Die Studie des renommierten Pew Research Center bietet einen umfassenden Einblick in das jüdische Leben in den USA.
Von Mark Napadenski und Nathan Spasić
Es heißt, die vielen Sterne der US-amerikanische Flagge stünden für die Vielfalt der Bevölkerung. Ein Anteil gebührt auch den jüdischen Gemeinden in den USA. Die 2021 erschienene Studie des Washingtoner Meinungsforschungsinstituts Pew bietet einen umfassenden Einblick in das jüdische Leben in den Vereinigten Staaten und zeigt, dass es – anders als in der Populärkultur mit TV-Serien wie Unorthodox und Transparent vermittelt – nicht nur aus Ultraorthodoxen in Williamsburg oder Ultraliberalen in Los Angeles besteht.
Von den rund 330 Millionen US-Einwohnern sind etwa 7,5 Millionen jüdisch. Dabei entwickelt sich das Wachstum parallel zur US-Bevölkerung: Mehr als die Hälfte der Jüdinnen und Juden identifizieren sich mit Konservativen- oder Reformströmungen, während sich jeder Zehnte dem orthodoxen Judentum zuschreibt. Ein Drittel der amerikanischen Juden sieht sich keiner bestimmten jüdischen Konfession zugehörig.
Für viele US-Amerikaner jüdischen Glaubens stehen Religiosität und der Glaube selbst oftmals an zweiter Stelle. Die meisten jüdischen Erwachsenen gaben an, das Gedenken an den Holocaust, der Einsatz für Gerechtigkeit und Gleichheit in der Gesellschaft und intellektuelle Neugier seien wesentlich für ihre Auslegung des Judentums. Deutlich weniger gaben an, dass die Einhaltung des jüdischen Gesetzes ein wesentlicher Bestandteil ihrer jüdischen Identität sei. Tatsächlich hielten mehr Menschen „einen guten Sinn für Humor” wesentlicher für die jüdische Identität als das Befolgen der Halakha (34% gegenüber 15%).
Orthodoxe Juden entsprechen in vielen Bereichen nicht den allgemeinen Erkenntnissen der Pew-Studie. Wenig überraschend: 93% der orthodoxen Juden glauben an Gott, wie er in der Bibel beschrieben wird – dieser Meinung sind nur ein Viertel aller amerikanischer Juden.
Etwa sechs von zehn Jüdinnen und Juden geben an, in den letzten 12 Monaten eine direkte, persönliche Erfahrung mit Antisemitismus gemacht zu haben. Dazu zählen beispielsweise Belästigungen im Netz und antisemitische Parolen. Etwas mehr als die Hälfte der Befragten gibt außerdem an, dass sie sich 2015 sicherer fühlten als zum Zeitpunkt der Studienerfassung.
Trotz vieler dieser negativen Erfahrungen hat ein Drittel in letzter Zeit auch Unterstützung von jemandem erhalten, der nicht jüdisch ist. Und die meisten Jüdinnen und Juden haben nicht das Gefühl, dass sie die einzige Gruppe sind, die in der amerikanischen Gesellschaft vor Herausforderungen steht: 62% gaben an, dass muslimische Amerikaner stärker diskriminiert werden.
Politische Einstellungen
Die Demokratische Partei ist Spitzenreiter unter amerikanischen Juden: Sieben von zehn jüdischen Erwachsenen tendieren zu ihr. Die Hälfte aller Befragten beschreibt ihre politischen Einstellungen als zumindest liberal. Diese Neigung zu liberalen Werten geht Hand in Hand mit der Ablehnung des ehemaligen Präsidenten Donald Trump. In dieser Umfrage, die fünf bis zwölf Monate vor den Präsidentschaftswahlen 2020 durchgeführt wurde, waren fast drei Viertel der jüdischen Erwachsenen mit der Arbeit von Trump als Präsident nicht einverstanden, während nur 27% ihn positiv bewerteten – weit weniger als die 65%, die 2013 die Arbeit von Präsident Barack Obama guthießen. Orthodoxe Juden stechen allerdings mit gegenteiligem politischen Profil hervor: 60% beschreiben ihre politischen Ansichten als konservativ, 75% bezeichnen sich als Republikaner und 81% stimmten Trumps Arbeitsleistung zum Zeitpunkt der Umfrage zu.