UN Watch, eine NGO mit Sitz in Genf beobachtet seit Jahren die Performance der Vereinten Nationen und macht immer wieder auf die Schlagseite in puncto Israel aufmerksam.
Von Nathan Spasić
Hillel Neuer ist ein international anerkannter Menschenrechtsanwalt und Geschäftsführer der Organisation UN Watch, die sich der Überwachung der Vereinten Nationen verschrieben hat. Neuer setzt sich leidenschaftlich für Demokratie und Menschenrechte ein und prangert die Voreingenommenheit der UNO gegenüber Israel scharf an. Seine Videos, in denen er Vertreter der UNO wegen ihres Antisemitismus vehement kritisiert, schlagen auf Instagram und YouTube große Wellen. Nathan Spasić hat Hillel Neuer getroffen.
Nathan Spasić: Herr Neuer, Sie kritisieren häufig den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen und meinen, dieser sei voreingenommen gegenüber Israel. Können Sie einige Beispiele nennen?
Hillel Neuer: Davon gibt es viele, sie sind auf unserer Website detailliert dokumentiert. Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen hält drei Sitzungen pro Jahr ab. In jeder Sitzung gibt es einen Tagesordnungspunkt für die ganze Welt, also dort werden die Menschenrechtssituationen weltweit behandelt: Tagesordnungspunkt Vier. Und dann gibt es den Tagesordnungspunkt Sieben, der sich speziell mit Menschenrechtsverletzungen in den besetzten arabischen Gebieten, einschließlich Palästina, befasst. Somit geht es eigentlich um Israel. Kein anderes Land auf der Welt, weder Russland, Nordkorea, China, Ägypten, Syrien noch Iran, hat einen eigenen permanenten Tagesordnungspunkt. Dies ist ein klassisches Beispiel für die Voreingenommenheit des Menschenrechtsrats.
Wie wirkt sich das auf Israel aus?
Israel steht ständig im Mittelpunkt negativer Aufmerksamkeit, während schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen in anderen Ländern ignoriert werden. Es sendet ein verzerrtes Bild und beeinflusst die internationale Meinung negativ gegen Israel. Damit wird das Land systematisch delegitimiert und isoliert.
Und wie bewerten sie die Arbeit der UNO-Sonderberichterstatterin für die besetzten Gebiete, Fransesca Albanese?
Ihr Mandat ist voreingenommen, da es nur die Verletzungen Israels in den Gebieten untersucht und Missbräuche durch Gruppen wie den Islamischen Dschihad, Hamas und Fatah ignoriert. Albanese selbst ist offen antisemitisch.
Inwiefern?
Sie hat etwa behauptet, dass die „jüdische Lobby“ Amerika und die Medien kontrollieren würde. Bei einer von der Hamas organisierten Konferenz in Gaza im November 2022, sagte sie: „Ihr habt das Recht, euch gegen diese Besatzung zu wehren“. Somit hat sie die Hamas ermutigt und zugleich immer wieder Israel fälschlicherweise des Völkermords beschuldigt. Wir fordern ihre Absetzung seit eh und je. Nun stellen wir erfreut fest, dass sich die Vereinigten Staaten, Frankreich und Deutschland unserer Bewertung angeschlossen und Albanese wegen ihres Antisemitismus verurteilt haben. Es ist einerseits bemerkenswert, aber andererseits beunruhigend, dass eine Person mit solch extremen Ansichten eine so wichtige Position innerhalb der UNO bekleidet.
Im Lichte des Terrorüberfalls vom 7. Oktober wurde auch publik, dass die Hamas die Einrichtungen und Ressourcen der UNWRA, also dem Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten, nutzte.
Ja, aber lassen Sie mich kurz etwas Allgemeines dazu sagen. Im Gegensatz zum UNHCR, das Flüchtlinge unterstützt, unter anderem bei deren Umsiedelung, perpetuiert UNRWA den Flüchtlingsstatus der Palästinenser. Und das, selbst wenn sie in anderen Ländern ihren Lebensmittelpunkt und andere Staatsbürgerschaften haben. Das Ziel von UNRWA scheint darin zu bestehen, Israel zu demontieren, da sie den Palästinensern vermittelt, sie hätten ein Recht auf das israelische Gebiet. Aber um auf Ihre Frage zu antworten: Wir haben belegt, dass Hunderte angestellte UNRWA-Lehrer Terrorismus und den Mord an Juden in den Schulen verbreiten. Dies ist ein systematisches Problem und steht im Einklang mit dem Ziel von UNRWA, nämlich Israel abzuschaffen.
In einem Interview mit NU sagte der israelische Sicherheitsexperte und Politikwissenschafter Dan Schueftan, UNRWA sei eine terroristische Organisation. Würden Sie diese Einschätzung teilen?
Ich bin mir nicht sicher, ob es sich um eine terroristische Organisation im gleichen Sinne wie die Hamas handelt, aber UNWRA finanziert sicherlich Terroristen. Wir haben dokumentiert, dass etliche UNWRA-Lehrer offen Terrorismus unterstützen. Einige von ihnen sind sogar selbst Terroristen. Zum Beispiel ist Fatah Al-Sharif, der Vorsitzende der Lehrergewerkschaft im Libanon, ein ranghoher Hamas-Funktionär. Suhail al-Hindi, der Vorsitzende der Lehrergewerkschaft in Gaza, ist Mitglied des Hamas-Politbüros. UNRWA finanziert und ermöglicht Terrorismus und teilt seine Ressourcen mit terroristischen Organisationen.
Philippe Lazzarini leitet UNRWA, tangiert ihn sowas denn gar nicht?
Es ist beschämend. Er betreibt täglich Desinformation und fördert das Narrativ der Hamas. Auch verurteilt er die Hamas nie dafür, dass sie UNRWA-Einrichtungen für den Terrorismus nutzen. Lazzarini sollte zurücktreten. Wir haben bei der Feier des Schweizer Nationaltags in Lausanne gegen Lazzarini protestiert und Ayelet Samerano eingeladen, deren Sohn Yonatan am 7. Oktober von einem UNRWA-Sozialarbeiter nach Gaza entführt und ermordet wurde. Obwohl die Schweizer Polizei uns daran hindern wollte, haben wir seine Rede gemeinsam mit Frau Samerano gestört.
Die UNO wählt oft Diktaturen in den Menschenrechtsrat. Wie wirkt sich dies auf die Glaubwürdigkeit der UNO aus?
Die Generalversammlung der Vereinten Nationen ist im Prinzip demokratisch. Jedes Land hat eine Stimme. Allerdings sind viele dieser stimmberechtigten Länder autoritäre Regime, die ihre Bevölkerung nicht vertreten. Ich denke da beispielsweise an China, Nicaragua, Venezuela, Kuba, Ägypten, Simbabwe, Katar, Iran und Nordkorea. Das schafft eine große Glaubwürdigkeitskrise. Noch schlimmer ist, dass Gremien wie der Menschenrechtsrat, die sich um Menschenrechte kümmern sollten, oft von den schlimmsten Diktaturen gekapert werden. Dies untergräbt die Glaubwürdigkeit und Mission der UNO.
Also ist das alles eine Farce?
Wenn autoritäre Regime in den Menschenrechtsrat gewählt werden, schwächt dies die Fähigkeit des Rates, effektiv gegen Menschenrechtsverletzungen vorzugehen. Diese Länder möchten oft ihre eigenen Menschenrechtsverletzungen verbergen und arbeiten daher daran, den Fokus von sich abzulenken und ihre eigenen politischen Agenden zu fördern. Dies führt dazu, dass echte Menschenrechtsverletzungen nicht ausreichend behandelt werden und die Opfer dieser Verletzungen weiter leiden.
Wie würden Sie die Rolle der UNO in den jüngsten Gaza-Konflikten und dem aktuellen Konflikt bewerten?
Die Voreingenommenheit der UNO gegenüber Israel hat sich seit dem 7. Oktober verschärft. Zum Beispiel verurteilte Generalsekretär Guterres die Hamas, hängte allerdings ein „aber“ an. Damit rechtfertigt er praktisch die Angriffe. Andere UNO-Beamte, wie der Hochkommissar für Menschenrechte, haben das Narrativ der Hamas übernommen. Der Leiter der Weltgesundheitsorganisation verurteilte Israel dafür, Terroristen in Krankenhäusern anzugreifen, anstatt die Terroristen zu verurteilen. Viele UNO-Beamte haben Israel zu Unrecht attackiert und moralische Täter-Opfer-Umkehr betrieben.
Ist der Menschenrechtsrat realpolitisch relevant oder nur Augenauswischerei?
Der Menschenrechtsrat hat einen Effekt auf die allgemeine öffentliche Meinung. Wenn Israel mehr als jedes andere Land verurteilt wird, beeinflusst das Diplomaten, Journalisten und Studenten, die dies wiederum für legitim halten. Die Resolutionen und Berichte des Rates werden an Den Haag geschickt und beeinflussen den Internationalen Strafgerichtshof, der die Führer Israels kriminalisiert. Während der Rat keine unmittelbare militärische Wirkung hat, haben seine Maßnahmen langfristig bedeutende Auswirkungen.
Wie etwa?
Durch die zunehmende Isolation Israels auf der internationalen Bühne, kontinuierliche Verurteilungen und falsche Berichte wird Israel immer mehr als Paria-Staat dargestellt. Das beeinträchtigt die diplomatischen Beziehungen und hat auch Auswirkungen auf die Sicherheit Israels, da seine Verteidigungsfähigkeiten und internationalen Unterstützungsnetzwerke geschwächt werden.
Wo sehen Sie UN Watch in den nächsten fünf bis zehn Jahren?
UN Watch existiert seit 1993 und wird aktuell mehr denn je benötigt. Wir sind die führende Stimme des Anstandes bei den Vereinten Nationen. Anders als es unsere Gegner oft behaupten, werden wir ausschließlich durch private Spenden finanziert. Wir nehmen grundsätzlich kein Geld von Regierungen an. In den nächsten fünf bis zehn Jahren hoffen wir, unsere Wirkung weiter ausbauen und damit mehr Menschen erreichen zu können.