Sie wissen nicht, wem Sie am 25. April Ihre Stimme geben sollen? NU bat die beiden Kandidaten zur Bundespräsidentenwahl zum (schriftlichen) Interview. Was Heinz Fischer und Benita Ferrero-Waldner zu dem Thema Antisemitismus, Friedenszaun, S Nahostpolitik und NS-Vergangenheit zu sagen haben. Ein NU-Doppelinterview.
Von Barbara Tóth
Fischer: „Habe viele Freunde in Israel“
SPÖ-Präsidentschaftskandidat Heinz Fischer über den Nahostkonflikt, sein Verhältnis zu arabischen Staaten, seine Arbeit im Kibbuz und sein Verhältnis zu seinem jüdischen Schwiegervater.
NU: Herr Fischer, in welches Land würde Ihre erste Auslandsreise als Präsident führen?
Fischer: Meine erste Auslandsreise würde mich in ein europäisches Land führen, und zwar in ein Land, das viele Berührungspunkte mit Österreich hat, sodass ein Besuch zum Symbol für gute und freundschaftliche Beziehungen werden kann. Das Land konkret zu nennen, ist aber erst möglich, wenn die entsprechende Einladung an den gewählten Präsidenten vorliegt, weil ansonsten diplomatische Gepflogenheiten verletzt werden.
NU:Was halten Sie von den Kontakten zur arabischen Welt, die die FPÖ, namentlich Jörg Haider, zuletzt intensivierte?
Fischer: Ich halte viel von guten Kontakten Österreichs zu Israel und zur arabischen Welt, und auch ich habe als Präsident des Nationalrates mehrmals Israel und fast alle Staaten der arabischen Welt (mit Ausnahme des Iraks und Libyens) besucht und mit den dortigen Staatspräsidenten und Regierungschefs Gespräche geführt. Die Reisen Jörg Haiders zu Saddam Hussein fallen sicher nicht in die Kategorie jener Auslandsbesuche, die Österreich und unserem Ansehen in der Welt dienen.
NU: Würden Sie als Bundespräsident solche Kontakte unterstützen?
Fischer: Ich werde als Bundespräsident meine Beziehungen und Kontakte zu den Staaten im Nahen Osten fortsetzen und ich werde dabei von meinen bisherigen Besuchen und Kontakten sehr profitieren. Ich habe viele Freunde in Israel, wo ich zum ersten Mal 1964 in einem Kibbuz gearbeitet habe.
NU: Welche Rolle würde der Nahe Osten auf Ihrer außenpolitischen Agenda als Bundespräsident spielen? Und würden Sie als Bundespräsident im Israel-Palästina-Konflikt vermitteln? Wenn ja, in welcher Form?
Fischer: Österreich, Norwegen, Schweden und auch Spanien sind Staaten, die im Nahen Osten einen guten Namen haben und die in der Vergangenheit viele nützliche Aktivitäten zur Eindämmung des Nahostkonfliktes und zur Ermöglichung von Friedensverhandlungen gesetzt haben. Diese Bemühungen werde ich fortsetzen und intensivieren. Die Formen, in denen sich diese Bemühungen abspielen, können nicht von vornherein schematisch definiert werden, sondern man muss flexibel und der jeweiligen Situation angepasst handeln.
NU: Der „Friedenszaun“ zwischen Israel und den palästinensischen Gebieten sorgt für weltweite mediale Berichterstattung. Was ist Ihre Meinung dazu?
Fischer: Ich halte den so genannten „Friedenszaun“ für keine gute Idee. Man muss bedenken, dass dieser Zaun bzw. diese Mauer ja nicht exakt auf der Grenze zwischen israelischem und palästinensischem Gebiet verläuft, sondern dass die Mauer so gebaut wird, dass dadurch das palästinensische Gebiet verkleinert wird. Und ich wäre nicht überrascht, wenn der internationale Gerichtshof zu der Auffassung gelangt, dass dies völkerrechtswidrig ist.
NU: Dieser Tage ist vielfach von einem neuen Antisemitismus die Rede – zu Recht?
Fischer: Ich glaube nicht, dass es einen „Neuen Antisemitismus“ gibt; aber es ist leider wahr, dass wir den Antisemitismus als solchen noch immer nicht überwunden haben, obwohl ich die Hoffnung hege, dass die nächste und übernächste Generation den Antisemitismus in wachsendem Maß als schreckliches Relikt der Geschichte hinter sich lassen und verachten wird.
NU: Vergangenheitsbewältigung – Zeit für einen Schlussstrich oder zentrales Thema Ihrer möglichen Präsidentschaft?
Fischer: Weder noch. Die Idee zu einem so genannten „Schlussstrich“ hat sich aus faktischen, aus menschlichen und aus moralischen Gründen als undurchführbar erwiesen. Ein Schlussstrich kann nicht einfach verordnet werden, bevor nicht alles aufgearbeitet ist,
was aufgearbeitet werden muss. Auf der anderen Seite kann ich nicht behaupten, dass die Vergangenheitsbewältigung das zentrale Thema meiner Präsidentschaft sein würde, aber es würde ein sehr wichtiges Thema sein, dem ich mich mit offenen Augen und offenem Herzen widmen würde. Meine langjährige Tätigkeit als Präsident des Österreichischen Nationalfonds für die Opfer des Nationalsozialismus würde mir dabei ebenso helfen wie meine persönlichen Freundschaften und familiären Beziehungen zu Menschen jüdischer Abstammung.
NU: Die Familie Ihrer Frau war im Exil – aus politischen wie „rassischen“ Gründen. Hat die jüdische Tradition in ihrem Familienleben eine Rolle gespielt – und wenn ja, in welcher Form?
Fischer: Mein Schwiegervater war und ist ein Österreicher jüdischer Herkunft, der 1938 in ein KZ eingeliefert wurde und dem nach einem Jahr KZ-Haft in Buchenwald und Mauthausen die Emigration nach Schweden ermöglicht wurde. Dennoch haben in seinem Alltagsleben jüdische Traditionen nach meinem Wissen keine große Rolle gespielt. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass ein Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten – zumindest innerhalb gewisser Grenzen – durchaus Einblick in sein Privatleben geben muss. Dies gilt aber nicht für andere Familienmitglieder, wie Kinder, Geschwister oder Schwiegereltern.
NU: Sie haben diesen Aspekt Ihrer Familie bislang nicht öffentlich gemacht. Aus Angst, dass das Thema Judentum in Österreich immer noch für Probleme in einem Persönlichkeitswahlkampf sorgen könnte?
Fischer: Ich bin im Wahlkampf auf alles gefasst, habe aber vor nichts Angst.
Ferrero: „Beziehungen zu Israel vertiefen“
ÖVP-Kandidatin Benita Ferrero-Waldner über ihre außenpolitischen Ziele, geplante Auslandsreisen und die regen FPÖ-Kontakte zurarabischen Welt.
NU: Frau Ferrero-Waldner, in welches Land würde Ihre erste Auslandsreise als Präsidentin führen?
Ferrero-Waldner: Mit 1. Mai treten vier unserer Nachbarstaaten der Europäischen Union bei. Meine ersten Auslandsreisen würden daher von Budapest, über Pressburg nach Laibach und Prag führen.
NU: Auf Ihrer Homepage zeigen Sie sich im Gespräch mit Yassir Arafat – warum?
Ferrero-Waldner: Auf meiner Homepage werden Sie mich alternierend im Gespräch mit unterschiedlichen internationalen Persönlichkeiten finden.
NU: Was halten Sie von den Kontakten zur arabischen Welt, die die FPÖ, namentlich Jörg Haider, zuletzt intensivierte?
Ferrero-Waldner: Österreich unterhält traditionell gute Kontakte zur arabischen Welt. Nicht nur die unlängst stattgefundenen Staatsbesuche des amtierenden Bundespräsidenten oder des Nationalratspräsidenten Khol in Syrien beweisen dies. Ich selbst habe in den letzten Jahren zahlreiche Besuche in arabischen Staaten – von Nordafrika bis in die Golfregion – gemacht. Auch private Kontakte über die Parteigrenzen hinweg können durchaus eine sinnvolle Unterstützung sein, sofern sie dem Wohl Österreichs dienen.
NU: Würden Sie als Bundespräsidentin solche Kontakte unterstützen?
Ferrero-Waldner: Man sollte stets zwischen offiziellen Kontakten und privaten Reisen von Politikern unterscheiden.
NU: Welche Rolle würde der Nahe Osten auf Ihrer außenpolitischen Agenda als Bundespräsidentin spielen?
Ferrero-Waldner: Der Nahe Osten hat immer eine wichtige Rolle in der österreichischen Außenpolitik gespielt und Österreich wird sich weiterhin für ein friedliches Miteinander im Nahen Osten einsetzen. Während meiner jetzigen Amtszeit als Außenministerin habe ich intensiv meine Kontakte vor Ort genützt. Besonders froh bin ich darüber, dass es mir letztes Jahr gelungen ist, die Beziehungen zu Israel zu normalisieren. Sowohl mein Besuch in Israel als auch der Besuch von Außenminister Shalom in Wien waren dafür wichtige Schritte. Seit kurzem haben wir auch in Österreich wieder einen israelischen Botschafter. Ich werde als Bundespräsidentin diese Politik – in Absprache mit der österreichischen Bundesregierung.
NU: Würden Sie als Bundespräsidentin im Israel-Palästinakonflikt vermitteln? Wenn ja, in welcher Form?
Ferrero-Waldner: Wenn beide Seiten an mich herantreten und das im Interesse eines friedlichen Miteinanders im Nahen Osten wünschen, wäre das eine verantwortungsvolle Aufgabe. Wichtig ist, dass Europa im Nahen Osten mit einer Stimme spricht. In diesem Sinne würde ich eine Vermittlungsrolle nur in enger Absprache mit unseren Freunden in der Europäischen Union übernehmen.
NU: Der „Friedenszaun“ zwischen Israel und den palästinensischen Gebieten sorgt für weltweite mediale Berichterstattung. Was ist Ihre Meinung dazu?
Ferrero-Waldner: Ich glaube, dass die Zeit vorbei sein muss, in der Zäune Menschen getrennt haben. Der Eiserne Vorhang wurde vor 15 Jahren beseitigt. Wichtig ist, dass Menschen aufeinander zugehen. Ein Zaun ist immer etwas Trennendes.
NU: Dieser Tage ist vielfach von einem neuen Antisemitismus die Rede – zu Recht?
Ferrero-Waldner: Es gibt unterschiedliche Studien darüber, die in der letzten Zeit für Aufregung gesorgt haben. Leider gibt es in Europa immer Mitbürger, die gegen jemanden oder etwas sind. Hierbei bedarf es einer intensiven Aufklärung, eines neuen Miteinanders und vor allem eines Aufeinanderzugehen. Dabei ist auch internationale Zusammenarbeit notwendig, weshalb ich es begrüße, dass im April im Rahmen der OSZE eine Konferenz über das Phänomen des Antisemitismus in Berlin abgehalten wird.
NU: Vergangenheitsbewältigung – Zeit für einen Schlussstrich oder zentrales Thema Ihrer Präsidentschaft?
Ferrero-Waldner: Die Regierung Schüssel hat hier bereits 2000 klare Signale gesetzt. Vergangenheitsbewältigung ist und war für diese Regierung ein zentrales Thema. Erfreulich ist, dass wir in kurzer Zeit viel erreichen konnten. Natürlich kann man durch materielle Leistungen das Leid vieler nicht lindern und schon gar nicht ungeschehen machen. Die Zuwendungen an Opfer des Nationalsozialismus, die Österreich seit 2000 erbracht oder in Aussicht gestellt hat, sind aber mehr als nur eine materielle Geste – sie sind ein Anerkennen, dass Unrecht geschehen ist und dafür die moralische Verantwortung übernommen wird. Jeder muss sich der Vergangenheitsbewältigung annehmen, damit es nie wieder einen Holocaust gibt. Dabei kommt der Erziehung unserer Jugend ganz besondere Bedeutung zu. Als österreichische Bundespräsidentin wird es mir auch ein Anliegen sein, die Beziehungen zu Israel – deren Normalisierung ich herbeiführen konnte – im Geiste des gegenseitigen Respekts und Dialoges fortzusetzen und zu vertiefen.
NU: Eine persönliche Frage: Ihr Vater wurde im Krieg verwundet. Wie ging man in Ihrer Familie mit dem Zweiten Weltkrieg und der Vergangenheit um?
Ferrero-Waldner: Ich habe in meiner Jugend mit meinem Vater viel über seine Kriegserlebnisse gesprochen. Mein Vater hat immer gesagt: „Nie wieder Krieg!“ – und dafür stehe auch ich.