Erste Hilfe in der Gasnot

Ob Bohrinseln zukünftig zur Energieversorgung dienen sollen, ist umstritten. Ökologisch bedenklich sind sie mit Sicherheit. ©PUBLIC DOMAIN_RAWPIXEL

Seit Europa möglichst rasch aus dem Gasdeal mit Russland aussteigen will, rückt die sogenannte EastMed-Pipeline wieder ins Bewusstsein. Sie soll Erdgas von Israel nach Europa bringen.

Von Nini Schand

Leviathan ist in der jüdischen Mythologie ein kosmisches Seeungeheuer mit den Zügen eines Krokodils, eines Drachens, einer Schlange oder eines Wals. Das, was rund zehn Kilometer vor der Küste Israels am Meeresgrund lagert, ist allerdings kein Seeungeheuer, sondern ein Erdgasfeld. Auf rund 1000 Milliarden Kubikmeter Gas wird das Vorkommen vor der israelischen Küste geschätzt, das zunächst Israels Eigenbedarf deckt. Doch die Sanktionen gegen Russland und der geplante Gaslieferungsstopp rücken die israelischen Gasfelder wieder ins Bewusstsein. Europa verbraucht rund 500 Milliarden Kubikmeter im Jahr. Die Vorkommen im östlichen Mittelmeer könnten somit eine Alternative zu russischen Erdgaslieferungen darstellen.

Derzeit exportiert Israel nur kleinere Mengen Erdgas nach Jordanien und Ägypten. Denn um Gas auch nach Europa zu liefern, fehlen die technischen Voraussetzungen. „Israels Möglichkeit, Gas nach Europa oder irgendwohin anders zu liefern, hängt daran, es nach Ägypten zu bekommen und weiter zu exportieren. Wenn Israel mehr verkaufen will, muss es ein eigenes Projekt umsetzen, aber egal ob Pipeline oder Flüssiggasterminal: Es wird teuer und kompliziert“, so Gina Cohen, Expertin für Erdgasförderung an der Technion-Hochschule Haifa. Als Ersthilfe sind die israelischen Erdgasvorkommen somit nicht geeignet. Langfristig könnten Israels Erdgasvorkommen also zwar die ersehnte Rettung aus der Abhängigkeit von Russland sein, doch mit den bestehenden Kapazitäten kann Israel nicht die benötigte Menge nach Europa liefern.

Große Zweifel

Nun rückt die sogenannte EastMed-Pipeline wieder in den Fokus der Überlegungen. Sie würde 2000 Kilometer lang sein und am Meeresgrund von Israels Förderanlagen über zypriotische und griechische Erdgasfelder bis nach Italien führen. Im Jänner 2020 unterzeichneten Griechenland, Israel und Zypern in Athen eine Grundsatzvereinbarung über ihren Bau. Das Ziel: Ab 2025 liefert Israel Erdgas nach Westeuropa. Ein Friedensprojekt, das – mit Unterstützung der EU – zur Energiesicherheit Europas beitragen würde, schwärmte der griechische Energieminister Kostis Hatzidakis; von einem „historischen Ereignis“ sprach der zyprische Staatschef Nikos Anastasiades.

Doch der Bau ist aufwändig. In aktuell laufenden Machbarkeitsstudien werden die Beschaffenheit des Meeresgrundes, die angestrebte Tiefe und der Verlauf untersucht und analysiert. Die EU sagte 35 Millionen Euro Fördergelder zu, doch die USA entzogen dem Projekt die Unterstützung. Experten zweifeln am Bau der Pipeline, nicht zuletzt, weil die Finanzierung noch immer nicht gesichert ist. Die Zweifel sind groß, dass Privatinvestoren die nötigen sechs Milliarden Euro zusammenbringen. Die Erwartungen der beteiligten Länder, dass die EU die neue Pipeline finanzieren würde, sind eher unrealistisch – denn schließlich will die EU im Rahmen der Klimaziele bis zum Jahr 2030 ihre CO2-Emissionen um 55 Prozent senken. Neuinvestitionen in Pipelines oder Gaskraftwerke machen sich da nicht gut.

Ende 2021 konnten sich Vertreter aller EU-Mitgliedstaaten auf neue Vorschriften für grenzüberschreitende Energieprojekte einigen. Demnach ist die Förderung von Erdgas-Pipelines mit EU-Geldern nicht mehr erlaubt, ausgenommen Zyperns Anschluss an das europäische Gasnetz. Doch will die EU in ihrer sogenannten „Taxonomie-Verordnung“ Erdgas – zumindest übergangsweise – als umweltfreundliche Energie einstufen.

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