Chanukka erinnert an die Wiedereinweihung des Tempels in Jerusalem nach dem Aufstand der Makkabäer. Die kleine Menge Öl brannte wunderbarerweise acht Tage lang.
Von Fritz Rubin-Bittmann
Chanukka heißt im Hebräischen „Einweihung“ und bezeichnet jenes Lichterfest, das sich auf die Wiedereinweihung des verwüsteten und geschändeten Tempels in Jerusalem am 25. Kislew im Jahre 165 v. d. Z. bezieht. Kislew ist ein Monat des hebräischen Kalenders, der sich am Mond- und nicht am Sonnenjahr orientiert. Daher kann das Datum 25. Kislew jeweils zwischen November und Dezember variieren. Heuer beginnt das Chanukka-Fest am 10. Dezember.
Chanukka ist kein biblisches, sondern ein national-religiöses Fest. Sein Ursprung wird in den Makkabäer-Büchern I und II beschrieben. Die vier Makkabäer-Bücher gehören zu den Apokryphen, die außerhalb des biblischen Kanons stehen. Sie stammen aus den letzten Jahrhunderten v. d. Z. und den ersten Jahrhunderten n. d. Z. Für das Judentum haben speziell die Makkabäer-Bücher I und II großen geschichtlichen Wert, da sie den Kampf der Makkabäer um religiöse und politische Freiheit schildern. Das dritte und vierte Buch erzählt von den Märtyrern, die sich weigerten, die religiösen Gebote der Tora zu verletzen, Schweinefleisch zu essen und Götzenbilder anzubeten.
Im Jahre 168 v. d. Z., genau am 25. Kislew (nach jüdischer Zeitrechnung im Jahr 3860), eroberte der griechisch-syrische Seleukiden-König Antiochus IV. Epiphanes Jerusalem, entweihte den Tempel und errichtete darin ein Götzenbild des Zeus-Olympus. Dem jüdischen Volk wurde es bei Todesstrafe verboten, den Gottesdienst auszuüben oder die religiösen Gebote der Tora zu befolgen, wie beispielsweise die Befolgung der jüdischen Speisegesetze oder die Beschneidung. Antiochus IV. Epiphanes setzte es sich zum Ziel, durch Vernichtung der religiösen Traditionen der Juden deren Gebiet Judäa ins griechisch-syrische Reich einzugliedern.
Befreiungskampf der Makkabäer
Im Talmud Gittin 57 wird das Märtyrertum von Chana und ihrer sieben Söhne geschildert sowie die unbeschreibliche Grausamkeit von Antiochus IV. Epiphanes. Jeder der sieben Söhne ließ sich lieber foltern und ermorden, als sich den Befehlen des Seleukiden-Herrschers zu unterwerfen. Dem jüngsten Sohn wurde großer Reichtum angeboten und er hätte am Leben bleiben können, wenn er seinen Glauben verleugnet hätte. Chana stieg auf das Dach und rief dem jüngsten Sohn zu, „den Glauben nicht aufzugeben“. Sie stürzte sich vom Dach in den Tod. Die größte Qual für Chana war, dass sie Folter und Ermordung ihrer Söhne mitansehen musste.
Als in Modiin, einer kleinen Stadt nördlich von Jerusalem, das Götzenbild des Zeus-Olympus aufgestellt wurde und Matitjahu ben Simon, Priester aus der angesehenen Dynastie der Hasmonäer, zur Opferung aufgefordert wurde, weigerte er sich vor dem Götzenbild zu knien, zerschmetterte es und tötete die griechisch-syrischen Beamten. Seine Tat wurde zum Fanal für den Befreiungskampf der Makkabäer.
Er und seine fünf Söhne flüchteten und zogen sich ins Gebirge zurück, wo sie auf Gleichgesinnte trafen und einen erfolgreichen Guerillakrieg gegen die Übermacht des Seleukiden-Heeres führten. Als Matitjahu im Kampf fiel, übernahm sein drittältester Sohn Jehuda Makkabi die Führung. Sein Beiname „Makkabi“ ist das Akronym eines Bibel-Verses (Exodus 15,11): „Mi kamocha ba-elim adonai!“ Das heißt: „Wer ist wie Du unter den Mächtigen, Herr!“ Dieser Vers zierte die Fahnen der Makkabäer.
Jehuda Makkabi Superstar
Jehuda Makkabi war erfüllt von religiöser Begeisterung, Tapferkeit, Selbstlosigkeit und Hingabe an die nationale Sache des Judentums. Er gilt als charismatische Persönlichkeit, der Friedrich Händel sogar ein Oratorium widmete, das 1932 in Tel Aviv in einer hebräischen Übersetzung anlässlich der ersten Makkabiade aufgeführt wurde: Judas Makkabaeus. Die Historiker Heinrich Graetz und Simon Dubnov widmeten dem politisch und kulturhistorisch bedeutenden Freiheitskampf der Makkabäer und insbesondere Jehuda Makkabi ausführliche Darstellungen.
Dank einer ausgeklügelten Strategie konnte die kleine Streitmacht das zahlenmäßig weitaus überlegene Heer von Antiochus IV. Epiphanes besiegen. Der Tempel in Jerusalem wurde gereinigt und neu eingeweiht. Ein kleines Krüglein heiliges Öl, das nicht entweiht worden war und noch das Siegel des Hohepriesters trug, wurde zum Entzünden des Tempelleuchters verwendet. Das Öl brannte acht Tage lang im heiligen Leuchter, der Menora. Der Inhalt dieses kleinen Kännchens hätte unter normalen Umständen bloß für einen Tag gereicht – die Herstellung neuen geweihten Öles hätte acht Tage gedauert. Das Wunder von Chanukka bezieht sich sowohl auf die acht Tage, die das Öl die Lichter brennen ließ, als auch auf den Sieg der Makkabäer. Beides gilt als ein Wunder des Ewigen, dessen seither alljährlich mit Lob und Dank gedacht wird.
Ritual der Entzündung
In den beiden ersten Makkabäer-Büchern wird die Abhaltung des achttägigen Chanukka-Festes festgelegt. Es entstand der Brauch, am Vorabend nach Einbruch der Dunkelheit täglich ein Licht zu entzünden – bis am achten Tag alle Lichter im Chanukka-Leuchter brennen. Beim Entzünden werden Benediktiones (Segenssprüche) gesprochen und die Lieder Haneroth Halleila Hase (Die Lichter dieser Nacht) und Ma Os Zur gesungen. Dabei wird der zahlreichen Verfolgungen und Gefahren vom Auszug aus Ägypten bis zur Schreckensherrschaft Antiochus’ IV. Epiphanes gedacht. Ma Os Zur entstand im Mittelalter, zur Zeit Barbarossas, während der Judenverfolgungen zu Beginn des ersten Kreuzzuges.
Die Gebetsliturgie enthält das Hallel-Gebet (davon leitet sich Halleluja ab) und den Dankesspruch Al ha Nissim (Gedenken an die Wunder). Es wird täglich ein Abschnitt der Tora vorgelesen, der sich auf die Einweihung des Altars (Misbeach) im Stiftungszelt (Mischkan) bezieht. In diesem wurde täglich während der Wüstenwanderung die Menora entzündet. Dieses Ritual erfolgte später im Salomonischen Tempel. Die Menora stammt aus der Zeit der Wüstenwanderung der Juden und ist heute Symbol des Staates Israel. Die aus biblischen Zeiten stammende heilige Menora ist bis zum heutigen Tage verschollen. Über sie hat Stefan Zweig eine wunderbare Erzählung geschrieben: Der begrabene Leuchter.
Im Gegensatz zur siebenarmigen Menora hat der Chanukka-Leuchter acht Arme, die in einer Ebene angeordnet sind, sowie ein neuntes Licht (Schamasch = Diener), das abseits steht. Mit diesem Licht des Schamasch werden die Lichter des Chanukka-Leuchters angezündet. Die acht Lichter dienen keinem profanen Zweck. Sie sollen sichtbar ans Fenster bzw. an öffentlichen Plätzen aufgestellt werden.
Das Chanukka-Fest wird mit Geschenken, Spielen und fröhlichen Gesängen gefeiert. Die acht Tage sind Halbfeiertage, an denen – ausgenommen am Schabbat – alle Werktagsarbeiten verrichtet werden dürfen. Die Lichter des Chanukka-Leuchters symbolisieren die Hilfe des Ewigen aus größter Not, sie symbolisieren den Sieg des Lichtes über die Dunkelheit, der Moral über die Macht und des Gewissens über die Gewalt – und sie sind Symbol für den Überlebenswillen des jüdischen Volkes. Im Chassidismus wird das Lichtwunder des Chanukka-Festes mit dem „Ur-Licht“ in Zusammenhang gebracht, das nach der Sünde der ersten Menschen von Gott verborgen wurde.
Von einem der großen Gelehrten des Chassidismus, Rabbi Zwi Elimelach Shapiro von Dinov – einem Ort aus Galizien –, stammt folgendes Diktum, das sich auf die Angaben im Sohar, dem Hauptbuch der Kabbala, bezieht: „Wisset, was der Sinn des Lichtwunders von Chanukka ist. Das von der Schöpfung her verborgene Licht hat sich da offenbart und in jedem Jahr, da man zu Chanukka die Lichter entzündet, entzündet sich neu das verborgene Licht und dies ist das Licht des Messias.“