Nach sechs Jahren beim britischen Militär hatte er 1946 abgerüstet und arbeitete nun bei der Stadtverwaltung. Am nächsten Morgen meldete das Radio einen arabischen Überfall auf zwei jüdische Busse.
Mein Bruder erwartete mich am 28. November am Busbahnhof, und wir gingen zu Fuß ins bucharische Viertel, wo mein Bruder ein Zimmer gemietet hatte. Am 29. November hörten wir Radio, um die Abstimmung der Generalversammlung der UNO zu verfolgen. Wir jubelten, als wir hörten, dass die Mehrheit für die Teilung gestimmt hatte. 50 Jahre nach Gründung der zionistischen Bewegung rückte Theodor Herzls Traum in greifbare Nähe. Heute wird oft „vergessen“, dass auch ein Staat für die Araber Palästinas entstehen sollte, die noch nie zuvor einen gehabt hatten. Doch am 21. September 1947 hatte Mufti Amin al-Husseini britische Beamte getroffen, die seine Meinung über den Teilungsplan erfahren wollten.
Er gab sich siegessicher: „Wir haben keine Angst vor den Juden“, sagte er. „Wir werden viele Verluste erleiden, aber am Ende müssen wir siegen. (…) Sie werden schließlich ins Nichts zerfallen, und wir haben keine Angst vor den Resultaten, es sei denn, Großbritannien, Amerika oder eine andere Großmacht interveniert. Doch auch dann werden wir kämpfen, und die arabische Welt wird immer feindlich sein.“
Während die arabischen Führer den Beschluss der Vereinten Nationen mit Entrüstung ablehnten, wurde in den Straßen des Jischuw getanzt. Bereits am nächsten Morgen meldete das Radio einen arabischen Überfall auf zwei jüdische Busse in der Nähe von Kfar Syrkin im Zentrum des Landes mit sieben Todesopfern. Obwohl ich noch eine Woche Urlaub hatte und mein Bruder mich bat zu bleiben, packte ich meine Tasche, um nach Tkuma zurückzufahren. Ich dachte, dass es auch dort arabische Angriffe geben könnte. Am 13. Dezember 1947 war meine Fünfergruppe zur Tagespatrouille eingeteilt. Doch ich wachte das erste Mal in meinem Leben mit schrecklichen Kopfschmerzen auf, es herrschte Chamsin, ein trockener, heißer Wind aus dem Osten, der feine Sandteilchen mitbringt. Ich fragte beim Frühstück, ob jemand mit mir tauschen wolle. Arie Schwarzmann war einverstanden, und unser Kommandant stimmte zu. Uns gegenüber hatte Arie behauptet, 18 Jahre alt zu sein, aber er war erst 16, als er zum Palmach kam.
Kameraden
Ich legte mich hin und versuchte zu schlafen. Mittags hörten wir Schüsse aus der Ferne, und bereits am frühen Nachmittag kam die Nachricht von der britischen Polizei in Gaza, dass unsere Kameraden von Beduinen getötet wurden und wir ihre Leichname bei der Polizei in Gaza abholen könnten. Ich schlief in der darauffolgenden Nacht ganz allein im Zimmer, denn meine vier Mitbewohner waren nicht mehr am Leben. Ein schreckliches Gefühl zu wissen, dass ich nur deshalb noch lebte, weil ich am Morgen aufgrund meiner Kopfschmerzen um Ersatz gebeten hatte.
Am späten Nachmittag des 14. Dezember fuhren wir mit unserem offenen Fahrzeug und einem Lkw zur Polizeistation nach Gaza, um die Leichen abzuholen. Als wir in die Nähe der Tegart-Festung (die Tegart-Forts wurden im britischen Mandatsgebiet Palästina von 1936 bis 1939 und danach im Rahmen des Krieges gegen den arabischen Terror gebaut; der Initiator des Projekts war Sir Charles Tegart, ein ehemaliger Kommissar der indischen Polizei, Anm. der Red.) kamen, standen Araber mit Gewehren in einer Entfernung von 20 bis 30 Metern und schossen auf uns. Zum Glück wurde keiner von uns getroffen.
Angekommen in der Festung, empfing uns ein britischer Polizeioffizier mit der Nachricht, dass die Leichen bereits nach Beer Sheva gebracht worden waren. Wir baten ihn, uns eine Schutzbegleitung zu stellen, doch er weigerte sich. Zum Glück durften wir den Einbruch der Dunkelheit abwarten, um zurückzufahren. Am nächsten Morgen fuhren wir nach Beer Sheva. Hier hatte in der Polizeistation die britische Armee das Sagen. Die Offiziere hatten schon von unserem Abenteuer in Gaza gehört und begrüßten uns freundlich. Wir wurden verköstigt, und man bot uns Zigaretten an. Wir waren ja britische Hilfspolizisten in Uniform, und das bewog den britischen Kommandanten, uns eine Schutzbegleitung zu gewähren. Vor uns fuhr ein Tank, hinter unseren beiden Fahrzeugen zwei Panzerwagen mit britischen Soldaten. Wir brachten die Leichname unserer Kameraden in den nahen Kibbuz Mishmar Hanegev. Gefallen waren unser Unteroffizier Israel Berkovits, 19 Jahre alt, und die Soldaten Jizchak Jehoschua Schuster, ebenfalls 19, Arie Schwarzmann (17), Shabtai Selins (18) und Schmuel (Mula) Unger, 17 Jahre alt. Ehre sei ihrem Andenken.
Bürgerkrieg
Im ersten Monat des Bürgerkriegs wurde uns klar, wie wenige und wie isoliert wir waren. Unser Regiment hatte nicht einmal die Hälfte der Sollstärke und bereits 25 Tote zu verzeichnen. Wir, die fünf überlebenden Palmachniks aus Tkuma, wurden in das neue Militärlager neben den Wasserbehältern von Mekorot bei Nir Am überstellt. Am Anfang fehlte es an allem, und so schliefen wir ein paar Tage im Freien, was uns aber wenig störte.
In Nir Am waren sowohl der Stab des zweiten Regiments als auch später der Stab der Negev Division stationiert. Anfang des Jahres 1948 wurde dort auch ein Feldspital mit 24 Betten und einem Operationssaal eingerichtet. Die meisten von uns waren noch keine 20 Jahre alt, und die Offiziere waren auch nicht viel älter. Beschäftigt waren wir mit Tages- und Nachtpatrouillen. In der Nacht schlichen wir uns in die Nähe eines arabischen Dorfes mit Zwei-Inch-Mörsern und feuerten ein paar Mal in Richtung des Dorfes. Zweck der Übung war, die dort befindlichen Freischärler einzuschüchtern.
Mandatsmacht
Noch vor Beginn des Bürgerkriegs hatte das AHC, das Arab Higher Committee, das im November 1945 auf Initiative der Mandatsmacht gegründet und 1947 vom Mufti Amin al-Husseini geführt wurde, beschlossen, nichtarabische Söldner anzuheuern, um Araber auszubilden und an ihrer Seite zu kämpfen. Dafür wurden aus britischen Kriegsgefangenenlagern in Ägypten entflohene deutsche Kriegsgefangene, Soldaten der polnischen Armee, die im Nahen Osten geblieben waren, britische Deserteure aus Armee und Mandatspolizei sowie bosnische Muslime und kroatische Ustascha-Faschisten, die aus Jugoslawien geflüchtet waren, von verschiedenen arabischen Gruppen angeworben.
Das Wissen, dass Deutsche, Bosnier und Kroaten ins Land gekommen waren, um gegen uns zu kämpfen, motivierte uns noch mehr, denn diese konnten sich nicht mehr auf Pflichterfüllung hinausreden, sie hassten Juden. Wir waren – keine drei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs – entschlossen, uns weder von den ausländischen Söldnern noch von irgendjemand anderem abschlachten zu lassen.
Dieser Text erschien erstmals in der Jüdischen Allgemeinen Zeitung. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von Dagmar Pfeifer, Karl Pfeifers Witwe.