Erfolgsstory und Klischee

Salomon Rothschild (1774–1855, Porträt von Theodor Mayerhofer) ©JMW

Die Ausstellung „Die Wiener Rothschilds“ präsentiert die Geschichte des Wiener Zweigs der berühmten und einflussreichen jüdischen Familie.

Von Gabriele Kohlbauer-Fritz und Tom Juncker

Der sagenhafte Aufstieg der aus Frankfurt stammenden Bankiersfamilie Rothschild zu den führenden Bankhäusern und Industriellen Europas setzte Anfang des 19. Jahrhunderts ein. Der Schlüssel ihres Erfolgs lag in der Modernität des Familienunternehmens: Länderübergreifende Netzwerke, Kommunikation und Corporate Identity charakterisierten das Unternehmen der fünf Rothschild-Brüder.

Trotz des patriarchalen Familien- und Geschäftsmodells spielten die Rothschild-Frauen eine wesentliche Rolle, und so kursieren etwa zahlreiche Anekdoten über den Einfluss der Matriarchin Gutle Rothschild. Viele ihrer Nachfahrinnen engagierten sich in Kunst und Philanthropie. Im Laufe der Jahre wurde der Name Rothschild zum positiven Symbol für eine jüdische Erfolgsgeschichte, jedoch auch zum negativen Klischee der antisemitischen Propaganda.

Die Geschichte der Rothschilds in Wien reicht bis zur Ankunft von Salomon Rothschild in der Hauptstadt des Habsburgerreiches im Jahr 1816 zurück, wo er enger Mitarbeiter und Finanzier des österreichischen Staatskanzlers Fürst Klemens von Metternich wurde. Betrachtet man die Geschichte der Rothschilds in Wien und Österreich, liest sie sich in Teilen wie ein Krimi. Denn die Wiener Rothschilds waren wiederholt in große politische, wirtschaftliche und soziale Konflikte verwickelt.

Metternichs Fluchthelfer

Eine Krise erschütterte das Haus Rothschild während der Revolution des Jahres 1848. Im Unterschied zu den meisten Wiener Jüdinnen und Juden, die ein Ende des Feudalsystems herbeisehnten, hielten die Rothschilds eisern zu Metternich und finanzierten ihm die Flucht aus Wien. Schließlich musste auch Salomon Rothschild inkognito bei Nacht und Nebel die Stadt verlassen – eine Geschichte, die Stoff für mehrere Kriminalromane abgäbe.

Die erste große wirtschaftliche Niederlage erfuhr die Bankiersdynastie im Zuge des Ersten Weltkriegs, der große Vermögensverluste zur Folge hatte. Gleichzeitig verschärfte sich die antisemitische Hetze gegen die als Sinnbild des entfesselten Kapitalismus gezeichneten Rothschilds. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten in Österreich im März 1938 setzte ein beispielsloser Raubzug an jüdischem Vermögen ein, in dessen Fokus auch die Besitzungen der Rothschilds standen.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs erhielten die Wiener Rothschilds einen Teil ihres Vermögens restituiert, im Gegenzug für Zwangswidmungen wesentlicher Kunstwerke an österreichische Museen. So wurden sie quasi ein zweites Mal beraubt. Es dauerte mehr als 50 Jahre bis zur Rückgabe der verbliebenen Kunstwerke an die Familie. Aber die Geschichte der Rothschilds in Österreich geht weiter: Bis heute kämpft ein Rothschild-Enkel vor Gericht um die Zukunft der Nathaniel Freiherr von Rothschild’schen Stiftung für Nervenkranke, das heutige Neurologische Zentrum Rosenhügel (siehe „Eine Geschichte der Verdrängung“ in NU 85).

Ziel der Ausstellung ist es, Mythen und Vorurteile abzubauen, die Errungenschaften der Familie für die Stadt Wien und das Land zu unterstreichen und Spuren des materiellen und immateriellen Erbes der Rothschilds in Österreich sichtbar zu machen.

Gutle Rothschild (1753–1849, Moritz Daniel Oppenheim, The Rothschild Archive)
©JMW

Die Wiener Rothschilds. Ein Krimi
Jüdisches Museum Wien
bis 5. 6. 2022

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