Von Peter Menasse
Die letzten Monate haben eine gewisse Ratlosigkeit bei den MitarbeiterInnen von NU entstehen lassen. Immer wieder ist es vorgekommen, dass Bitten um Interviews oder Recherche-Versuche bei Mitgliedern der jüdischen Gemeinde auf Ablehnung gestoßen sind. Manch einer spricht nicht mit NU. Und das wirft Fragen auf, viele Fragen.
Nehmen wir die Jüdische Hochschülerschaft. Über sie hat Erwin Javor berichtet und gefragt: „Wo zum Teufel sind die kritisch denkenden jüdischen Studenten geblieben?“ Weil wir alle nicht glauben wollten, dass die jüdischen Hochschüler tatsächlich nichts Anderes als Klubabende mit Marillenknödelessen veranstalten, wie ihr Programm ausweist, hat sich Petra Stuiber aufgemacht, die Studenten zu befragen. Sie erntete eine glatte Ablehnung. Der Verband jüdischer Hochschüler, wurde ihr beschieden, habe einen Vorstandsbeschluss (!) gefasst, nicht mit NU zu sprechen. Dazu die ersten Fragen: Welcher Teufel reitet Studenten, mit einer Zeitung zu reden? Und warum müssen sie zu ihrer Verweigerung gleich noch einen Vorstandsbeschluss fassen? Kommt das gut bei den Chefs in der IKG? Oder wurde es von ihnen gar verlangt?
Oder die jüdische Schule in der Castellezgasse. Barbara Tóth wollte Maturanten über ihre Vo rstellungen für die Zeit nach der Matura befragen. Ihr Eindruck war, dass die Schüler durchaus bereit wären, mit ihr zu sprechen. Aber, so hieß es, die Direktorin müsse die Genehmigung der IKG einholen. Zwei Wochen und mehrmaliges Nachfragen später hieß es dann plötzlich, NU möge sich doch selbst an die IKG wenden. Warum nicht gleich? Hinhaltetaktik – oder bloß bürokratisches Brimborium?
Wir haben jedenfalls den Eindruck, IKG-nahe Institutionen wollten uns an der Arbeit hindern. Darum sollte wohl hier gesagt werden, dass sich die Kultusgemeinde als offizielles Vertretungsorgan nicht aussuchen kann, mit welchen Zeitungen sie spricht. Das verletzt alle Regeln einer entwickelten Gesellschaft. Und war bisher immer das Privileg der Feinde der Juden.
Last not least, noch ein Wort zur Philosophin, die uns ein Interview verw eigert hat. Sie habe NU einmal gelesen und als zu kontroversiell empfunden. Nein, die jüngsten Ausgaben kenne sie nicht, aber Interview wolle sie jedenfalls keines gewähren, lautete ihr strenger Befund. Ja, Frau Philosophin, in unserer ersten Nummer ist uns ein Artikel hinein gerutscht, der in NU keinen Platz hätte finden sollen. Aber wer in der Tageszeitung „Presse“ Kommentare veröffentlicht, sollte so streng nicht sein. Dort werden immer wieder Leserbriefe abgedruckt, die unserem subjektiven Eindruck nach, deutlich antisemitischen Charakter haben. Das, Frau Philosophin, ist kein Hinderungsgrund?
Ich fürchte, wir werden keine Antworten auf unsere Fragen bekommen. Das Imperium samt seinen nachgeordneten Dienststellen spricht nicht zu uns. Aber gemach – wir schaffen es auch ganz gut ohne den großen Bruder.